Herd – Open Kitchen: Das Wiener Silicon Valley der Gastronomie

Michaela Reisel
Die Gründer von Herd - Open Kitchen v.l.n.r.: Felix Münster, David Weber, Marko Ertl, Matthias Kroisz

Die Gründer von Herd - Open Kitchen v.l.n.r.: Felix Münster, David Weber, Marko Ertl, Matthias Kroisz

In Wien gibt’s was Neues. Eine Mietküche der ganz besonderen Art. Sie heißt Herd – Open Kitchen und ist in Europa – bis auf ein ähnliches Konzept in Belgien – einzigartig. Der Betrieb läuft schon, die offizielle Eröffnung ist diesen Montag, 31. Juli. Zentrales Anliegen der vier Wiener Gründer ist der Gemeinschaftsgedanke. Es soll kein Konkurrenzdenken und -handeln geben. Schließlich sitzen alle im selben Boot. Wenn man sich da unterstützen kann, umso besser. Wie die Mietküche funktioniert? Wir haben nachgefragt.

Gemeinsam in die kulinarische Zukunft: Kochen und produzieren

Herd – Open Kitchen ist mehr als eine Mietküche. „Wir feiern und fördern die Helden der Küche“, so das Motto von Marko Ertl, Matthias Kroisz, Felix Münster und David Weber. Im Gewerbegebiet Am Kempelenpark im 10. Bezirk haben sie eine mit 700 m² ungewöhnlich große Küche geschaffen. Installationen, Belüftung und Kühlhäuser waren schon vorhanden, befand sich an diesem Standort doch früher einmal die Betriebsküche eines großen Konzerns. Nun können sich Restaurants, Produzenten, Hobbyköche oder auch ganz andere Gastronomiekonzepte einmieten. Auch ein Schulungszentrum hat sich angesagt, ein Weiterbildungsprogramm für Köche an diesem Standort abzuhalten. „Wir bekommen ganz unterschiedliche Anfragen, an so viele Nutzungszwecke haben wir gar nicht gedacht“, so Ertl.

Erfahrung in der Gastronomie haben alle der vier Herren. Felix Münster war etwa bei Habibi&Hawara tätig und Cateringleiter des BioHofs ADAMAH. David Weber hat in Jamie Olivers Restaurant Fifteen gekocht, Matthias Kroisz und Marko Ertl absolvierten die WU. 2013 gründeten sie zusammen mit David Weber Wrapstars und brachten damit den ersten Food Truck nach Österreich. Daher kommt auch die Erfahrung mit Mietküchen, waren sie doch mit Wrapstars selbst eine Zeitlang Untermieter in einer Küche. „Wir hatten unseren Platz, waren aber von der Arbeit anderer abhängig. Wenn viel zu tun war, mussten wir weichen.“ Daher kennen sie die Herausforderungen und machen es bei Herd – Open Kitchen, anders: „Wenn du hier einziehst, hast du deinen eigenen Lagerplatz, das ist wie deine eigene Küche mehr oder weniger.“

Die Idee: Die Gemeinschaft teilt Know-How, Infrastruktur und Küche. „Man mietet sich ein und ist komplett versorgt. Alles ist bereits genehmigt. Wir nehmen den Mietern die gesamte Bürokratie ab.“ Man braucht also nur noch herzukommen und kann flugs loslegen.

Auch das ist Herd: Cateringaufträge und verkaufen

Langfristig ist geplant, „dass du als Mieter auch von der anderen Seite her versorgt bist, du über unser Cateringprogramm fixe Aufträge bekommst“, so Ertl. Herd wird bei diesem Catering-Konzept als Agentur und Vermittler agieren. Bei Herd eingehende Aufträge werden an die Mieter der Gemeinschaftsküche weitergegeben. „Der Vorteil ist, dass wir mehrere coole Konzepte haben, die hier kochen werden. Wenn man bei uns ein Catering anfragt, bekommst du von dem, der sich auf Desserts spezialisiert hat, coole Desserts. Vom Burger-Spezialisten kommen die Burger und so weiter“, erklärt Marko Ertl. „Du kriegst wirklich tolles Essen, weil jeder nur auf ein Produkt spezialisiert ist.“ Der Kunde wählt aus, welche Speisen er haben möchte, Herd schnürt ein Paket und kümmert sich darum, dass das Essen zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist.

Auch mit Handelsketten möchte Herd zusammenarbeiten. Insofern, dass in Lebensmittelgeschäften ein Herd-Regal stehen soll, „wo unsere Produzenten abwechselnd ihre Sachen präsentieren können.“ Über Cateringaufträge und Auftritte im Einzelhandel haben die Mieter die Möglichkeit, einen Teil ihres Mitgliedsbeitrags zurückzuerlangen. Rund zehn Konzepte nutzen die Räumlichkeiten der Gemeinschaftsküche bereits, darunter MOCHI oder Herzlichst, ANNA’s.

Das ist ja wie im Fitnessstudio!

Und wie wird festgelegt, wer wann kommt? „Sich hier einzumieten ist am ehesten vergleichbar mit einer Fitnessstudio-Mitgliedschaft“, so Ertl und erklärt, wie sich der Preis für die Nutzung der Küche zusammensetzt. Es gibt verschiedene Zeitpakete, angefangen von geringfügig (20 h/Monat) über Teilzeit (40 h/Monat) bis hin zu Vollzeit (80 h/Monat). Je nach Paket kündigen sich die Mieter im Vorhinein an oder können einfach so kommen. Selbst ein Nacht- und Wochenend-Paket ist möglich. Wer überhaupt mehr will, wählt die All-in-Variante. Zwischen 20 und 30 Mietern finden gleichzeitig Platz zu kochen. Sollte der Platz trotzdem einmal zu eng werden, ist auch das kein Problem. Der Komplex ist noch einmal mit 1000 m² unterkellert und kann mühelos erweitert werden.

Ein wichtiger Sponsor von Herd – Open Kitchen ist METRO. Die waren von Anfang an begeistert vom Konzept und innerhalb kürzester Zeit mit an Bord. „Ohne deren Hilfe wäre es nicht so einfach gegangen, unseren Plan zu verwirklichen“, freut sich Ertl über das Vertrauen. Zusammen mit METRO plant man auch, künftig regelmäßig Workshops für die Mieter anzubieten. Etwa, um die Funktionsweise neuer Geräte vorzuzeigen. Wie eine Art Stammtisch soll das aufgezogen werden. Auch vom Vermieter haben die vier große Unterstützung erfahren. Überhaupt soll die Gemeinschaftsküche ein Ort werden, „wo du Bock hast, herzukommen“. Überall werden Bilder und Zitate leidenschaftlicher Köche aufgehängt – von Jamie Oliver bis Remy, die Ratte aus dem Animationsfilm Ratatouille. Zudem soll es ein Experimentierregal geben, in das die Mieter neue Kreationen, etwa Gewürzmischungen, zur freien Entnahme für die anderen Mieter platzieren. Ein Ort des Austauschs und der Begegnung also. Als besonderes Schmankerl gab es für Ertl, Weber und Co. vom Vermieter sogar einen 90 m² großen Garten oben drauf. Den wollen sie hauptsächlich für After Work-Zwecke nutzen, etwa um nach getaner Arbeit selbst gezogenes Gemüse in der Runde zu verkochen. „Vielleicht wird es auch bei Wrapstars einen Special-Wrap mit Tomaten aus dem eigenen Garten geben“, kann sich David Weber vorstellen.

Wrapstars – “life is too short to eat bullshit”

„Wenn in Wien was neu ist, ist es nicht so, dass die Leute vier Stunden anstehen, um es zu bekommen. Nach vier Jahren probieren sie es vielleicht einmal“, so Marko Ertl über die anfängliche Skepsis der Wiener gegenüber Essen aus dem Laster. „Die Leute haben geglaubt, wir verkaufen Wurstsemmeln. Viele konnten sich nicht vorstellen, dass aus einem Truck gescheites Essen kommt.“ Die Leidenschaft für gutes Essen gepaart mit dem Unwillen, selbst den Kochlöffel zu schwingen, veranlasste Ertl und Kroisz zur Gründung von Wrapstars. Um „Leuten, die keinen Bock haben, selbst zu kochen“, trotzdem die Option auf selbstgemachtes, aber schnelles Essen zu bieten.“ Köstlich und gesund soll es auch noch sein, sonst macht es Dauer ja nicht glücklich.

Orientiert haben sie sich an amerikanischen Food Trucks, etwa Kogi in Los Angeles. „Außerdem haben wir Betreiber sämtlicher Food Trucks in Europa durchtelefoniert und Tipps eingeholt.“ Mit dem Konzept der hochwertigen, g’sunden und g‘schmackigen Küche aus dem Truck konnten die Wiener gleich einmal die Kurier Gründerchallenge gewinnen.

Mit den drei Wraps auf der Karte fährt man seit drei Jahren schon sehr gut. Dazu kommt immer ein saisonal wechselnder Spezialwrap. Der Bestseller heißt Tasty by Nature und besteht aus einer vegetarischen Basis, Cheddar, Gouda, Avacadokräutersalsa und hausgemachter Barbecue-Sauce. Optional mit Jalapenos und Bio-Fleisch vom Waldviertler Biohof Schober. Wer schnell ist, kommt momentan in den Genuss eines Erdnuss-Limetten-Wraps, heuer folgt noch einer mit Ente.

Na, Lust bekommen? An den Wochentagen bedienen die Wrapstars an verschiedenen Standorten das Mittagsgeschäft. Auch super: Wrapstars goes international! Erstmals führt sie ein Auftrag außerhalb die österreichischen Grenzen, wo sie demnächst bei einer Hochzeit das Catering ausrichten.

Der Ritt auf der Erfolgswelle soll noch heuer mit einem eigenen Wrapstars-Lokal gekrönt werden. Präferiert in einem der Bezirke 1 bis 9. Nur, die passende Lokalität fehlt bis dato. Neben Wraps wird es da auch andere Speisen geben, denn „wir wollen uns kulinarisch weiterentwickeln“, so David Weber. Wie bei den saisonal wechselnden Spezialwraps wird Weber auch hier seiner Experimentierfreudigkeit kulinarisch Ausdruck verleihen. Wer schon einmal einen Wrap der heimischen Food Truck-Stars gekostet hat, darf sich also freuen. Und ganz ehrlich, Essen kann glücklich machen. Der erste Bissen des Tasty by Nature Wraps schmeckt wie Glück in gerollter Form. Und wenn Sie neben den wohl besten Wraps Wiens auch noch eine Mietküche samt coolem Konzept und stetig wachsender Community suchen, dann haben Sie diese mit den Burschen von Herd jetzt gefunden. Großartig! So geht Wien auch!

Was die Besucher diesen Montag, 31. Juli ab 9 Uhr in der Gemeinschaftsküche Herd – Open Kitchen Am Kempelenpark erwartet? Die Hausherren führen alle interessierten Besucher durch die Location und freuen sich, von Fragen durchlöchert zu werden. Einige der Gastronomiekonzepte, die jetzt schon bei Herd eingemietet sind, werden vor Ort sein und den Gästen eine Kostprobe ihrer kulinarischen Fähigkeiten geben. Man darf sich auf eine Do It Yourself Tacobar und hausgemachte Limonade von Wrapstars freuen, weiters auf Snacks und hausgemachte Rohscheiben von I Eat Vienna. Snacks bietet auch das soziale Catering Topfreisen, Ni’s Bars sind mit gesunden, handgemachten Riegeln vor Ort. Und last but not least: saisonales Gemüse gibt’s aus den Biokistln von Herzlichst, ANNA‘s – Gutes Essen hat immer Saison.

 

Herd – Open Kitchen
Gudrunstraße 11, 1100 Wien

www.herd.co.at

 

Fotocredits: Herd – Open Kitchen