Wertschätzung gefragt!

Michaela Reisel
(c) iStock

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Von Peter Dobcak

In regelmäßigen Abständen fordern Gewerkschaft und einzelne Damen und Herren Politiker, jene besonders vor anstehenden Wahlen, eine weitere Erhöhung der Lehrlingsentschädigung. Natürlich immer gleich ab dem ersten Lehrjahr. Diese Forderung wird wie ein Mantra seit Jahren wiederholt. Und seit Jahren wird die Entschädigung überproportional zu den Löhnen nach dem Motto: „Den jungen Menschen müssen wir schon etwas zukommen lassen, denn sonst haben wir bald gar keine Lehrlinge mehr.“ auch angehoben.

Nun fordert der Jugendsprecher der Grünen einen Mindestlohn für Lehrlinge von € 700,— ab dem 1. Lehrjahr. Genau genommen ist diese Bezahlung kein Lohn, sondern eine Entschädigung für die Arbeitsleistung, die der Lehrling im Rahmen seiner erworbenen Kenntnisse einbringt. Die € 700,— für das 1. Lehrjahr sind in der Gastronomie seit heuer übrigens Realität.

Selbstverständlich ist es Aufgabe der Gewerkschaft, sich für die Interessen ihrer Mitglieder einzusetzen, so wie ich mich als Unternehmervertreter für meine Mitglieder einsetze. Doch irgendwann lief die Sache aus dem Ruder. Bleiben wir realistisch: die Entschädigung steht jetzt schon in keinem Verhältnis zur Qualifikation des Lehrlings, besonders im ersten Lehrjahr. Wenn der Lehrling allerdings im dritten Lehrjahr noch immer nichts kann, ist die Verantwortung beim Lehrbetrieb zu suchen. So fair muss man sein. Leider gibt es immer noch Betriebe, die Lehrlinge als billige Arbeitskräfte sehen und sich ihrer Verantwortung bei der Ausbildung zu wenig bewusst sind.

Die überwiegende Anzahl an Betrieben jedoch will, im eigenen und im Interesse der Branche, hoch qualifizierte Nachwuchskräfte ausbilden. Hier erwarte ich mir wesentlich mehr Unterstützung durch die Gewerkschaft und den Gesetzgeber! Es geht nicht an, dass die jungen Menschen, quasi von klein auf, ausschließlich darauf trainiert werden alle möglichen Rechte einzufordern. Es ist hoch an der Zeit sie auch an ihre Pflichten zu erinnern, denn vergessen wir eines nicht: „Lehrjahre sind keine Herrenjahre.“ Besonders seitens des Gesetzgebers wurden wir Unternehmer zu zahnlosen Ausführenden degradiert, weil faktisch jede noch so harmlose erzieherische Maßnahme kriminalisiert wird.

Das Schlechtmachen einzelner Branchen, vorwiegend der Gastronomie, durch die Gewerkschaft, trägt ebenfalls ihren Teil dazu bei und rächt sich durch eklatanten Arbeitskräftemangel. Anstatt gemeinsam das Gespräch mit jenen Betrieben zu suchen, die unbelehrbar scheinen, wird eine ganze Branche angeklagt. Langfristig wird kein Betrieb wirtschaftlich erfolgreich sein, der nicht wertschätzend mit seinen MitarbeiterInnen umgeht. So sehr ich mich für meine Mitglieder gewöhnlich einsetze, ein schwarzes Schaf bekommt auf Dauer keine Unterstützung. Ich verlange allerdings in gleichem Maße Wertschätzung und Respekt für die täglichen Anstrengungen der Betriebe, die die Wirtschaft in Österreich am Laufen halten. Und zwar Wertschätzung durch die Tat und nicht bloß durch schöne Worte, wenn ein Mikrofon in der Nähe ist. Auch hier gibt es noch sehr viel Luft nach oben.

Zurück zur Lehrlingsentschädigung stelle ich die vielleicht für manche provokante Frage, warum wir einer Person, die kommt um von unserem Wissen zu profitieren, die nichts kann, der wir immer öfter erst soziales Verhalten beibringen müssen, überhaupt etwas zahlen sollen? Ich gebe zu, es ist schon lange her, doch der Grundgedanke der richtigen Wertschätzung einer Lehre war, dass der Lehrling bzw. dessen Eltern dem Lehrherrn eine Entschädigung zahlen mussten, damit er dem Lehrling durch eine qualitativ hohe Ausbildung die Zukunft sichert.

Spinnen wir den Gedanken weiter. Faktisch die gesamte schulische Ausbildung in Österreich wird von der öffentlichen Hand getragen. Warum wird die betriebliche Ausbildung nicht ebenfalls von der öffentlichen Hand bezahlt oder zumindest unterstützt? Die kurze Zeit in der Berufsschule steht in keinem Verhältnis zu 5 Tagen in der Regelschule. Die Schulpflicht endet bekanntlich mit der 9. Schulstufe. Alles Weitere ist „freiwillig“ und wäre eigentlich zu bezahlen. Wird es auch, von der Allgemeinheit. Mein Schluss, auch die Lehrlingsausbildung sollte im Sinne der Gleichbehandlung von der Allgemeinheit bezahlt werden.

Ich bin mir sicher, es gibt viele sinnvolle Zugänge zu diesem Thema. Es muss nicht immer nur der eine sein, nämlich die Unternehmer haben zu zahlen und andere sagen, was wir zu tun haben. Dieser Zugang hat uns genau in die Sackgasse geführt, in der Österreich jetzt steckt.

Euer

Peter Dobcak