Vegane Ostern

Ina Dieringer

Ostern ist ein Fest des Aufatmens. Die Luft wird milder, das Licht sanfter, irgendwo blüht der erste Flieder. In den Küchen wird nicht mehr für Vorratsregale gekocht, sondern für das Hier und Jetzt. Für den Frühling, für Gemeinschaft, für das Gefühl, dass alles neu beginnen darf. In dieser Stimmung beginnt auch die pflanzliche Küche aufzublühen – leise, unaufgeregt, mit viel Geschmack. Nicht als Ersatz, sondern als Möglichkeit. Zwischen Karottenkuchen und Kräuteraufstrich, zwischen Blätterteig und Bärlauchdip entsteht ein Ostertisch, der leicht wirkt, aber in Erinnerung bleibt.

Ostern als kulinarischer Übergang

Traditionell markiert Ostern das Ende der Fastenzeit. Nach Wochen des Verzichts kam alles zurück auf den Tisch: Schinken, Ei, Butter, Süßes. Ein symbolischer Neubeginn, oft in Form von Überfluss. Heute verändert sich das Bild. In vielen Haushalten wird Ostern nicht mehr über Fülle definiert, sondern über das, was dahinter steht: Achtsamkeit, Freude am Saisonalem, Liebe zur Zubereitung. Statt sich auf die großen Braten zu konzentrieren, rückt das Detail in den Fokus – das Kräuteröl, das lauwarme Brot, das erste Gemüse vom Markt.

Pflanzlich feiern, ohne Etikett

Pflanzliche Ostern folgen keiner starren Ideologie. Mal ist das ganze Menü vegan, mal nur ein Teil davon. Oft entstehen Mischformen: klassischer Striezel neben einem Glas Linsenaufstrich, ein Stück Räuchertofu neben Radieschen, selbstgemachter Karottenlachs, der in Geschmack und Farbe überrascht. In der pflanzlichen Küche geht es nicht darum, das Altvertraute zu verdrängen. Sondern darum, neue Zugänge zu schaffen. Ein Osterfest kann so vielfältig sein wie der Frühling selbst – mal bodenständig, mal verspielt, mal inspiriert vom Markt, mal von der Kindheitserinnerung.

Die pflanzliche Jause: neu gedacht, nicht neu erfunden

Aufstriche aus Cashew, Kichererbse oder Sonnenblumenkernen. Geräuchertes Tofu-Carpaccio mit frischem Kren. Pasteten aus Linsen, Walnüssen oder Gemüse. Dazu frische Kräuter, eingelegte Gurken, Sprossen, Oliven und ein lauwarmer Hefezopf mit Mandeln.

Ein Ostertisch dieser Art braucht kein Zentrum – vielmehr lebt er vom Miteinander. Alles darf geteilt, kombiniert, ausprobiert werden. Es entsteht eine Atmosphäre, die weniger um das „Was fehlt?“ kreist, sondern vielmehr fragt: „Was ist neu dazugekommen?“

Bärlauch, Spargel, Spinat: der Frühling isst mit

Mit Ostern beginnt auch die erste große Kräuterzeit. Auf den Märkten türmt sich frischer Spinat, die ersten Bundkarotten zeigen sich, und überall duftet es nach Bärlauch. Wer in Wien auf dem Stadtwanderweg 4a unterwegs ist, erlebt die Wälder rund um Mauer oder Liesing wie in grünem Nebel. Der Bärlauch wächst dort in dichten Teppichen – wild, würzig, voller Aroma. Bärlauch gehört zu den Lieblingszutaten der veganen Frühlingsküche. Er lässt sich roh verwenden oder kurz blanchieren, passt in Strudel, Risotto, Gnocchi, Pestos und Buttermischungen. Die Blätter schmecken nach Naturerwachen – und machen auf dem Osterbuffet mehr her als jeder Aufschnitt.

Süßes, das leichter ist, aber nicht weniger feierlich

Karottenkuchen mit Zuckerglasur, Hefezopf mit Zimt, Osterlamm aus Teig mit Puderzucker. All das funktioniert pflanzlich – mit Apfelmus statt Ei, Pflanzenmilch statt Kuhmilch, hochwertigem Öl statt Butter. Auch Tartes mit Zitrone und Beeren, Nusskekse mit Marmelade oder vegane Mohnpinzen haben längst ihren Platz gefunden. Sie sind nicht das „vegane Pendant“, sondern einfach andere Formen des Bekannten. Oft mit etwas mehr Leichtigkeit, manchmal mit weniger Süße, aber immer mit festlichem Charakter.

Vegan auswärts genießen

Auch abseits der eigenen Küche lassen sich vegane Ostern genussvoll feiern. Viele Restaurants und Bäckereien setzen inzwischen auf pflanzliche Festtagsmenüs, Brunchboxen und saisonale Spezialitäten – von kreativen Aufstrichen bis zu süßen Klassikern ohne Ei und Butter. In Wien bietet etwa das TIAN ein eigens kuratiertes Ostersortiment an – darunter eine Osterbox mit Stosuppe, Tatar und kleinen Extras, pflanzlicher Eierlikör und ein Schoko-Osterhase, der fast zu schön zum Vernaschen ist. Wer sich lieber verwöhnen lässt oder noch Inspiration für den eigenen Ostertisch sucht, findet in der Stadt eine wachsende Auswahl an veganen Ideen – ganz ohne Kompromiss beim Geschmack.

Schenken ohne Klischee – Ostern neu verpackt

Geschenke gehören zu Ostern wie der Striezel zum Frühstück. Doch auch hier verändert sich vieles. Statt Massenware und quietschbunter Plastikverpackung rücken persönliche, bewusste Kleinigkeiten in den Vordergrund. Vegane Ostergeschenke setzen auf Inhalt statt Hülle – sie sind oft selbstgemacht, mitgedacht oder einfach liebevoll ausgewählt. Nicht als Alternative, sondern als echte Geste. Ein kleines Glas Granola, ein Schoko-Hase ohne Milch, ein Blumentopf mit Kresse – es sind diese einfachen Dinge, die das Osterfest still und schön machen.

Ein Fest, das atmen darf

Veganes Ostern ist kein Trend. Es ist auch keine Absage an Tradition. Eher eine Erweiterung. Eine neue Möglichkeit, dem Frühling zu begegnen – mit Genuss, aber ohne Schwere. Mit Respekt vor dem Gewachsenen. Und mit Lust an Veränderung. Ob ganz ohne Tierprodukte gefeiert wird, teilweise, oder ganz klassisch – alles darf Platz haben. Vielleicht liegt die eigentliche Schönheit dieses Festes genau darin: dass es sich verändern darf. So wie der Frühling selbst – jedes Jahr gleich, und doch nie derselbe.