Im Interview mit Gastro News erzählt der Star-Gastronom Toni Mörwald über Scheinheiliges der Branche, das Problem der mittelständischen Gastronomie und spricht Klartext über die Bedeutung von importierter Ware für den Gast.
Der Spitzengastronom, Unternehmer und Hotelier Toni Mörwald gehört zu den Big-Playern der Branche. Ein Erfolg, den er sich hart erarbeitet hat. Gastro News hat den Experten in Sachen Genuss zum Interview im Mörwald Kochamt in Wien getroffen.
Gastro News: Vermissen Sie manchmal die entspannte Zeit ihrer beruflichen Anfangstage?
Mörwald: Langweilig war uns glücklicherweise nie. Auch damals nicht. Aber es stimmt, die Terminsituation heute ist mit der von damals nicht vergleichbar. Alles ist mehr geworden, die Menschen und deren Ansprüche haben sich auch verändert. Früher haben sich die Gäste oder Kunden noch über Einfacheres gefreut und waren insgesamt entspannter. Warum? Weil sich die Geschwindigkeit und das Angebot der Kommunikation in den letzten Jahren stark beschleunigt haben. Das sehe ich auch an mir selbst.
Gastro News: Wie genau macht sich das bemerkbar?
Mörwald: Die Menge an Informationen, die ich heute im Laufe eines Tages aufnehme und verarbeite, entspricht einem Vielfachen zu der aus der Zeit als ich in der Branche angefangen habe. Und auch die Anzahl an Handgriffen hat sich stark vermehrt. Damit kommen aber nicht alle zurecht, weil es einem schnell zu viel werden kann. Das ist nur menschlich, in der Branche aber ein Problem. Die Menschen müssen sich wieder mehr Zeit nehmen, um gut zu essen, entspannter werden und zur Ruhe kommen. Der aktuelle Lockdown zwingt uns gewissermaßen zu diesen Schritten.
Gastro News: Der Begriff Regionalität hat zuletzt stark an Bedeutung gewonnen, steht aber in der gehobenen Gastronomie in Kontrast zum Angebot bestmöglicher Qualität. Was bedeutet der Begriff Regionalität für Sie?
Mörwald: Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen. Die Begriffe Regionalität und Saisonalität hatten für uns keine Bedeutung, weil sie das Normalste auf der Welt waren. Nichts Außergewöhnliches. Nichts womit man sich brüstet. Und das hat sich bis heute nicht verändert.
Gastro News: Viele Betriebe sehen das anders und machen Werbung mit dem Angebot regionaler Produkte und Gerichte.
Mörwald: Ich denke, dass die Ausdrücke Regionalität und Saisonalität in der Branche oft missbraucht werden, als Deckmantel eines eher scheinheiligen Marketings. Dabei sollte der Umgang mit Produkten aus der Umgebung zur Normalität gehören. Das gilt aber nicht nur für das Essen und Trinken. Dazu gehören sämtliche in der Region produzierten Waren.
Gastro News: Wie stehen Sie zum Import von Fleisch aus beispielsweise Amerika oder China, um den Gästen die bestmögliche Qualität auf den Teller zu bringen?
Mörwald: Ich halte es für wichtig den Wünschen der Gäste nachzukommen. Das ist die Essenz unserer Arbeit. Und wenn die beste Qualität nicht in Österreich hergestellt wird, ein Umstand der nicht zu ändern ist, halte ich es für absolut in Ordnung, diese auch aus der Ferne zu beziehen. Gerade im hochpreisigen Segment. Wir haben schon in den 70er Jahren Spezialitäten aus der ganzen Welt nach Österreich und Wien importiert. Warum sollten wir heute damit brechen. Ich sehe daran nichts Schlechtes.
Gastro News: Ist die Gastronomie in Wien zu billig?
Mörwald: Die gehobene Gastronomie hat es verstanden, die Preise wirtschaftlich zu gestalten. Probleme sehe ich aber im Bereich der klassischen Gastronomie, also im mittleren Bereich. Da besteht ein enormer Konkurrenzkampf und ein gewisser Nachholbedarf bei der Kalkulation. Es ist wichtig, die Preise in diesem Segment anzupassen, um langfristig überlebensfähig zu bleiben. Das muss von Einigen allerdings erst verstanden werden.
Gastro News: Um schwarze Zahlen zu schreiben, braucht es zahlende Gäste, die in erster Linie einmal wissen müssen, dass es einen überhaupt gibt. Wie wichtig ist es heute, als Gastronom ein funktionierendes Marketing zu haben?
Mörwald: Die Begriffe Marketing und Sales gehören zusammen. Zwei Ebenen, die sich bedingen. Man muss sein Angebot präsentieren und in Szene setzen. Das gelingt nur mit einem guten Marketing, vor allem wenn man eine gewisse Größe erreicht. Das wird sich auch nicht mehr ändern. Die Zeit der mündlichen Empfehlung ist vorbei, heute informiert man sich online, liest Bewertungen und schaut sich das Menü und die Website des Restaurants an, bevor man sich dafür entscheidet, es zu besuchen. Wer das nicht versteht oder bewusst nicht mitspielt, wird es auf lange Sicht nicht einfach haben.
Gastro News: Gibt es ein Gericht, das Sie jeden Tag essen könnten?
Mörwald: Grundsätzlich halte ich eine ausgewogene Ernährung für sehr wichtig. Was ich aber besonders gern esse, ist ein Naturschnitzel mit Reis und einem grünen Salat. Das hört sich erstmal einfach an, hat bei der Zubereitung aber auch seine Tücken. Da kann mehr schiefgehen als man glaubt.
Gastro News: Danke für das Gespräch.
MÖRWALD Kochamt