Im Interview mit Gastro.News spricht Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler über innovative Konzepte zur Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit, Herausforderungen der Energiekrise, die Rolle der Frauen in der Branche und verrät, welches Restaurant sie ganz privat gerne besucht.
Gastro.News: Der Begriff Frauenpower ist in der Gastronomie zurzeit so präsent wie kaum zuvor. Das beweisen unter anderem Branchenvertreterinnen wie Parvin Razavi (Newcomerin des Jahres Gault&Millau 2023 / &flora), Bettina Eder (Betreiberin Boutique Café Annabelle) oder Sarah Hein (Restaurantleitung Schlicht Vegan). Eine Tendenz, die sich auch in der Hotellerie verorten lässt?
Kraus-Winkler: Hinter sehr vielen Hoteliers stehen im Tagesgeschäft ihre Frauen. Zahlen und Statistiken gibt es dazu aber nicht. Was ich aber wahrnehme ist, dass gerade in den letzten 15 Jahren immer mehr Frauen in den Betrieben in Führungspositionen arbeiten.
Gastro.News: Fallen Ihnen dazu spontan ein paar Beispiele ein?
Kraus-Winkler: Unmengen. Da gibt es unter anderem Michaela Reitterer, Petra Nocker-Schwarzenbacher oder Sonja Wimmer. Und auch die Grand Dame Elisabeth Gürtler wird in ganz Österreich erkannt und geschätzt. Mir fallen extrem viele Frauen ein, die im touristischen Bereich sehr tüchtig sind und ihren männlichen Kollegen in nichts nachstehen.
Gastro.News: Ist der Tourismus eine Branche der Gleichstellung?
Kraus-Winkler: Wenn man im Tourismus als Frau eine bestimmte Verantwortung und damit Position bekommen hat, wurde man von den sogenannten „vis-à-vis“ schon immer gleich zu hundert Prozent anerkannt. Das war glaub ich in anderen Branchen früher nicht der Fall. So habe ich es zumindest als junge Frau wahrgenommen.
Gastro.News: Gibt es Bereiche bei denen in punkto Gleichstellung noch Nachholbedarf besteht?
Kraus-Winkler: Selbstverständlich gibt es auch im Tourismus diesbezüglich noch Nachholbedarf und trotz einer hohen Frauenquote von 55% aller Tourismusbeschäftigten, sind die Managementebenen noch immer sehr männerdominiert. Doch auch hier macht sich ein Wandel bemerkbar: Frauen trauen sich mehr zu und nehmen immer häufiger Platz am Entscheidungstisch. Männer wiederum haben gelernt, wie sie mit uns umgehen müssen. Das habe ich auch persönlich erlebt.
Der Beruf muss in erster Linie zu einem passen. Ich kann ja auch keinen unsportlichen Menschen als Skilehrer verpflichten.
Susanne Kraus-Winkler
Gastro.News: Wie ist es Ihnen gelungen sich durchzusetzen?
Kraus-Winkler: Von meinem Vater habe ich die Einstellung mitbekommen, dass man sich als Frau grundsätzlich nicht den Kopf zerbrechen sollte, ob man weniger kann. Das hat mich stets gestärkt. Ich halte es für ganz wichtig für uns Frauen die Dinge einfach anzugehen und zu machen.
Gastro.News: Genau wie die männlichen Kollegen.
Kraus-Winkler: Ein bisschen anders ist es schon. Frauen haben leider nach wie vor die die Hauptverantwortung, wenn es darum geht Kinder, Familie und Arbeit unter einen Hut zu bringen. Bis spät nachts Vereinbarungen bei einem Glas Wein ausdiskutieren, fällt da manchmal etwas schwerer.
Gastro.News: Stichwort Kinder. Was braucht es, um die Hotellerie und Gastronomie in Zukunft auch für junge Frauen als Branche attraktiv zu gestalten, die auch mit der Familienplanung arrangierbar ist?
Kraus-Winkler: Das Thema Kinderbetreuung spielt eine ungemein wichtige Rolle. Dazu zählt auch die Anpassung der Betreuung an die Dienstzeiten, beziehungsweise an die Anfordernisse im touristischen Bereich. Aber es gibt eben einen Punkt, eine Tageszeit, wo es für das Wohl des Kindes besser ist Zuhause zu sein, um gemeinsam mit den Geschwistern in einem geregelten Rhythmus schlafen zu gehen. Das kann man nicht gut auslagern. Für Menschen die abends oder in der Nacht arbeiten, ist die Kinderbetreuung nach wie vor eine Herausforderung, an deren Bewältigung wir laufend arbeiten müssen.
Gastro.News: Gibt es diesbezüglich Unterschiede im ländlichen und städtischen Bereich?
Kraus-Winkler: Am Land ist es noch viel schwieriger, weil die Kinderbetreuungsangebote nicht so vielfältig wie im urbanen Bereich sind.
Gastro.News: Ein aktuelles Leuchtturmprojekt zur Förderung des Kinderbetreuungsangebots in ganz Österreich steht aktuell mit der ÖHT (Österreichische Hotel- und Tourismusbank) als Abwicklungsstelle in den Startlöchern. Dabei sollen kreative Vorschläge, Lösungen und Konzepte mit bis zu 200.000 Euro gefördert werden. Können Sie uns die Eckpunkte des Projekts ein wenig genauer ausführen?
Kraus-Winkler: Wir fördern gute Ideen und Konzepte aus allen Regionen Österreichs. Egal ob Ballungszentrum oder Dorfgemeinde. Der Fördercall hat am Montag den 21. November begonnen und läuft bis 1. März 2023. Bis dahin können Konzepte eingereicht werden, die den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Kinderbetreuung vereinfachen. Das betrifft sowohl Kleinkinder, als auch das Angebot für Kinder im schulpflichtigen Alter. Die besten Ideen werden dann mit bis zu 200.000 Euro gefördert, wobei das gesamte Förderbudget 2 Millionen Euro beträgt.
Gastro.News: Wer entscheidet nach der Einreichungsphase über die Sieger der Initiative?
Kraus-Winkler: Im Mai wird sich eine Experten-Jury beraten und auswählen, welche Projekte gefördert werden. Dann kann auch schon die Umsetzung beginnen.
Gastro.News: Wird es eine öffentliche Präsentation der Sieger-Projekte geben?
Kraus-Winkler: Natürlich. Wir wollen gute Beispiele vor den Vorhang holen und andere damit motivieren die schon an ähnlichen arbeiten, diese auch umzusetzen.
Gastro.News: Alles für die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Ansprüche sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten stark verändert haben. Wie reagieren die touristischen Betriebe auf diese Veränderungen?
Kraus-Winkler: Wir haben erkannt, dass es heute ungemein wichtig ist, nicht nur die richtige Fachkraft für die richtige Position zu finden, sondern auch deren Lebenssituation zu berücksichtigen. Der Tourismus dient oft als Einstiegsbranche für junge Leute, Menschen die noch nicht gearbeitet haben und erste Erfahrungen sammeln möchten. Aber auch für motivierte Pensionisten ist der Tourismus eine geeignete Branche. Die Möglichkeiten um die Branche attraktiver zu machen und die Suche nach Personal zu vereinfachen sind vielfältig und reichen von der steuerlichen Begünstigung von Überstunden für 20 Stunden, anstelle von nur 10 Stunden bis hin zu besseren Mitarbeiterquartieren. Hier braucht es aber noch etwas mehr Verständnis im Bereich aller Regierungspartner. Der Beruf muss aber in erster Linie zu einem passen. Ich kann ja auch keinen unsportlichen Menschen als Skilehrer verpflichten.
Gastro.News: Wird heute auf das Wohl der Mitarbeiter genauso viel Wert gelegt wie auf das der Gäste?
Kraus-Winkler: Es gleicht sich an. In Zukunft wird man sich weiter neben der Infrastruktur für die Besucher, insbesondere um die Infrastruktur rund um das Wohl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern müssen. Das ist aber kein neues Thema, sondern beschäftigt die Branche schon seit etlichen Jahren.
Gastro.News: Neben dem Fachkräftemangel und der Mitarbeiterzufriedenheit ist Energie ein Thema, das auch auf touristischer Ebene gerade heiß diskutiert wird. Verständlich?
Kraus-Winkler: Ja natürlich. Es ist das große Thema, das alle Haushalte und alle Unternehmen betrifft. Trotzdem ist anzumerken, dass die Tourismusbranche mit Hotellerie Gastronomie und Seilbahnwirtschaft, inklusive Pistenbeschneiung, jährlich betrachtet, lediglich für 1,6 Prozent des gesamten österreichischen Energieverbrauchs verantwortlich ist.
Gastro.News: Trotzdem kann auch in den Hotels und Restaurants am Strom gespart werden.
Kraus-Winkler: Natürlich. Aber wir verkaufen auch Ambiente. Und da gehört die Außenbeleuchtung genauso dazu, wie die schön dekorierte Hotellobby. Darüber nachzudenken, wie wir in der Branche Energie sparen können ist außerdem alles andere als neu für uns. Vor zehn Jahren wurden bereits LED-Lampen eingesetzt wo es möglich war. Dann haben wir Bewegungsmelder installiert um leere Gänge nicht unnötig zu beleuchten. Auch die Überlegung ob Minibars dauerhaft am Stromnetzt hängen müssen, gab es bereits. Ein wichtiger Schlüssel zur zukünftigen Verbesserung der Energieeffizienz sind natürlich neue Technologien und Digitalisierung.
Von meinem Vater habe ich die Einstellung mitbekommen, dass man sich als Frau grundsätzlich nicht den Kopf zerbrechen sollte, ob man weniger kann.
Susanne Kraus-Winkler
Gastro.News: Hat sich der Verbrauch in den letzten Jahren verbessert?
Kraus-Winkler: Gewaltig sogar. Der Energieverbrauch pro Nächtigung hat sich in den letzten Jahren im Schnitt von 51,1 Kilowattstunden im Jahr 2008, auf 27,6 Kilowattstunden im Jahr 2019 reduziert. Das betrifft die Beherbergung genau wie die Gastronomie.
Gastro.News: Und trotzdem wird die Debatte über den Verbrauch im Tourismus so hitzig geführt, wie in kaum einer anderen Branche.
Kraus-Winkler: Stimmt. Den populistischen schlagzeilenorientierten Ansatz halte ich aber für den falschen Weg. Das schafft Aufmerksamkeit, aber keine Lösungen. Wie wir alle wissen, geht es jetzt darum in Selbstverantwortung jede Möglichkeit wahrzunehmen um Energie zu sparen.
Gastro.News: Ist eine Energieunabhängigkeit in Zukunft für die Branche vorstellbar?
Kraus-Winkler: Das Thema wird immer wichtiger. Wir haben einen relativ hohen Anteil an Thermen- und Wellness-Hotels, für die eine autarke Lösung stark an Bedeutung gewinnt. Einige davon sind schon sehr weit, andere wiederum müssen gewisse Investitionen noch angehen und umsetzen.
Gastro.News: Gelingt der Weg zur Energieunabhängigkeit oder zum effizienteren Energieverbrauch auch bei bereits bestehenden, vielleicht sogar sehr alten Gebäuden, oder braucht es dafür einen Neubau?
Kraus-Winkler: Das geht auch in alten Häusern, aber möglicherweise nicht bei allen. Mir fallen spontan einige Betriebe in Kärnten ein, die nur im Sommer für die Gäste geöffnet sind, weil es sich um Gebäude handelt, die im Winter gar nicht beheizt werden können. Dann ist es eben besser, wie bisher, im Winter geschlossen zu bleiben. Da spricht ja auch nichts dagegen.
Gastro.News: Wie sieht denn die aktuelle Buchungslage für den kommenden Winter in Österreich aus?
Kraus-Winkler: Die Winterpotentialanalyse der Österreich Werbung die im September gemacht wurde zeigt, dass die Reiselust auf einen Winterurlaub in unserem Land sehr hoch ist und Österreich diesbezüglich zu den Top 3 Destinationen in Europa zählt. Bestimmte Termine wie Weihnachten und Silvester oder die Energieferien sind schon sehr gut im Voraus gebucht. Dennoch sind sich alle einig, dass die Kurzfristigkeit der Buchungen weiter bestehen bleibt. Das Buchungsverhalten hat sich durch die Corona-Krise geändert und wird sich voraussichtlich auch nicht mehr ändern.
Gastro.News: Welche Segmente sind besser, welche schlechter gebucht?
Kraus-Winkler: Sehr gut gebucht sind 4-Stern-Betriebe und aufwärts, sowie die Budgethotel-Anbieter und Ferienwohnungen. Es ist die Mitte, die sich derzeit ein bisschen schwerer tut.
Gastro.News: Das Buchungsverhalten hat sich aufgrund der Pandemie verändert. Welche Rolle spielt Corona noch für den Tourismus und wie empfehlen Sie, soll mit dem Thema umgegangen werden?
Kraus-Winkler: Wir erleben gerade eine Welle die wieder abflacht. Trotzdem gibt es natürlich den Varianten-Managementplan der Regierung. Ich halte einen unaufgeregten Umgang für sinnvoll. Wir haben heute viel mehr geimpfte Personen und die Medizin weiß viel besser wie mit Coviderkrankungen umzugehen ist. Außerdem haben einige bereits eine Infektion durchgemacht. Über die Existenz von einigen neuen Varianten erfährt man teils nur noch über die Abwasseranalyse. Wir müssen eben lernen, damit zu leben.
Gastro.News: Noch eine private Frage zum Schluss. Den Besuch von welchem Restaurant empfehlen Sie unseren Leserinnen und Lesern aus persönlicher Erfahrung?
Kraus-Winkler: Wie die Kinder noch kleiner waren hatte ich im Waldviertel einen Bauernhof im Demutsgraben. Dort gibt es mit dem Wirtshaus im Demutsgraben ein ganz tolles Restaurant, das ich nur empfehlen kann. In Wirklichkeit gibt es aber so viele tolle Wirtshäuser und Restaurants in Österreich von denen jedes einzelne einen Besuch wert ist.
Gastro.News: Vielen Dank für das Gespräch!
Website: Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft