Peter Dobcak im Interview: „Die Gastronomie hat die Krise noch nicht überwunden!“

Lisi Brandlmaier

Vienna, Austria - May 22, 2016: Outdoor terrace of Palm House cafe with people in Burggarten Gardens in downtown Vienna, Austria

Seit 2015 ist Peter Dobcak Fachgruppenobmann der Gastronomie der Wirtschaftskammer Wien. Der Sohn einer Salzburger Hoteliersfamilie ist sozusagen in Tourismus bzw. Gastronomie hineingewachsen und hat das Geschäft auch von der Pike auf gelernt. Mittlerweile hat er den eigenen Job als Wirt an den Nagel gehängt, um sich für die vielen anderen – seine Kollegen – stark zu machen. Und das nicht ohne Grund. Die österreichische Gastronomiebranche ist derzeit von verschiedenen Faktoren betroffen, die zu einer Krise geführt haben. Nicht nur die Pandemie hat der Gastronomie und dem Tourismus stark zugesetzt. Auch der derzeit herrschende Fachkräftemangel macht vielen zu schaffen.

Im Interview spricht Peter Dobcak über genau diese Punkte und gibt einen Ausblick, auf die Zukunft der Gastronomie.

Herr Dobcak, sagen Sie mal…

Wie ist denn die aktuelle Lage in der Gastronomie? Haben wir die u.a. durch Corona verursachte Krise überstanden bzw. sind wir auf dem Weg der Besserung?
Es mag vielleicht der Anschein sein, dass wir uns erholt haben aber die Herausforderungen sind im Wesentlichen gleich geblieben. Der eklatanten Fachkräftemangel und die enorm gestiegenen Energiepreise sind nicht schön zu reden. Natürlich haben sich die Energiepreise etwas eingependelt, ebenso wie der Wareneinsatz, doch wenn am Ende, obwohl die Preise im Restaurant angestiegen sind, nichts übrig bleibt und somit die Kosten nicht gedeckt werden können, dann ist nichts okay. Die Lokale sind voll. Es wird alles gut. Aber das ist eben nur so, wenn man die Lage von außen betrachtet.

Stichwort Fachkräftemangel: Warum ist die Lage derzeit so schlimm?
Das ist eine Melange aus drei Punkten, die ich Ihnen gerne erläutere. Erstens: Viele gehen am Wochenende gerne weg und niemand will mehr am Wochenende arbeiten. Das versuchen wir abzufangen, indem wir die Löhne steigern. Und das muss man an dieser Stelle schon festhalten – in den letzten beiden Jahren sind die Kollektivverträge um 17 % gestiegen. Zweitens sind die Menschen draufgekommen, dass, wenn sie ihre Bedürfnisse etwas einschränken, es zuhause auch schön ist. Daher reicht es ihnen, wenn sie nur mehr 20 oder 30 Stunden pro Woche arbeiten. Das finde ich ja auch legitim. Das Problem ist aber, wenn eine Servicekraft oder ein Koch bzw. eine Köchin nur mehr 30 Stunden arbeiten möchte, kann ich als Gastronom den Laden ja dann nicht schließen. Also brauche ich mehr Personal, sprich mindestens eine zweite Arbeitskraft. Und das ist natürlich wieder mit höheren Lohnkosten etc. verbunden. Das dritte Problem, das leider oftmals verneint wird, dennoch aber existiert, ist die Tatsache, dass mit Unterstützungen viel zu freizügig umgegangen wird. Das leugnet zwar die Gewerkschaft, aber dass teilweise nach der Probezeit ein langer Krankenstand oder eine Schwangerschaft angekündigt wird, ist keine Seltenheit. Und ein arbeitender Mensch fühlt sich logischerweise unfair behandelt.

Denken Sie, dass es auch eine Generationenfrage ist?
Ich habe vollstes Verständnis für die jüngere Generation, die dieses „ich lebe im Hier und Jetzt“ deutlich mehr zelebrieren. Stichwort „neues Biedermeier“. Und ich verstehe sie vollkommen, wenn sie nicht bereit sind, 100 Stunden zu arbeiten, wenn sie sich am Ende des Tages sowieso niemals ein Eigentum leisten werden. Also warum so viel arbeiten.

Wir befinden uns mitten in einem Paradigmenwechsel und langsam erkennt auch der konservativste Wirt, dass man mit einem autoritären Stil nicht weit kommt und man mit seinen Mitarbeitern anders umgehen muss.

Das bedeutet, dass der Personalmangel u.a. auch auf den Umgang mit den Mitarbeitern zurückzuführen ist?
Ich denke, es ist eine Mischung aus aus Bezahlung und Wertschätzung. Man muss als Arbeitgeber lernen auf die Mitarbeiter einzugehen und sie zu motivieren. Das bedeutet auch, dass man ihnen mehr frei gibt und zwar auch mal an den Wochenenden. Wir wissen alle, dass an den Wochenende viel Umsatz gemacht wird. Aber dann muss der Arbeitgeber eben ein interessantes Paket für seine Mitarbeiter schnüren.

Und erkennt der Wirt das?
Die größte Erkenntnis für die Branche ist, dass die Angst der Gast wird das ganze nicht mehr bezahlen, überwunden werden musste.
Ich bin seit 2015 Fachgruppenobmann und habe von Anfang an gesagt, dass wir um 25 bis 30 % teurer werden müssen, weil die Gastronomie immer schon viel zu knapp kalkulierte. Dann kam die Pandemie und es blieb ihnen nichts anderes übrig. Hätten wir die Preise langsam Jahr für Jahr gesteigert, wäre das alles nicht so schlimm gewesen für den Konsumenten und auch den Wirten.

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Das bedeutet aber, dass am Ende der Gast die Kosten „ausbaden“ muss?
Ja, wenn der Staat so unflexibel ist. Der Kreislauf ist einfach. Reagiert der Staat nicht, fällt das auf den Gast. Zahlt der nicht, muss der Wirt Kosten einsparen. Das Problem ist aber auch – wenn der Gast mehr bezahlt, erwartet er auch eine höhere Qualität, einen höheren Wareneinsatz und gleichzeitig ein besser geschultes Personal. Und so beißt sich die Katze in den Schwanz.

Ich sage, über allem steht die Wertschätzung – und zwar auf beiden Seiten. Und dass die Ungeduld der Gäste und das Miteinander seit der Pandemie schlechter geworden ist, ist kein Geheimnis. Anfangs haben wir noch applaudiert. Und jetzt? Die Gäste wissen, dass wir derzeit mit einem eklatanten Personalmangel zu kämpfen haben und dennoch beschweren sie sich. Für mich steht fest: Der Gast kauft die Leistung und nicht den Menschen. Du kannst auf einen unguten Gast eingehen. Aber wenn er richtig ungut wird, schmeißt du ihn raus.

Empathie und Disziplin lassen manchmal zu wünschen übrig. Stichwort No-Show-Problematik: Was ist Ihre Meinung dazu?
Grundsätzlich appelliere ich bei der Reservierung eine Kreditkartennummer zu erfragen. Bei unentschuldigtem Fernbleiben werden automatisch z.B. €80,– abgebucht. Es gibt viel zu viele Personen, die in mehreren Lokalen reservieren und sich dann spontan, nach Lust und Laune und Wetter für eines entscheiden. Das geht nicht! Und im Urlaub beispielsweise geben wir unsere Kreditkarte überall sofort her. Natürlich obliegt die Entscheidung hier dem Gastronomen. Ich würde es tun. Manchmal muss man sich seine Gäste zu einem gewissen Grad erziehen.

Wie wird sich die Gastronomie in Zukunft entwickeln bzw. verändern?
Die Selbstbedienung wird steigen, nicht nur in der Gastronomie. Auch in der Hotellerie gibt es teilweise keine Rezeptionen mehr. Die geringgradigen Serviceeinrichtungen werden mehr werden. Auch Imbissbuden, also Würstelstände und Co. Das mittlere Gasthaus bzw. die klassische Wiener Gastronomie wird mit den Preisen nach oben wandern. Wer das will, muss also künftig tiefer in die Taschen greifen. Die Spitzengastronomie wird das jedoch am wenigsten treffen. Die haben auch nicht ein Problem mit den Gästen, denn die sind in der Regel deutlich wohlhabender und können sich den Restaurantbesuch eher leisten. Die Preisanpassung bzw. -steigerung fällt hier nicht so ins Gewicht.

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Das bedeutet, es muss einiges getan werden?
Ja. Die Rahmenbedingungen müssen sich verbessern. Es geht nicht nur um das Monetäre sondern auch um den Aufwand. Man muss uns nicht zu Tode kontrollieren und jedes Jahr eine neue Vorschrift einfallen lassen um dann wieder zu strafen und in weiterer Folge wieder Geld zu kassieren. Das ist so überzogen. Die Menschen leben auch mit weniger strengen Vorgaben. Stichwort Anrainergesetze: Jeder hätte gerne einen Schanigarten, nur nicht vor der eigenen Tür. Das klingt lustig, ist aber bitterer Ernst. In Österreich leiden wir am „Musterschüler-Syndrom“. Obwohl wir ohnesdies schon so viele Auflagen haben – siehe EU bzw. Brüssel – so müssen wir es scheinbar immer noch besser machen. In anderen Ländern ist alles erlaubt was nicht verboten ist . Bei uns ist alles verboten was nicht erlaubt ist … Darüber sollten wir einmal nachdenken.

Vielen herzlichen Dank für das Gespräch!