Tel Aviv im Fladenbrot

Andrea Wieger

In der Schulerstraße 4 war früher das Dombeisl, dessen plötzliches Verschwinden manch einen traurig stimmen mag. Das Nachfolgerlokal ist hingegen alles andere als unlustig: hier geht’s nämlich richtig rund! Vor einigen Wochen hat das neue Restaurant „Miznon“ in der Wiener Innenstadt eröffnet. Hinter dem jüdisch-mediterranem Konzept steht der israelische Koch Eyal Shani, der sich das leer stehende Lokal nahe des Stephandoms schnappte.

Shani betreibt bereits zwei Miznon-Restaurants in Tel Aviv und eines in Paris. Hier wie dort ist das schlichte Motto „essen, trinken, genießen“ ein Riesenerfolg. In der Küche setzt der Israeli konsequent Streetfood um. Miznon (das Z wird weich ausgesprochen) heißt übrigens Kantine.

Mit seiner kreativen Küche hat sich Eyal Shani international einen Namen gemacht. Essen soll Spaß bereiten, seine Restaurants sind Orte der Begegnung. „Dass wir nun auch in Wien vertreten sind, ist eine Herzensangelegenheit«, sagt er. „Wie keine andere Stadt verbindet Wien das Klassische mit dem Urbanen und genau diesem Spirit liegt auch das Miznon zugrunde.“ Denn aus so etwas vermeintlich Simplen wie dem traditionellen Pita (gefüllte Brottasche) werden im Miznon trendige Gourmetgerichte kreiert. Voll ist es hier immer seit dem ersten Tag und zu jeder Tageszeit: Familien mit Kindern, einsame Esser, Freundinnen, Paare, Freunde des Hauses, Touristen, Gruppen jeglicher Zusammensetzung was Alter und Herkunft betrifft. Ein kosmopolitischer Schmelztiegel sozusagen. Wien ist wohl nur in der Uno City internationaler aufgestellt als hier. Das Lokal setzt auf Selbstbedienung, die Speisenauswahl (in deutsch oder englisch) steht auf einem Papiersackerl, bestellt und bezahlt wird an der Theke, die Getränke sind im Kühlschrank, das Heineken wird frisch gezapft.

Die Miznon-Einrichtung ist ebenso wie die Küchenlinie in allen Filialen sehr ähnlich: Industrial-Chic-Lampen, alte Bananenkisten, Kreidetafeln und vor allem massenhaft Gemüse als Dekoration: gestapelter Karfiol über den Köpfen der Gäste an der Bar, Lauchstangen wie Soldaten in einem Regal aufgereiht und üppige Paradeiser in der Auslage. »Ein bisschen Sonne aus Tel Aviv« möchten Shani und sein Team somit nach Wien bringen. Schon die offene Küche versprüht eine warme Atmosphäre, der große Esstisch in der Mitte des Gastraums ist der kommunikative Treffpunkt und laute, fröhliche Musik dröhnt aus den Boxen. Ist man einmal ein paar Minuten im Lokal, gewöhnt man sich an den Lautstärkepegel sowie das Tempo und entspannt sich so wie die anderen Gäste, die schon länger da sind. Diese akustische Barriere kann allerdings auch abschrecken.

Spezialgericht im Miznon ist eindeutig das gefüllte Pita und die gebratenen Brokkoli- und Karfiolgerichte – Letztere werden im Ganzen serviert, die Röschen muss der Gast mit den Fingern „pflücken“. Die Pitas gibt es in elf Varianten: angefangen von Ratatouille, Karfiol, Minutensteak bis zu geschmorten Lammrippchen. Nicht als Fingerfood, sondern am Teller gibt es Spinat, Ratatouille mit Ei und eine Art Kohlrouladen. Weiters auf der Karte stehen „Dinosaurierrippchen“, „Fleisch im Sack“ oder „überfahrene Kartoffeln mit Sour Cream“ – was darunter zu verstehen ist? Am besten selbst ausprobieren! Eine absolute Empfehlung sind die Lammlaibchen, die mit einer leichten Pfefferprise perfekt abgeschmeckt sind.

Doch nicht nur die israelische Küche wird zelebriert, auch den jeweiligen Standort seines Restaurants greift Eyal Shani in der Kartengestaltung auf. In der Pariser Dependance gibt es etwa ein Pita mit Rindsragout (Beef bourguignon) oder eine mit karamellisierten Äpfeln (Tarte Tatin). Auch in Wien wird Shani österreichische Pitas entwerfen, „aber ein Schnitzel im Sandwich wird’s nicht geben, das wäre zu offensichtlich, wir werden Wien sehen, fühlen, und in eine saftige Pita packen.“ Ein Pitabrot macht jedenfalls richtig satt, egal ob vegetarisch oder fleischig gefüllt. Das ist hier übrigens kein Thema: Vegan, bio oder was weiß ich. Die Speisekarte ist so, dass jeder weiß, was er essen kann oder will, und was eben nicht. Die Pitas gibt’s auch ohne Brot auf dem Teller und in kleinen Portionen („Scherzerl“). Die kleinen Reststücke der Fladen kann man gratis zu Saucen und Gemüse am Vorspeisenbuffet essen während man wartet – genial! Denn obwohl rasant gekocht wird, dauert es naturgemäß ein paar Minuten bis man aufgerufen wird sein Gericht zum Tisch zu holen.

Mein Fazit:

Israelische Imbisse in urbaner Wohnzimmer-Atmosphäre nun also auch in Wien. Ja, find ich gut! Auch wenn die Lautstärke und das Tempo bestimmt nicht jedermanns Sache sind und es vermutlich auch von Vorteil ist, wenn man Englisch kann und zuvor schon einmal bei Starbucks war: hier wird nicht nur gegessen. Hier stehen Genuss, Verweilen und Staunen im Mittelpunkt. Ein echter Hingucker würd ich sagen!

 

Miznon

Schulerstraße 4

1010 Wien

Tel. 01/ 512 03 02

www.facebook.com/miznonvienna

Geöffnet: Montag bis Sonntag 12 – 23 Uhr