Wien (Culinarius) – „Der Mensch lebt nicht von Brot allein. Nach einer Weile braucht er einen Drink.“ Mit diesem Satz von Woody Allen begrüßt uns die Homepage von „St. Ellas“, der sogenannten kleinen Schwester vom „Gaumenspiel“. Beide Restaurants sind von einer kreativen Küche geprägt, bieten Innovationen zum probieren und günstige Menüs zum dinieren.
Nebeneinander angesiedelt in der Zieglergasse sorgen die Schwesterlokale für lockeres Wohnzimmer-Ambiente bei bester Haubenküche und ausgezeichneter Weinkarte. Bloß nicht zu steif! – Diese Linie verfolgt das Unternehmerpaar Martina Kraler und Rodschel Rachnaev seit ihrer Eröffnung des „Gaumenspiels“ 2002, welches zwei Hauben von Gaul Millau ziert. Das „St. Ellas Bistro Bar Grill“, das ursprünglich als „Gaumenspiel Tagesbar“ geplant war, folgte 2012 und erhielt ebenfalls eine Haube. Mit dem zweiten Restaurant wollten Kraler und Rachnaev eigentlich die Kultur des Mittagessens wiederaufleben lassen, änderten die Öffnungszeiten jedoch schnell wieder, sodass man hier nun von 17 Uhr bis 1 Uhr Nachts die ungewöhnliche Tuna-Sashimi-Pizza und delikate Speisen vom Lava-Stein-Gril verköstigen kann.
Im Interview mit Gastronews Wien erzählt das Unternehmerpaar, wie sie sich von anderen Haubenrestaurants unterscheiden, welches Gericht auf keinen Fall auf ihre Speisekarte kommt, vor welchem Fehler Frau Kraler Ihren Mann bewahrt hat und was das schönste Kompliment von einem Gast war.
„Wie kam es dazu, dass Sie und Ihre Frau 2002 das Gaumenspiel eröffneten?“
Rachnaev: „Also eigentlich bin ich gelernter Tischler, wechselte dann aber in die Gastronomie, wo ich lange Zeit tätig war als Servicemitarbeiter. Der Wunsch war aber schon immer da, ein eigenes Restaurant aufzumachen. Es war dann eigentlich ein glücklicher Zufall, dass wir dieses Lokal übernommen haben, da ich mich hier eigentlich im Service beworben hatte und die damalige Besitzerin aber verkaufen wollte.“
Kraler: „Uns war es auch klar, dass wir eine Restaurant-Eröffnung nur zusammen durchziehen wollen. Alleine ist das fast unmöglich. Ich habe zuvor die Hotelfachschule absolviert und machte eine Sommelier Ausbildung. Aber ich wollte nur in der Gastronomie bleiben, wenn wir uns selbstständig machen würden. Der Hauptfokus bei der Lokalsuche war der, dass das Restaurant klein sein muss, damit wir es im Notfall auch nur zu zweit führen können, ohne Mitarbeiter.“
„Können Sie sich noch an den Tag der Eröffnung erinnern? Wie verlief dieser?“
Rachnaev: „Wir sind weggeschwommen wie die Fische. Wir hatten ein kleines Problem mit der Einrichtung, unser Geld war sehr knapp. Wir haben deshalb Firmen beauftragt, die uns küchentechnisch helfen sollten. Diese haben uns aber im Stich gelassen, weshalb wir improvisieren mussten. Es war sehr dramatisch, lustig und spannend zugleich.“
„Was hätten Sie rückblickend zu diesem Zeitpunkt gerne gewusst?“
Rachnaev: „Ich glaube wir haben damals vieles richtiggemacht. Rückblickend betrachtet hätte ich aber einen besseren Standort auswählen können.“
„Warum entschieden Sie sich 10 Jahre später, ein neues Restaurant aufzumachen?“
Rachnaev: „Das war so: Wir haben den Köchen im Gaumenspiel viel Freiheit gelassen, woraufhin diese immer besser aufgekocht haben und die Bewertungen immer besser wurden. Deshalb mussten wir unsere Preise anheben, sonst hätten wir das Restaurant nicht halten können. 2008/2009 merkten wir dann, wie Geschäftsessen in unserem Restaurant immer seltener wurden, weil viele Firmen aus der Gegend hier wegzogen. Diese Geschäftsessen haben uns gefehlt. Durch die Steigerung der Küchenqualität waren wir dann auch vor allem auf Kunden von außerhalb angewiesen, da der Kundenkreis aus naher Umgebung immer kleiner wurde. Wir haben deshalb wieder diesen Anschluss gesucht, den wir mit dem St. Ellas gefunden haben.“
„Warum liegen beide Restaurants nebeneinander?“
Rachnaev: „Weil es zwei verschiedene Konzepte sind, die sich gegenseitig nicht weh tun und für uns praktisch ist zu handhaben.“
„Worin liegt denn der Unterschied zwischen Gaumenspiel und St. Ellas?“
Rachnaev: „Der Unterschied liegt darin, dass das Gaumenspiel viel kreativer ist in der Zubereitung der Speisen. Das Konzept ist darauf fokussiert, dass die Leute länger sitzen bleiben und mehr probieren. Im Bistro kommen Gäste, die nicht vorhaben, sehr lange zu verweilen. Ein anderer Unterschied liegt in der Stimmung. Im Bistro ist es lauter, es ist ein Beisl-Ambiente mit einer sehr angenehmen Stimmung.“
„Was ist ein außergewöhnliches Ereignis, das sich in Ihrer Karriere als Gastronom zugetragen hat?“
Rachnaev: „Das Außergewöhnliche für mich ist, dass wir wahnsinnig oft medial erwähnt werden und sehr oft gelobt werden. Man kennt uns mittlerweile in Wien.“
„Wie verlief die Entwicklung der Gastronomie-Szene hier seit 2002?“
Rachnaev: „Es gab einen kurzen Knick, als die ganzen Firmen weggezogen sind. Da hatte ich das Gefühl, die Gegend hier geht den Bach runter. Die Zieglergasse war nie eine tolle Ausgehgegend. Nachdem wir dann das Bistrot eröffnet haben, hat sich das etwas geändert. Mittlerweile geht es wieder bergauf.“
„Wie unterscheiden Sie sich von anderen Haubenrestaurants?“
Rachnaev: „Wir wollten das Gaumenspiel schon immer leger führen, ohne steifes Ambiente, sondern in einer lockeren Atmosphäre mit Musik. Es ist auch so, dass viele Leute mit irrsinnigen Erwartungen zu uns kommen, weil sie von den zwei Hauben gelesen haben. Diese Menschen werden dann oft überrascht. Für mich ist es nur wichtig, dass die zwei Hauben auf dem Teller zu sehen sind. Alles andere sollte man so sehen, wie als wäre man bei Freunden essen.“
Kraler: „Das Preis-Leistungs-Verhältnis unterscheidet uns auch enorm von anderen. Ich glaube es gibt kaum ein anderes Restaurant in Wien mit zwei Hauben, das so ein Preis-Leistungs-Verhältnis hat. Unsere Speisen sind für Gäste kalkulierbar. Für internationale Gäste ist das ein Paradies, weil sie sowas aus anderen Ländern einfach nicht kennen. Außerdem schätzen sie das angenehme Ambiente bei uns, in dem man nicht schräg angeschaut wird, wenn man mal nicht gestylt kommt. Deshalb haben wir auch generell ein recht junges Publikum.“
„Was war das schönste Kompliment, das Ihnen ein Gast je gemacht hat?“
Rachnaev: „Das schönste Kompliment war, dass wir hier so viel für ein Menü verlangen wie in Berlin für eine Hauptspeise mit der gleichen Qualität.“
Kraler: „Das schönste Kompliment für mich ist, wenn der Gast sagt, es ist einfach so nett hier. Ich glaube dann verzeiht er auch mal einen Fehler. Der Service ist genauso wichtig wie das Essen, das Ambiente und die Weinauswahl. Das Gesamtpaket muss stimmen.“
„Welches Gericht kommt Ihnen auf keinen Fall auf die Speisekarte und warum?“
Rachnaev: „Schweinsinnereien. Deshalb, weil ich jüdisch bin und grundsätzlich kein Schwein esse und Innereien schon gar nicht.“
Kraler: „Also Stierhoden würden wir wahrscheinlich auch nicht drauf schreiben.“
Rachnaev: „Naja, das weiß ich nicht, das würde ich jetzt nicht so sagen.“ (lacht)
„Wie teilen Sie sich die Arbeit untereinander auf?“
Rachnaev: „Naja, sie macht alles und ich mache den Rest.“ (lacht) „Nein, also es ist so, dass die Martina sich stark um das operative und administrative Geschäft kümmert. Ich bin eher zuständig für die Küchenlinie, das Ambiente, die Einrichtung, etc.“
Kraler: „Also er ist der Kreative, der neue Sachen einbringt.“
„Herr Rachnaev, gibt es einen Fehler, vor dem Ihre Frau Sie bewahrt hat?“
Rachnaev: „Ja, ich wollte mir einen Ferrari kaufen, obwohl wir das Geld nicht hatten.“ (lacht)
„Was ist das Wichtigste, das Sie aus Ihrer Karriere lernen konnten?“
Rachnaev: „Geduld. Alles kommt zu seiner Zeit.“
Kraler: „Geduld ist ein gutes Stichwort. Es ist auch so, dass es oft Entwicklungen gibt, wo man denkt, man wird zurückgeworfen, wobei diese im zweiten Anlauf eigentlich nicht so schlecht waren. Das bedeutet, dass manche Entscheidungen vielleicht anfangs nicht so gut funktioniert haben, sich aber dann doch als positiv herausstellten. Es hat also seine Berechtigung, wenn etwas nicht geklappt hat.“
„Zum Beispiel?“
Kraler: „Zum Beispiel das St. Ellas, aus dem wir zunächst ja eigentlich ein Mittagslokal machen wollten. Im Endeffekt ist aber doch ein ganz anderes Konzept entstanden, was sich als gut und richtig erwiesen hat.“
„Was wollen Sie in Zukunft noch erreichen?“
Rachnaev: „Also das Thema Gastronomie ist an und für sich erledigt für uns. Es sei denn, es gibt so ein wahnsinnig tolles Konzept, das wir noch unbedingt umsetzen müssen. Ab einen gewissen Alter hat man aber einfach genug. Ich bin auch nicht jemand, der ein Lokal hat und dann selbst nicht mitarbeiten kann. Da fängt es schon an. Für mich hat die Vervielfältigung der Gastronomie keinen gewinnenden Charakter. Für die, die es schaffen, freue ich mich. Aber wir sind sehr zufrieden mit unseren zwei Lokalen. Ein weiteres wäre wahrscheinlich nur eine Belastung.“
Fotocredit: Δ I N Λ W E I S S PHOTOGRAPHY