Der junge Craft-Bier-Brauer und Entrepreneur Martin Wohlkönig erzählt im Gastro News Interview über Bier das nach Raketentreibstoff schmeckt, Meilensteine im Jahr 2021 und eine Brauerei mit illegalem Labor-Flair.
Der Zaungast Gründer Martin Wohlkönig hat das Bierbrauen erst spät für sich entdeckt. Denn nach dem Bundesheer ist der Neo-Braumeister erstmal zum VWL-Studium nach England gepilgert. Nach vier Jahren im Karussell des Londoner Finanzmarkts zog Wohlkönig die Reißleine und verließ die Insel wieder. Bei der anschließenden Weltreise entdeckte er seine Liebe zum Craft Bier.
Gastro News: Warum hast du dich dazu entschlossen den eingeschlagenen Weg in London nicht weiter zu verfolgen?
Wohlkönig: Ich habe im Jahr 2016 die Zelte in London abgebrochen und mich dafür entschieden etwas machen zu wollen, wofür ich wirklich brenne. Der Derivaten-Handel war es nicht, zumindest das wusste ich zu diesem Zeitpunkt. Sonst hatte ich aber keine Ahnung wie es weitergehen soll. Bei meiner anschließenden Reise um die Welt bin ich an der Westküste der USA, genauer gesagt in San Diego, das erste Mal mit dem Produkt Craft Bier in Berührung gekommen. Bis dahin war ich eigentlich kein Biertrinker. Ab und an beim Ausgehen vielleicht, sonst hatte ich aber kaum Interesse. Ein Schluck von dem Erdnussbutter-Craftbier in Amerika hat gereicht um das für immer zu verändern. Die Leidenschaft war entfacht.
Gastro News: Idee und Ziel waren also da. Wie hast du diese in die Tat umgesetzt?
Wohlkönig: Mir war klar, wenn ich das exotische Geschmackserlebnis aus Amerika auch in Österreich erleben möchte, muss ich mich selbst darum kümmern. Inspiration und Motivation waren reichlich vorhanden, gefehlt hat aber die Infrastruktur und das nötige Know-How.
Gastro News: Hattest du über deine Familie oder den Bekanntenkreis schon Kontakt mit der Kunst des Bierbrauens?
Wohlkönig: Überhaupt nicht. Ich habe mir tatsächlich alles selber beibringen müssen und mit dem Wissenstand eines Laien das Projekt gestartet. Natürlich habe ich erstmal unzählige Bücher gekauft und auch im Internet hilfreiche Tipps und Tricks in Erfahrung bringen können. Aber das Wissen allein, macht noch keinen guten Braumeister aus dir. Die Idee und die Realität lagen damals noch meilenweit auseinander.
Gastro News: Wo hast du deine ersten Schritte als selbstständiger Braumeister unternommen?
Wohlkönig: Ich habe die Fläche genutzt die zur Verfügung stand und war dankbar dafür. Im Keller meiner Großmutter. Das hatte so alten Schnapsbrenner-Charakter, mit einem Hauch von illegalem Labor-Flair. Schräg, aber ich hatte größte Freude daran mich der Herausforderung des Brauens zu stellen.
Gastro News: Das Brauen von Bier gilt unter Experten bekanntlich als wahre Wissenschaft. Wie sind dir deine ersten Versuche gelungen?
Wohlkönig: Das erste selbstgebraute Bier war sowohl von der Konsistenz, als auch vom Geschmack vergleichbar mit Raketentreibstoff. Da sind mir die Flaschen nach der Reihe um die Ohren geflogen. Im Nachhinein eine wichtige Erfahrung und Gott sei Dank wurde auch niemand verletzt. Die Frage nach dem Geschmack brauche ich wohl nicht zu beantworten. Gekostet habe ich trotzdem. Mit Mut zum Risiko und zum eigenen Produkt. Man muss ja wissen wo man steht um weiter nach vorne zu kommen. Ich war fasziniert davon, wie komplex der Vorgang des Brauens ist und wie steinig der Weg zum ersten guten Bier. Wäre es anders, würde sich der Erfolg heute weniger gut anfühlen.
Gastro News: Hattest du nach dem Raketentreibstoff-Bier Zweifel daran, den richtigen Weg als Craft Bier Brauer eingeschlagen zu haben?
Wohlkönig: Nein, nicht eine Sekunde. Ich habe trotz Rückschläge gemerkt, dass hier meine große Leidenschaft und berufliche Zukunft liegt. Und entmutigen habe ich mich auch nicht lassen. Unzählige Versuche später habe den Versuch gewagt meine Verwandten als Probanden meines ersten Bieres einzuspannen. Und siehe da, das Feedback viel durchwegs positiv aus. Das hat mir einen regelrechten Motivationsschub verpasst. Von diesem Zeitpunkt an war mir klar, die Leidenschaft zum Beruf zu machen und mich dem Projekt Vollzeit zu widmen.
Gastro News: Hast du auf dem weiteren Weg zum Braumeister Unterstützungen angenommen, oder blieb es bei Büchern und Internet?
Wohlkönig: Ich habe die Möglichkeiten in Anspruch genommen die von der Wirtschaftskammer angeboten werden. Da gibt es extrem hilfreiche Ressourcen für Gründer wie mich, bei denen wichtige Punkte aufgezeigt werden, auf die in der Regel leicht vergessen wird. Dafür bin ich sehr dankbar und kann allen Gründern nur empfehlen sich dahingehend zu informieren und das in Anspruch zu nehmen was angeboten wird. Es hilft.
Gastro News: Welche Denkanstöße waren das und wie hast du diese umgesetzt?
Wohlkönig: Es ist ungemein wichtig einen Weg zu verfolgen der den eigenen Wünschen und Vorstellungen entspricht. Das zu machen woran man glaubt, ohne Rücksicht auf den Mainstream. Ich habe mich dafür entschlossen mein Bier ausschließlich in Dosen abzufüllen. Das ist in der Craft Bier Szene eher untypisch, bringt aber große Vorteile mit sich.
Gastro News: Welche wären das zum Beispiel?
Wohlkönig: Zum einen ist die Dose das beste Verpackungsmaterial für Bier überhaupt. Es schützt vor UV-Strahlen und Licht. Das ist ein klarer Vorteil gegenüber der Abfüllung in Flaschen. Aber auch in logistischer Hinsicht ist die Dose ein überaus dankbares Produkt. Insgesamt ist die Produktion und der Verkauf in Dosen sowohl für den Geschmack, die Lagerung und den Versand von Vorteil. Außerdem habe ich mich für eine ganz besondere Größe entschieden. Das Zaungast Craft Bier bekommt man nämlich nur in 440 ml Dosen.
Gastro News: Warum diese untypische Größe?
Wohlkönig: Ich halte 0,4 für die ideale Menge um eine Craft Bier zu genießen. 0,3 Flaschen sind oftmals zu klein, wohingegen 0,5 für den intensiven und reichhaltigen Geschmack von Craft Bier oft zu viel ist. Ein Mittelmaß bringt die gewünschte Lösung. Immerhin soll der Genuss weder zu schnell vergehen, noch soll das Bier abgestanden und warm werden. In der Produktion verursacht das natürlich eine gewisse Komplexität, die bei einem Standardmaß nicht gegeben ist. Abfüllung, Etikettengröße, Kartons und Lagerung müssen angepasst werden. Ich sehe das aber als Zeichen sich am richtigen Weg zu befinden. Als Gründer ist es wichtig Hürden nicht zu umgehen sondern sich diesen zu stellen.
Gastro News: Wie haben sich die Zaungast-Produktionsverhältnisse in den letzten Monaten entwickelt?
Wohlkönig: Meine Großmutter ist dankbar, dass ich ihren Keller geräumt habe. Heute arbeite ich mich meinem Braupartner des Vertrauens zusammen. Ich entwickle die Rezeptur und begleite den Brauprozess dann direkt vor Ort. Das ist wichtig um Abzuschmecken und das Tasting unmittelbar nachadjustieren zu können. Auch das Befüllen der Dosen habe ich ausgelagert und wird mittlerweile von einem externen Dienstleister übernommen. Das Zaungast Craft Bier wird in Dosen und in 30 Liter Fässern für die Gastronomie angeboten.
Gastro News: Noch hat die Gastronomie Corona-bedingt geschlossen. Aber das bleibt nicht immer so, soviel Optimismus muss gestattet sein. Hast du schon Interessenten aus der Branche für dein Produkt gewinnen können?
Wohlkönig: Ja. Ein paar mündliche Zusagen habe ich bereits. Und sobald es wieder möglich wird, werde ich im „old-fashion“-Style Türklinken putzen gehen. Auch das gehört zu den Aufgaben eines jungen Unternehmens. Außerdem möchte ich an Wettbewerben teilnehmen um Aufmerksamkeit für mein Produkt zu schaffen. In der ersten Phase nach dem Launch ist es besonders wichtig Daten einzuholen. Wie wird der Geschmack, das Design, die Größe und so weiter von den Kundinnen und Kunden angenommen? Das ist nervenaufreibend aber spannend.
Gastro News: Du hast dich dafür entschieden deine Community an der weiteren Produktentwicklung teilhaben zu lassen. Damit gibst du bewusst ein Stück Entscheidungsgewalt an andere ab, warum?
Wohlkönig: Die Community ist für uns junge Gründer das sprichwörtliche „A und O“. Ohne geht es nicht. Es braucht einen starken Social-Media Auftritt, ein zeitgemäßes Design und die Interaktion mit den Menschen die sich für dein Produkt interessieren. Der Geschmack allein ist heute keine Garantie für Erfolg. Ich habe festgestellt, dass Marken den Konsumenten gehören und nicht den Firmen. Eine Marke löst eine Reaktion im Kopf aus, die man nicht kontrollieren kann. Darum ist der Kontakt und die Verbindung zur Community so wichtig.
Gastro News: An welchen Entscheidungen lässt du die Zaungast-Fanbase teilhaben und sind deine Produktions-Partner damit einverstanden?
Wohlkönig: Ich bin ein 1-Mann Unternehmen. Daher kann ich mir alle Freiheiten gönnen die aus wirtschaftlicher und produktrelevanter Sicht nachvollziehbar sind. Die Entscheidung der Community ein Mitspracherecht einzuräumen zählt zu eben diesen Freiheiten. Ich denke da an zukünftige Geschmacksrichtungen wie es bereits der Fall ist, Charity-Aktionen und wohin ein Teil des Umsatzes gespendet wird, Designvorschläge für die Etiketten oder Limited Editions. Die Möglichkeiten sind da, warum also nicht damit arbeiten. In großen Unternehmen werden Entscheidungen In-House getroffen und über Massenwerbung verbreitet. Bei Zaungast ist das anders.
Gastro News: Welche Ziele verfolgst du im Jahr 2021?
Wohlkönig: Mir ist es wichtig ein Produkt auf den Markt zu bringen, das bei den Konsumentinnen und Konsumenten gut ankommt. Das Freude macht. Und das ich dabei genug umsetze um die Produktion fortsetzen zu können. Ich möchte Brauen und meine Visionen teilen. Guten Geschmack in die Haushalte und Lokale bringen und die Craft Bier Szene mit neuen Produkten breiter aufstellen. Es geht auch darum Interesse zu erzeugen. Denn die Szene in Österreich steckt, im Vergleich zum Rest Europas oder Amerika, noch in den Kinderschuhen. Ein breites Angebot und neue Player sorgen für Diversität die es braucht, um langfristig am Markt konkurrenzfähig zu bleiben. Und auch ein starkes Kreuz, Spannung und langer Atem dürfen nicht fehlen.
Gastro News: Danke für das Gespräch.
Das Bier vom Braukollektiv Zaungast ist ab sofort im eigenen Onlineshop erhältlich.
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Website: https://zaungast.beer/
Email: info@zaungast.beer