Michael Schottenberg hat schon viele Rollen gespielt. Schauspieler, Film- und Theater-Regisseur, Theater-Direktor, Dancing-Star. Er gab den fiesen Schurken in Kult-Serien wie Kottan, Tatort und Trautmann, spielte im „Bockerer“ und Hanekes „Klavierspielerin.“ Seine wahre Liebe galt stets dem Theater. Seit kurzem ist „Schotti“ Globetrotter sowie Reise- und Kinderbuch-Autor. Ein Gespräch über sein erstes Sushi, den vollkommenen Geschmack, Reiseerlebnisse und neue Projekte.
Zu unserem Interview rauscht Schottenberg pünktlich auf seiner knallroten Vespa an. Er umarmt den Chef zu Begrüßung, ins Umami geht der Liebhaber der fernöstlichen Küche „immer wieder gerne.“ Wir ordern eine große Sushi-Platte und eine Karaffe Leitungswasser. Schottenberg hat sich seine Neugierde auf ferne Länder, Menschen und deren Kulinarik bewahrt, seine Begeisterung ist ansteckend.
Gastro News Wien: Wir befinden uns im Restaurant Umami. Mögen sie Umami?
Michael Schottenberg: Sehr. Ich liebe die Gesamtheit des Geschmacks. Die Komplettheit, die auch die Optik beinhaltet. Ich bin dem japanischen Geschmack, dem Verständins der japanischen Vollkommenheit seit den 1980-er Jahren völlig verfallen (seufzt).
Wie kommt’s?
Anfang der 1980er Jahre gab es in der Rauhensteingasse ein Restaurant namens Tokio, das wie ein Gasthaus ausgesehen hat. Das hat mir ein Freund mit den Worten ‚wenn du rohen Fisch essen willst, geh dort hin‘ empfohlen. Ich war skeptisch. Aber schon dieses erste Sushi Erlebnis war eine Offenbarung. Die Reduktion auf’s Wesentliche, die Konzentration auf das Produkt hat mich eingenommen. Es war ein ganzheitliches Sinneserlebnis an Geschmack, Farben, Form und Präsentation. Durch diese Türe bin ich getreten und seit dem der Faszination der japanischen Küche verfallen. Wenig später war ich im Rahmen meines ersten Kinofilms (Caracas, Regie: Michael Schottenberg) in Tokio und Kioto und wissen sie was: Ich war dort einfach glücklich! Auch die südostasiatischen Küche in ihren fantasievollen Ausformung liebe ich. Seither suche ich diese Gesamtheit, diese Vollkommenheit wo immer ich auch bin. Ich suche sie und finde sie – oder sie findet mich (lacht).
Klingt ein wenig spirituell. Gibt es diesen spirituellen oder religösen Aspekt?
Vielleicht. Die Reduktion auf das Wesentliche ist der Ursprung einer Philosophie und für mich auch das Wesen der Kunst. Eine Reduktion aufs Komplette, auf den Kern, stellt eine Erweiterung dar. Umami ist mit jedem einzelnen Bissen der komplette Genuss. Dieser Kern hat auch in meinem Schauspieler-Regie-Komplex eine Rolle gespielt. Was ist die Essenz einer Geschichte, was ist der Kern?
Als Schauspieler und/oder Regisseur haben sie jetzt ihren Rückzug bekannt gegeben. Weshalb?
Ich hab nie begriffen, warum gerade Schauspieler ihren Beruf ewig ausüben müssen. Für mich gilt das nicht. Nach über 45 Jahren möchte ich etwas anders machen und mich Neuem zuwenden.
Ihre neueste Rolle ist jene des Globetrotters, der sich alleine mit einem 40 Kg Rucksack auf Reisen, etwa nach Indien, Vietnam, oder Burma aufmacht. Was suchen sie auf ihren Reisen?
Auch mich selbst, wie jeder Reisende. Ich bin aber auch, ob als Schauspieler, Regiesseur oder Autor, Geschichtenerzähler. Ich bin neugierig auf die Kultur und die Menschen eines Landes. Ich glaub, dass sich ein Land weniger über Bauwerke sondern über Menschen, deren Humor, Sprache und natürlich Geschmack definiert. Das macht ein Land doch aus. Ich habe mein Leben lang Geschichten fiktiver Menschen erzählt. Jetzt sind meine Geschichten real.
Sie waren u.a. in Vietnam, in Burma und Griechenland. Gibt es ein besonders Erlebnis von dem sie erzählen wollen?
Meine letzte Reise hat mich sechs Wochen durch Nordindien geführt. Dorthin wo’s richtig weh tut. Da stehen die Bettler und Kühe auf der Strasse. Das ist Kulturschock pur. Ich war mit Bahn, Bus und Motorrad unterwegs. Und sehr Basic in billigen Hotels. Da ist man mit echter Armut konfrontiert. Dei Diskrepanz zwischen dem unfassbar reichen „Maharadscha-Leben“ und jenen, die auf der Strasse leben, hat mich schockiert. Leben und Tod ist allgegenwärtig. Alleine als „Fremder“ auf sich gestellt zu sein, das ist nicht ungefährlich. Da gehst‘ niemandem ab, wenn da was passiert. Das Buch zu Reise ist schon fertig, erscheint aber erst 2021. Jetzt (Präsentation: 31. Oktober, Rathaus Wien) erscheint gerade ein Kinderbuch von mir. Es geht dabei um Tiere, die Außenseiter sind und menschlich reagieren. Um einen Luchs, der kurzsichtig ist (Schottenberg kneift die Augen zusammen). Weil er so schlecht sieht, stößt mit einer anderen Außenseiterin zusammen, einem Stinktiermädchen. Er schenkt ihr Seife, sie ihm eine Brille. Und alles ist gut (lächelt mild).
Apropos Geschmack. Wir werden durch Geschmäcker der Kindheit kulinarisch geprägt. Wie war das bei ihnen?
Ganz normale Hausmannskost. Ich hatte aber als Kind eine Operation und war danach auf Erholung in Maria Schutz, wo ich eine Forelle gegessen habe. Dieser Geschmack blieb mir, er war der Himmel auf Erden. Ich bin ein Meerestier und esse dergleichen (ahmt mit ausholenden Bewegungen die Fangarme eines Kraken nach).
Wie auf’s Stichwort serviert der Chef persönlich die große Sushi-Platte. Schottenberg füllt ein kleines Schälchen, in welchem er Soja-Sauce und Wasabi verrührt. Der geübte Stäbchen-Esser startet mit einem Nigiri-Sushi mit Thunfisch.
Was essen sie sonst gerne, oder besser: was essen sie gar nicht gerne?
Das süsse Gen hab ich nicht. Ich mag es extrem scharf. In Tailand, Burma, Vietnam, Indien. Ich versuche, wo immer ich bin scharf zu essen. Einem Europäer traut man das leider oft nicht zu. Innereien und Wild interessiert mich nicht. Und beim Fleisch bin ich lustlos. Ich war lange ein „Fisch-Vegetarier.“
Kochen sie auch selbst?
Jaaaaaaaa! (Das können sie mit 8 „a“ und Rufzeichen schreiben!) Meine Spezialität ist die fernöstliche Küche – vietnamesisch, thai oder indisch. Nur an Sushi wage ich mich nicht ran.
Für wen kochen sie?
Für Freunde natürlich! Die werden gezwungen zu essen, was auf den Tisch kommt (kurz verfinstert sich Schottis Miene). Meine Küche besteht aus kleinen Tellerchen, viele Kostproben. Sind macnmal glücklich, aber am glücklichsten bin ich.
Was trinken sie vor zu oder nach dem Essen?
Weißwein, Veltliner, trocken. Das paast sehr gut zum Essen. In Asien gerne ein kaltes Bier. Tee is ma zu fad.
Eine Frage zu Dancing-Stars zum Abschluss. Haben sie etwas gelernt dabei?
Schon. Männer können lernen, sich nicht zu genieren beim Tanzen, bei der Bewegung, nicht zu genieren. Wir Männer sollten überhaupt mehr Gefühle in der Öffentlichkeit preiszugeben, finde ich. Frauen tun sich da leichter. Ich war auch ein Tanzmuffel, gerade das war meine Herausforderung. Und die Gage! (lacht). Man denkt, Schauspieler sind extrovertiert, aber das stimmt nicht. Wir leben ja von unseren Widersprüchen.
Herr Schottenberg, danke vielmals für das Gespräch!