Schwer, schwerer, russisch

Andrea Wieger

In der Oberen Weißgerberstraße entstand vor fast 40 Jahren ein Lokal, die Kuchlmasterei, ein vom Gastronomen Niky Kulmer geformter Gourmettempel. Im Keller und Parterre eines Zinshauses verwirklichte der Wirt seinen Traum eines burgundischen Schlosses: mit Torbögen, Säulen und Treppchen, mit massiven Holztramen, steinernen Brunnen oder der wasserlassenden Statue eines Jünglings und anderen Firlefanzen. Gänseleber und Kaviar, Bluttaube und Trüffeleierspeis wurden dort von Spesenrittern aus Politik, Wirtschaft, Beamtenadel und anderem Lebenskünstlertum mit feinsten Bordeauxweinen und Burgundern hinuntergespült. Als Kulmer 2011 verstarb, war dieser Protz-Tempel längst nicht mehr „in“, man erkannte, dass kulinarische Leichtigkeit der Schlüssel zum Gästeglück war.

Eine aus Russland gebürtige Familie aber hat an den leeren Hallen der Kuchlmasterei Gefallen gefunden, eine Totalrenovierung beauftragt und eine beachtliche Mannschaft engagiert, um den eingestaubten Räumlichkeiten noch einmal Leben einzuhauchen. Nach einem umfangreichen Umstyling erstrahlt das Restaurant nun erneut in frischem Glanz. Das Mobiliar ist ein Mix aus elegantem Wohnzimmerflair und doch wieder Protz: heller Holzboden trifft auf massige Polstermöbel, schwere Holztische und funkelnde Luster. Modernere Stilelemente (als zuvor) heben sich von den alten Töpfen und Pfannen ab, die da und dort die Wand zieren. Geschmack ist bekanntlich subjektiv, gottseidank. Insgesamt rund 110 Sitzplätze sind auf die diversen Räumlichkeiten des Restaurants aufgeteilt. Wer eine ganz private Feier plant, dem stehen verschieden große Séparées zur Verfügung.

In der Küche steht Gonzalo Luzarraga, ein Piemonteser mit baskischen Wurzeln. Monaco, Südafrika, Asien, Schweden und Russland zählen zu seinen Stationen. In Wien will er einen Michelin-Stern erkochen. Sein Stil: mediterran mit nordischem Einschlag. Er selbst bezeichnet sich als innovativ und experimentierfreudig.

Die Speisekarte ist lang und liest sich spektakulär, von Kaviar über Seeigel und Trüffel bis zu Gänseleber, spanischem Eichelschwein und französischer Mieral-Ente sind geradezu massig Luxusgerichte angeführt, deren Zutaten von weit her kommen. Also nix mit regional und saisonal. Außergewöhnlich jedoch allemal: Bauernente auf Shiitake, Lauch, Fichtenwipfeln (!) und Perldinkel (€ 32), oder Zander mit Bouchonmuscheln, Kartoffel-Knoblauch-Pürree und Erbse (€ 28) oder eine Luxus-Version von Trüffelgnocchi mit Ziegenkäse (€ 25). Doch doch, dem Gast wird hier also wirklich einiges nicht-alltägliches geboten.

Wie zu erwarten, die Preise sind dementsprechend, mit schmaler Geldbörse wird man hier nicht satt. In der Kuchlmasterei werden altbekannte Speisen mit modernen Kochtechniken serviert. Abends kann der Gast zwischen dem kulinarischen Feuerwerk eines Degustationsmenü mit 4, 6 oder 8 Gängen (um € 59, € 75 oder € 92) oder à la carte wählen. Sommelier Patrick Hopf ist verantwortlich für die 50-seitige (!) Weinkarte, die mehr als 600 Positionen lagern im Keller, darunter echte Raritäten. Da treffen Orangeweine auf Franzosen und Novemberlesen auf Spanier und das relativ human kalkuliert. Die Weinbegleitung (32 Euro) zum Viergangmenü (58 Euro) ist hier jedoch Verpflichtung.

Fazit:

Optisch sowie kulinarisch zählt die Kuchlmasterei sicher zur schwereren Kost. Es ist ein großzügiges Restaurant mit Bar, Clubatmosphäre und bewusst leicht russischem Touch. Für alle Gegner von „less is more“ – auf ins Weißgerberviertel!

 

Die Kuchlmasterei

Obere Weißgerberstraße 6

1030 Wien

Tel. 01 / 712 90 00

www.kuchlmasterei.com

Geöffnet: Dienstag bis Samstag 17:00 bis 22:30 Uhr