Nicht die Unternehmer, sondern die Wiener Arbeiterkammer scheint die Zeichen der Zeit nicht erkannt zu haben. Trotz existenzgefährdendem Arbeitskräftemangel fällt der AK nichts anderes zu diesem Thema ein, als in gewohnt destruktiver Tonart die „extrem schlechten Arbeitsbedingungen“ in der Gastrobranche zu kritisieren.
1280 Beschwerdefälle musste die AK laut APA-Presseaussendung vom 7.7.22 (APA0155 5 WI 0607 II Do, 07.Jul 2022) im 1. Halbjahr 2022 bearbeiten. Da ist die Rede von unbezahlten Überstunden, kein Geld für Urlaub und Krankenstand, Bar- bzw. Schwarzzahlungen, zu gering oder gar nicht angemeldet usw.
Das alles klingt im ersten Moment furchtbar schrecklich. Natürlich ist jede ungerechte Behandlung zu viel und gehört verbessert, doch was die AK-Wien hier abzieht, ist reinster Populismus.
Beschäftigt man sich etwas näher mit den Zahlen, so sieht die Situation ganz anders aus:
- 1.280 Beschwerden bei 40.293 Arbeitnehmern in Wien (2021) = 3,18%
- 33,34% keine Überstunden bezahlt – 427 Beschwerden = 1,06% aller ArbeitnehmerInnen
- 12% kein Geld für Urlaub und Krankenstand – 154 Beschwerden = 0,38%
- 25% Bar bzw. Schwarzzahlungen – 320 Beschwerden = 0,8%
- 20% zu gering oder gar nicht angemeldet – 256 Beschwerden = 0,64%
- 66% falsche oder gar keine Lohnabrechnung – 845 Beschwerden = 2,1%
- 25% regelmäßig geteilte Dienste oder Dienstplan kurzfristig geändert – 320 Beschwerden = 0,8%
- 33,34% regelmäßig nach 18:00 Uhr arbeiten – 427 Beschwerden = 1,06%
- 25% nach 22:00 Uhr arbeiten – 320 Beschwerden = 0,8%
Übrigens, Beschwerden sind noch keine bewiesenen Fälle und schon gar keine Verurteilungen der Arbeitgeber durch das Arbeits- und Sozialgericht.
Besonders in Zeiten wie diesen, wo die gesamte Branche mit vielfältigen Herausforderungen zu kämpfen hat, ist solch populistisches Verhalten höchst unverantwortlich. Immer wieder betone ich in meinen Kolumnen und Stellungnahmen, wie wichtig es für alle in der Branche wäre an einem Strang zu ziehen, sich zusammen zu setzen und gemeinsame Lösungen zu finden. Es geht schon lange nicht mehr darum sich zu beweisen und damit zu prahlen wie sehr man sich als Interessenvertretung für die Mitglieder einsetzt. Es geht darum, gemeinsam dieser gebeutelten Branche aus der Krise zu helfen und einen Neustart zu ermöglichen. Das gilt sowohl für Arbeitnehmer, als auch für Arbeitgeber und besonders für die Arbeiterkammer.
Euer
Peter Dobcak