Joji Hattori: Auch ein Michelin-Stern ist vergänglich!

Dominik Köhler

Im Interview mit Gastro News erzählt der Spitzengastronom Joji Hattori über den Brückenschlag zwischen Musik und Restaurant, die Unbarmherzigkeit der Branche, den Plan eine eigene Kochschule zu eröffnen und sein erstes Buch „The Art of Shiki“.

Im März 2018 wurde das Shiki als erstes japanisches Restaurant Österreichs mit einem Michelin Stern ausgezeichnet. Gastro News hat den Betreiber, Musiker, Dirigenten und Gastronomen Joji Hattori zum Interview getroffen.

Gastro News: In jungen Jahren haben Sie Österreich verlassen um fortan in London zu leben und zu arbeiten. 17 Jahre später sind Sie zurückgekehrt. Warum?
Hattori: Zu dieser Zeit habe ich mein Geld als Musiker verdient. Mit der Gastronomie hatte ich noch nichts zu tun. London ist mir über die Jahre zu laut, zu stressig geworden. Das war zu dem Zeitpunkt meiner Ankunft noch anders. Früher war London eine verhältnismäßig ruhige europäische Großstadt. Gemütlich, mit vielen kleinen und aufregenden Ecken, trotz ihrer Größe. Diese Gemütlichkeit ist über die Jahre verloren gegangen. Ich habe über einen Umzug nach Frankreich, Österreich oder in die Schweiz nachgedacht und mich letztendlich für meine ehemalige Heimat entschieden. Heute bin ich glücklich verheiratet, habe eine Familie und fühle mich mit Wien verbunden. Verwurzelt könnte man auch sagen.

Gastro News: Vom erfolgreichen Musiker zum Ausnahme-Gastronomen. Ein spannender beruflicher Werdegang, der mit der Eröffnung des Shiki im Jahr 2015 seinen Anfang nahm. Was hat Sie zu diesem Branchen-Wechsel bewogen?
Hattori: Ich war schon immer ein sehr vielseitiger, offener und interessierter Mensch. Und ich liebe die Musik. Aber nicht alles an ihr. Denn gerade als Geiger können die Tage schnell sehr einseitig werden. Letztlich besteht die Arbeit eines internationalen Geigen-Solisten aus unzähligen Stunden des Übens. Alleine. Eine sich wiederholende Tätigkeit, die stets nach Perfektion strebt. Dabei wird das Handwerk schnell zum Maßstab und das Künstlerische geht verloren. Deshalb habe ich angefangen, zu dirigieren. Als Dirigent konnte ich mein Geschick als Unternehmer einbringen und war dankbar für die willkommene Abwechslung. Trotzdem hat etwas gefehlt.

Gastro News: Was meine Sie damit?
Hattori: In der klassischen Musik konnte ich meinen japanischen Hintergrund nicht vorteilhaft einbringen. Das hat mich gestört, zumal es sich in beinahe allen anderen Branchen und Gewerben anders verhält. Ein paar Beispiele: Wenn man Architekt ist, kann man japanische Designelemente in seine Entwürfe mit einfließen lassen. Als Anwalt kann man Kunden betreuen, die unter anderem japanische Partner haben. Als Arzt kann man die Erkenntnisse der japanischen Medizin in Europa nutzen und verbreiten. Fast jeder Beruf profitiert von der Kenntnis zweier Kulturen. Die klassische Musik bildet indes eine der wenigen Ausnahmen. Das ist verschwendetes Potential. Ich wollte also etwas machen, bei dem ich von meiner Vielschichtigkeit profitiere. So bin ich zur Gastronomie gekommen. Zu meinem Vorteil gab es in Europa nicht so viele gute japanische Restaurants. Mein Ehrgeiz war es also, das beste japanische Restaurant im deutschsprachigen Raum zu eröffnen.

Gastro News: Wie denken Sie heute über diesen Anspruch an sich selbst?
Hattori: Manche sagen es sei gelungen. In Österreich ist es auf jeden Fall gelungen.

Gastro News: Was bedeuten Ihnen prestigeträchtige Auszeichnungen diverser Guides, angefangen von der Falstaff Gabel bis zum Guide Michelin Stern?
Hattori: Ich messe unseren Erfolg an der Zufriedenheit der Gäste. Das ist das Wichtigste. Und im Gegensatz zu anderen Branchen haben die Restaurantbetreiberinnen und Betreiber das Glück, nur von den Besuchern abhängig zu sein. Denn selbst bei einer schlechten Bewertung oder einem negativen Kommentar im Internet bleibt der Betrieb bestehen, solange die Stammkunden zufrieden sind. Natürlich habe ich mich trotzdem wahnsinnig über den Michelin-Stern gefreut, mit dem das Shiki im Jahr 2018 ausgezeichnet wurde. Aber nicht nur für mich, sondern vor allem für mein Küchenteam.

Gastro News: Auf die Freude über eine öffentlichkeitswirksame Auszeichnung folgt stets der Druck, dieser gerecht zu werden. Wie denken Sie darüber?
Hattori: Das Spannende an beispielsweise einem Michelin-Stern ist natürlich seine Vergänglichkeit. In der Gastronomie wird man jährlich auf die Probe gestellt. Das ist knallhart und darf nicht vergessen werden. Ein Michelin Stern kann von einem auf den anderen Tag weg sein. Das ist natürlich ein Stress, mit dem nicht jeder umgehen kann. Es geht um eine Momentaufnahme. Ein Unfall kann einen Stern kosten. Und dann fragt niemand, wie die Tage davor oder danach waren. Ein Moment, der alles entscheidet. Wir sind daher bemüht, unseren Gästen all unsere Gerichte in Perfektion an den Tisch zu bringen.

Gastro News: Um ihre Gerichte zu erleben, muss man seit Kurzem aber nicht mehr zwingend ins Shiki kommen. Denn Sie stellen eben diese im gerade erst erschienenen Buch „The Art of Shiki“ vor. Warum hat es sechs Jahre gedauert?
Hattori: Das ist ganz einfach. Meine Köche haben schlichtweg keine Zeit für Projekte dieser Größe neben dem Alltag im Shiki. Der Lockdown kam dafür gerade recht. Obwohl ich bereits vor der verordneten Schließung des Betriebs an einem Buch gearbeitet habe, das schon zum fünfjährigen Jubiläum erscheinen sollte. Das war aber ein viel kleineres Projekt, als das Art of Shiki nun geworden ist.

Gastro News: Diverse prominente Gäste aus Wien haben sich zur Buch-Präsentation im Shiki versammelt. Ist es als erfolgreicher Gastronom heute ein Muss, regelmäßig das „Who-is-Who“ der Stadt im Betrieb willkommen zu heißen?
Hattori: Für mich persönlich ist es nicht wichtig. Aber ich freue mich natürlich, wenn uns regelmäßig Kolleginnen und Kollegen aus der Musik-Branche besuchen. Aber auch aus allen anderen Bereichen. Mir geht es dabei nicht um Prominenz, sondern um Unterhaltungen und angenehme Gespräche. Der Standort, also unsere Location nicht unweit der Wiener Staatsoper, ist natürlich auch von Vorteil. Eine gute Werbung ist es auf jeden Fall. Das muss man schon sagen.

Gastro News: An welchen Projekten im oder abseits vom Shiki arbeiten Sie gerade?
Hattori: Ich möchte ein Art Schule für professionelle Köche gründen, die sich auf die japanische Küche konzentriert. Es gibt unglaublich wenig Möglichkeiten für einen Koch außerhalb von Japan, die Kunst der japanischen Küche zu lernen. Die besten japanischen Kochschulen sind fast ausschließlich in Japan, wo in japanischer Sprache unterrichtet wird. Als Nicht-Japaner hat man kaum Chancen, da hineinzukommen. Obwohl es so viel internationales Interesse dafür gibt. Ich hätte daher gerne die Ausbildung von interessierten Köchen gefördert. In welcher Form, daran arbeite ich noch. Die Pandemie hat die Planung und Eröffnung der Shiki Schule bis auf weiteres verschoben. Aber die Idee ist natürlich noch vorhanden.

Gastro News: Wenn Sie das Restaurant Shiki in wenigen Worten beschreiben müssten, wie würden diese lauten?
Hattori: Liebe für die Gäste!

Gastro News: Danke für das Gespräch!

Restaurant Shiki
Adresse: 1010, Krugerstraße 3, 1010 Wien
Telefon: 01 5127397
Website: https://www.shiki.at

Joji Hattori ©Sandra Slusna
Vorbereitung des Abend-Geschäfts ©Sandra Slusna
The Art of Shiki ©Sandra Slusna
Elegantes Interieur im Restaurant Shiki ©Sandra Slusna