Heilige Kühe schlachten

Michaela Reisel

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„Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit!“. Dieses bekannte Sprichwort hat mehr denn je Gültigkeit. Jeden Tag lesen oder hören wir aus den Medien wie rasch sich für Unternehmen Umfeld und Anforderungen ändern und deshalb größte Flexibilität notwendig ist um bestehen zu können. Auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind Unternehmen allerdings auf die vom Gesetzgeber gestalteten Rahmenbedingungen. Obwohl so gerne Musterschüler wenn es um Auflagen geht, scheut sich der Gesetzgeber in Österreich in kritischen Bereichen einen völligen Neustart zu wagen. Zum Beispiel das Arbeitnehmerschutzgesetz aus dem Jahre 1969. Es gab seither 32 Änderungen bzw. Ergänzungen. Dazu kommen noch eine Unmenge von Kollektivvertragsvereinbarungen und individuellen Betriebsvereinbarungen. Und noch immer wird ergänzt, weggestrichen, verhandelt und gefeilscht. So wie in der Lohnverrechnung, auch so ein Thema, sind die Vorgaben so zahlreich und kompliziert geworden, so dass wir für jeden Schritt einen Experten brauchen. Denken wir nur an die Arbeitszeitaufzeichnungen.

Frage: Wer von uns Gastronomen hat tatsächlich völlig wasserdichte Aufzeichnungen, die sowohl bei einer Kontrolle durch den Arbeitsinspektor als auch bei einem eventuellen Rechtsstreit am Arbeitsgericht halten? Wer trägt die Pausen richtig ein? Wer lässt die Aufzeichnung täglich(!) von seinen Mitarbeitern unterschreiben? Ich kenne nur wenige KollegInnen die das machen.

Vieles davon könnten wir uns ersparen, würde der Gesetzgeber seinen Bürgern und Bürgerinnen in der Arbeitswelt ein wenig mehr vertrauen. Es kann nicht alles bis zum Punkt und Beistrich reglementiert werden, das zeigt uns die tägliche Praxis. Völlige Kontrolle bedeutet für mich in letzter Konsequenz Stillstand. Das Thema Freiheit möchte ich hier gar nicht beginnen zu diskutieren.

Seit Jahren kommen immer mehr nicht heimische EU-Bürger nach Österreich um zu arbeiten. Viele davon aus den östlichen Nachbarländern. Nur zu gerne würden diese Mitarbeiter z.B. ihre Wochenstunden in 3 oder 4 Tagen abarbeiten um den Rest der Woche bei ihren Familien im Heimatland verbringen zu können. Das ist derzeit kaum oder nur mit Betriebsvereinbarung bzw. Einverständnis des Arbeitsinspektors und bei arbeitsmedizinischer Unbedenklichkeit möglich. So vorsichtig und hypothetisch sich zum Beispiel die Beurteilungen der MA15 (Gesundheitsamt) lesen wird das eher schwierig.

Es gibt allerdings sehr wohl Branchen die solchen Arbeitszeitbedarf durch Schichtdienst abdecken, wie Krankenhäuser, Verkehrsbetriebe, Feuerwehr, Polizei, Automobilindustrie,  Flugverkehrskontrolle und Fluglinien selbst. Warum nicht auch in der Gastronomie?

Gemeinsam mit meinen Kollegen aus dem Fachverband werde ich noch diesen Sommer das Gespräch mit der Gewerkschaft suchen um im Rahmen „Kollektivvertrag neu“ auch flexible Arbeitszeitmodelle zu diskutieren. Glücklicherweise haben wir mit den Gewerkschaftsvertretern der Gastronomie Gesprächspartner die durchaus bereit sein könnten, den Anforderungen der Zeit gemäß, auch heilige Kühe zu schlachten.

 

Euer

Peter Dobcak