Von Peter Dobcak
Viele Jahre schon stöhnt die Wirtschaft unter immer größer werdender bürokratischer Belastung. Legionen an Interessenvertretern, beginnend von der Wirtschaftskammer über die Industriellenvereinigung bis zu privaten Interessenvertretungen, bemühen sich seit Jahrzehnten um Vereinfachung oder Abschaffung dieser Vorschriften. Mit mehr oder weniger gutem Erfolg, wie die stetige Verlangsamung des Systems bestätigt.
Große Hoffnung hat die Unternehmerschaft in die neue Bundesregierung gesetzt, die das Thema Entbürokratisierung auch mit vollem Elan angegangen ist. Besonders wir in der Gastronomie würden von den angesagten Entlastungen und Erleichterungen enorm profitieren. Nun, über die vergangenen Jahrzehnte hat sich die ÖVP in der Wahrnehmung der Bevölkerung als jene Partei etabliert, die eher auf die Wirtschaftstreibenden schaut und die SPÖ mehr auf die ArbeitnehmerInnen und deren Bedürfnisse – bis zum Jahr 2019.
Mit einem gewaltigen Paukenschlag hat die Wiener SPÖ, genauer der zuständige Gesundheitsstadtrat, mit seinen Doktrin die potentiell größte Entbürokratisierung und damit Entlastung der Gastronomie und anderer Branchen eingeleitet. Nach Stadtrat Hacker wird in Zukunft anhand von 4 Kriterien entschieden, ob ein Gesetz zu vollziehen ist oder nicht:
1) Nach der moralischen Vertretbarkeit – ist ein Gesetz mit meinen moralischen Wertvorstellungen vereinbar?
2) Nach der sozialen Verträglichkeit – ist ein Gesetz für die Betroffenen sozial verkraftbar?
3) Nach der wirtschaftlichen Zumutbarkeit – welche Kosten entstehen jenen, die das Gesetz zu befolgen haben und sind diese wirtschaftlich zu stemmen?
4) Nach dem bürokratischen Aufwand – erhöht die Umsetzung des Gesetzes den verwaltungstechnischen Aufwand in unzumutbarer Weise?
Was meine Branche die Gastronomie betrifft, öffnen diese Kriterien ungeahnte Möglichkeiten des Wachstums und der wirtschaftlichen Prosperität für die Unternehmer und die Mitarbeiter. Der Betreiber eines Gastronomiebetriebes entscheidet in Zukunft selbst, welche Gesetze und Auflagen in seinem Betrieb eingehalten werden.
1) Der Würgegriff des Staates durch schier unendliche Auflagen, Vorschriften und Abgaben gefährdet das Fortkommen vieler Unternehmen in moralisch nicht vertretbarem Ausmaß.
2) Die vor 2 Jahren deutlich angehobenen Schanigartentarife haben in den besonders betroffenen Zonen zu einer Verzehnfachung der Gebühr geführt. Um dies aufzufangen mussten Mitarbeiter entlassen werden. Sozial völlig unzumutbar, um nur eines von vielen Beispielen zu nennen.
3) Der Gesetzgeber schreibt vor, dass bei Änderungen in der Betriebsanlage die gesamte Betriebsanlage auf den neusten Stand gebracht werden muss. Dies hat oftmals Investitionen zur Folge, die für die Betriebe nicht finanzierbar sind. Ähnliches gilt für Neugenehmigungen, die durch im Baufortschritt immer neu hinzukommende Auflagen, kaum mehr finanzierbar sind und manchmal schon vor Eröffnung zum Konkurs führen.
4) Hunderte Stunden an Rezeptanalyse waren notwendig um der vor einigen Jahren eingeführten Allergenverordnung zu entsprechen. Alles natürlich auf Kosten der Unternehmer. Um die bürokratische Belastung zu schaffen, sehen sich immer mehr Betriebe gezwungen eigene Mitarbeiter anzustellen, die helfen, den Verwaltungsaufwand zu bewältigen. Wenn es sich das Unternehmen leisten kann. Wenn nicht, sitzt der Wirt an den Ruhetagen und arbeitet das ab.
Im ersten Moment klingt die Idee des Herrn Stadtrat bestechend gut. Allerdings wird jeder denkende Mensch in unserem schönen Land sofort erkennen, dass hier an den Grundfesten des Rechtsstaates gerüttelt wird. Wir haben eine blutig erkämpfte Gewaltenteilung, das scheint offensichtlich vergessen worden zu sein. Die demokratisch und mit Mehrheit von der Bevölkerung gewählte Legislative macht die Gesetze, die wir selbstverständlich zu befolgen haben. Nur darüber nachzudenken, ob diese einzuhalten sind oder nicht ist brandgefährlich und in Zeiten wie diesen ein absolut verantwortungsloses Ansinnen.
Übrigens muss man als Volksvertreter einen Amtseid auf die Einhaltung der österreichischen Gesetze ablegen. Das scheint der Herr Stadtrat scheinbar auch vergessen zu haben. Bundesgesetze zu ignorieren macht im Rathaus mittlerweile Schule, denn Frau Stadträtin Sima hat sich mit dem verordneten absoluten Rauchverbot auf den Wiener Märkten ebenfalls über ein Bundesgesetz hinweg gesetzt. Aber das ist eine andere Geschichte.
Man möge mir den leicht polemischen Text verzeihen, soll er doch auf den hohen Wert unserer Rechtsordnung hinweisen und daran erinnern, dass die zwangsläufig folgende Anarchie auch keine nachhaltige Lösung ist.
Euer
Peter Dobcak