Giovanni Marino: Gastronomie ist eine große Show!

Dominik Köhler

Das Betreiberpaar Marion im Restaurant Dal Toscano ©Culinarius

Im Interview mit Gastro.News spricht der stadtbekannte Gastronom Giovanni Marino über den Kampf gegen die Preisexplosion, den Vorteil von Zurückweisung und verrät das Geheimnis richtig guter italienischer Küche.  

Der Küchenchef und Restaurantbetreiber Giovanni Marino ist seit über 50 Jahren in der Gastronomie tätig. Um die ganze Welt gereist war es seine Frau, die ihn in Wien sesshaft und den Traum vom eigenen Restaurant Wirklichkeit werden ließ. Gastro.News hat zum Gespräch gebeten.

Gastro.News: In welchen Ländern hast du, bevor du nach Wien gekommen bist, berufliche Erfahrungen sammeln können?
Marino: Ich war unter anderem in England, Spanien und Amerika, wo ich sowohl in Kalifornien, als auch in Florida gearbeitet habe. Damals aber noch im Auftrag für eine große Hotelkette. Ich wollte immer reisen, denn nur in Italien zu bleiben habe ich schon damals als wenig ansprechend empfunden. Ich konnte viele tolle Leute kennenlernen und mir so manche Türe damit öffnen.

Gastro.News: Trotzdem bist du nach deiner Ankunft in Wien geblieben.
Marino:
Stimmt. Ich wusste immer, dass der Tag kommen wird an dem ich keine Lust mehr habe zu reisen und ständig aus dem Koffer zu leben. Und, dass ich ein eigenes Lokal eröffnen möchte. In Wien habe ich meine Frau kennengelernt. Das hat alles verändert. Wir haben viel geredet und ich konnte sie von meiner Idee überzeugen, den Schritt in die Selbständigkeit mit mir zu wagen. Das Lokal hat dann sie für uns gefunden.

Die offene Küche direkt am Eingang des Restaurants ©Sofia Kabelka

Gastro.News: Was für ein Lokal oder Betreib war vor deiner Übernahme hier beheimatet?
Marino: Keines. Das war ein leeres Lager. Wir haben alles selber gebaut, von der Küche bis zur Schank. Begonnen haben wir damals mit zwei Flammen, einem Topf und einem Kochlöffel. Und drei Stehtische gab es auch.

Gastro.News: Warum Stehtische?
Marino: Wir wollten vorerst kein ´richtiges´ Restaurant machen, sondern einen Ort schaffen, wo man schnelle ehrliche Gerichte auch zum Mitnehmen bekommt. Eine Art Osteria mit Antipasti, Wein an der Bar und flotten Speisen. Das hat auch gut funktioniert aber die Leute wollten mehr. Und ich irgendwann auch. Jetzt haben wir viele Tische, 25 Gerichte auf der Karte und eine tollte Atmosphäre. Bis heute bereue ich keinen meiner Schritte, die uns als Paar und Familie hierher geführt haben.

Gastro.News: Gibt es Momente deiner gastronomischen Vergangenheit, an die du dich bis heute gerne zurückerinnerst?
Marino:
Die gibt es. Ich habe zum Beispiel zwei Mal für den Fernsehsender ORF 2 und ein Mal für den Bundespräsident in der Dominikanischen Republik gekocht. Wir haben uns dort mit Händen und Füßen verständigt, anders ging es nicht. Das war schon aufregend. Damals habe ich auch verstanden, wie gut das Feedback für meine Pasta ist, die ich natürlich bis heute im Restaurant Dal Toscano zubereite.

Gastro.News: Wie lange bist du mit deinem Lokal schon Teil der Wiener Gastronomie?
Marino: Das Lokal habe ich seit 17 Jahren und in der Zeit auch für ganz tolle Leute kochen dürfen. Dazu zählen unter anderem der österreichische Bundespräsident, aber auch Ex-Bundeskanzler Werner Faymann war hier, genau wie diverse Sportler und bekannte Wiener Vereine. Für die italienische Fußball-Nationalmannschaft habe ich 2008 gekocht. Und die Journalisten von damals kommen bis heute. Das sind tolle Erinnerungen, die es so nur in der Gastronomie gibt. Am wichtigsten sind aber die Gäste an den ganz gewöhnlichen Tagen, jeder und jede von ihnen. Menschen die zu mir kommen und fragen ´kochst du heute gut für mich´ und ich jedes Mal antworte ´Nein, ich koche gut für alle´. Hauptsache die Qualität stimmt, egal wer du bist, was du arbeitest oder woher du kommst. Wenn ich koche mache ich es entweder gut, oder überhaupt nicht.

Gastro.News: Was zeichnet deine Pasta aus?
Marino:
Entscheidend ist die Qualität der Rohprodukte, das ist klar. Mehl ist nicht gleich Mehl und Gries nicht gleich Gries. Wenn ich ein Kilogramm Mehl um 42 Cent kaufe, kann ich nicht die Qualität von Pasta und Brot erwarten, die man mit einem hochwertigeren Produkt erzielen kann. Das hat mit dem Markennamen aber nichts zu tun. Und ganz wichtig ist auch die Zeit. Die brauchen unsere Nudeln und unser Brot. Mit Eile hat nämlich noch niemand eine gute Pasta zubereitet.

Die Nudeln entstehen stets in Handarbeit ©Sofia Kabelka

Gastro.News: Und wenn es ein Gast mal eilig hat?
Marino: Wenn jemand zu uns kommt und sagt er hat nur fünf Minuten Zeit für ein Essen, dann schicke ich ihn weg, inklusive Wegbeschreibung zum nächsten McDonalds. Das interessiert mich nicht. In fünf Minuten mache ich Garnichts. Sonst zahlen die Gäste 13 Euro für ihr Gericht und gehen unzufrieden nach Hause. Aber wenn man sich die Zeit nimmt und mir die Zeit gibt, dann kommen die Gäste garantiert wieder. Das ist meine Philosophie.

Gastro.News: Doppelte Tischbuchungen gibt es in der Dal Toscano wie man hört nicht, warum?
Marino: So etwas machen wir nicht. Wenn das Lokal voll ist, ist es voll. Dann sage ich, kommen sie morgen wieder, dann habe ich einen Tisch für Sie. Die Gäste müssen sitzen, genießen, entspannen, trinken, reden und Spaß haben.

Gastro.News: Hast du keine Sorge, weggeschickte Gäste zu verlieren?
Marino:
Überhaupt nicht, Wegschicken ist nämlich nicht schlecht. Manchmal sage ich dazu, wenn du unbedingt später wiederkommen möchtest, gebe ich dir die Schlüssel gleich mit. Das ist noch immer gut angekommen. Ein bisschen Spaß braucht es, um als Gastgeber die Leute zu erreichen. Dann stimmen auch Umsatz und Geschäft.

Die Gastronomie ist eine Show, und wer eine gute Show macht, hat auch Erfolg.

Giovanni Marino

Gastro.News: Wie geht ihr in der Dal Toscano mit der aktuellen Personalsituation der Branche um?
Marino: Vor Corona hatten wir verglichen mit heute doppelt so viele Mitarbeiter. Gekündigt habe ich aber niemanden. Sie wollten zurück in die Heimat nach Tirol. Die restlichen Mitarbeiter haben wir gehalten. Und ich arbeite eben mehr.

Gastro.News: Musstet ihr die Preise der Speisen aufgrund der zuletzt teurer gewordenen Lebensmittel und Energie anheben?
Marino: Nein. Wir haben die Preise bislang nicht verändert. Und solange wir es schaffen wird sich das auch nicht ändern. Natürlich wissen wir, dass die meisten Kolleginnen und Kollegen aus der Branche den einen oder anderen Euro teurer geworden sind, bei uns zahlen die Gäste aber nach wie vor so viel wie im Jahr 2019.

Gastro.News: Wie geht sich das aus, ohne Verlust zu schreiben?
Marino: Wir haben unseren Einkauf verbessert. Wir kaufen jetzt zum Beispiel eine ganze Kuh, die ich zerlegen lasse und jeden Teil von ihr verwerte. Auch die Wurst mache ich mittlerweile selber. Dank der Kuh im Ganzen spare ich 30 bis 40 Prozent.

Gastro.News: Dafür steigt der Arbeitsaufwand.
Marino: Natürlich. Aber warum soll ich die Kosten an meine Gäste weitergeben? Ich arbeite lieber mehr, habe dafür aber zufriedene Leute in meinem Lokal.

Gastro.News: Wird das erkannt und vor allem auch anerkannt?
Marino: Ja, klar. Und die Qualität ist dadurch sogar noch besser geworden. Ohne mein Team in der Küche wäre das aber alles nicht möglich.

Gastro.News: Ein ganz wichtiger Teil des Teams ist deine Frau, wie gelingt euch der Spagat zwischen Arbeit und Privatleben?
Marino:
Auch wir haben das erst lernen müssen und natürlich gibt es ab und an auch Krach. Aber wir haben es immer geschafft uns rasch wieder zu vertragen und die Arbeit, Arbeit sein zu lassen. Wir verfolgen den selben Traum und unsere Bereiche sind klar getrennt. Als Mann habe ich auch gelernt oft nachzugeben. (lacht)

Gastgeber mit Leib und Seele ©Sofia Kabelka

Gastro.News: Ihr habt einen gemeinsam Sohn. Wünscht du dir, dass er die Dal Toscano in Zukunft weiterführt?
Marino: Einerseits ja, andererseits nein. Die Tradition zu erhalten ist natürlich eine Freude aber die damit verbundenen Anstrengungen nur schwer aufzubringen. Ich weiß nicht, ob er dafür bereit sein wird. Man muss auf so viel verzichten, wenn man sich für ein Leben in der Gastronomie entscheidet.

Gastro.News: Zum Beispiel?
Marino: Echte Freunde hat man nur wenige. Man arbeitet in der Nacht und am Wochenende. Um 17:00 Büroschluss machen und Kumpels treffen gibt es nicht. Aber wie gesagt, die Entscheidung muss am Ende er selbst treffen. Vielleicht wird er auch ein großartiger Fußballer, dafür interessiert er sich im Moment sehr.

Gastro.News: Wo findest du die Inspiration für neue Gerichte?
Marino:
Dazu brauche ich nicht mehr als ein gutes Produkt in meiner Hand. Und schon beginnt das Gehirn zu rattern und die Ideen kommen von ganz alleine. Dann kreiere ich eine neue Pasta, Vorspeise oder einen Hauptgang rund um die Zutat. Aber ich lese und schaue auch viel in den sozialen Medien. Ab und zu gefällt mir was, das ich dann auf meine Art interpretiere. Aber auch die Erinnerungen an meine Jugend inspirieren mich bis heute bei der Kreation neuer Gerichte. Damals war die Bandbreite an Produkten natürlich viel kleiner, aber die Basis hat unfassbar großes Potential.

Beste Produkte sind hier garantiert ©Sofia Kabelka

Gastro.News: Was macht gute italienische Küche aus?
Marino: Das wichtigste bei der italienischen Küche ist die Basis. Einfach gesagt, das Olivenöl. Und da lasse ich auch nicht mit mir reden. Wer italienisch kocht, braucht gutes Olivenöl. Keine Butter oder Margarine. Wir beziehen unser Olivenöl aus der Toskana. Überhaupt kommen fast alle Produkte die wir hier verarbeiten aus Italien. Made in Italy, dafür stehen wir. Außerdem spart man durch den Import auch den einen oder anderen Euro. Das zahlt sich schon aus.

Gastro.News: Wie nah stehst du deinen Gästen in der Dal Toscano?
Marino: Dazu ist erstmal zu sagen, dass meine Küche offen und einsehbar ist. Wer zu uns ins Lokal kommt muss zuerst an mir vorbei. Ich gehe entgegen und begrüße jeden einzeln. Der erste Kontakt in der Dal Toscano ist mit mir. Ich habe hier keine Geheimnisse und die Gäste vertrauen mir. Das ist das Geheimnis von Erfolg, man muss zu seinen Gästen ehrlich sein, immer grüßen und die Unterhaltung suchen. Die Gastronomie ist eben auch eine Show, und wer eine gute Show macht, hat auch Erfolg.

Gastro.News: Vielen Dank für das Gespräch.

Gastro.News empfiehlt den Besuch der Dal Toscano zum Genuss-Event: La Sera Del Tartufo in der Trattoria dal toscano

Dal Toscano
Adresse: Alser Straße 65, 1080 Wien
Telefon: 0699 11304371 
Website: Dal Toscano

Ein Ort der Gemütlichkeit ©Sofia Kabelka