Um die Krise zu überstehen musste die junge Unternehmerin und Geschäftsführerin der Soul Kitchen, Farangis Firozian bereits große Opfer bringen. Mut, Zuversicht und die Liebe zur Branche lassen sie aber durchhalten. Ob das reicht, darüber spricht sie im Interview mit Gastro News.
Die talentierte Gastronomin Farangis Firozian ist eine waschechte Kämpferin. Um den eigenen Betrieb in der Corona-Krise zu erhalten, werden keine Opfer und Mühen gescheut und trotzdem ist die Lage ernst. Gastro News hat die Powerfrau zum Interview getroffen und einen Einblick in die Situation hinter den Kulissen der Soul Kitchen bekommen.
Gastro News: Die Soul Kitchen ist ein Ort der dazu einlädt die Füße hochzulegen und alle Sorgen einen Moment lang zu vergessen. Wie sind Sie zu diesem außergewöhnlichen Standort gekommen?
Firozian: Da muss ich ein bisschen ausholen, denn die Soul Kitchen ist nicht mein erstes Lokal. Im Jahr 2015 habe ich mit meinem damaligen Partner das Bits & Bites im 6. Bezirk eröffnet. Ein kleines fine-dining Etablissement mit gerade einmal sieben Tischen. Das war eine sehr spannende und auch erfüllende Zeit. Aber ich wollte mehr. Ich wollte einen Ort erschaffen wo sich Kulinarik, Musik und Kultur begegnen. Die Soul Kitchen ist meine Art diese drei Welten zusammenzuführen und eine daraus zu machen.
Gastro News: Sie haben eine stark ausgeprägte künstlerische Ader. Wie wichtig ist Ihnen die Verbindung von Musik und Kulinarik?
Firozian: Musik verbindet, genau wie Essen. Diese zwei Leidenschaften brennen in meiner Brust und das nicht erst seit heute. Ich war gerade mit der Band „Deladap“ auf Tour als wir das Bits & Bites gegründet haben. Damals habe ich im Tourbus Dienstpläne erstellt, Reservierungen bearbeitet und mit Kunden telefoniert. Ein Leben als Musikerin und Gastronomin parallel zu führen, war eine enorme Belastung. Hat aber auch verdammt viel Spaß gemacht. Das Bits & Bites war für die Ideen die ich damals hatte und noch verwirklichen wollte einfach zu klein. Etwas Größeres musste her.
Gastro News: Der nächste Schritt führte Sie in die Soul Kitchen, an einen ungewöhnlichen Standort im Innenhof des Bundesamtsgebebäudes im dritten Bezirk. Welche Vorteile ergeben sich aus der Lage mitten im Arbeiterviertel?
Firozian: Hier arbeiten über 5.000 Beamte aus allen Ministerien. Das sind Menschen an der Wurzel des Staatsapparates, die wir versuchen positiv zu beeinflussen. Mit unserem Essen und unserer Energie. Wir sind zudem ein sehr nachhaltiges Restaurant, mit eigenen Biofeldern von denen wir unser Gemüse beziehen. Die Abschnitte und Reste aus dem Tagesgeschäft wandern zurück auf das Feld. Unser Innenhof ist ein Urban Garden. So entsteht ein Kreislauf, ein Konzept das mir persönlich sehr wichtig ist. Damit versuchen wir eine Art Vorbildwirkung zu erzeugen, die wir in unserem gesamten Schaffen so gut es geht nach außen tragen. Das schätzen auch unsere Gäste aus dem Bundesfinanzgericht.
Gastro News: Heute führen Sie den Betrieb alleine. Warum hat die Zusammenarbeit mit deinem ehemaligen Partner aus dem Bits & Bites in der Soul Kitchen nicht mehr funktioniert?
Firozian: Mein Partner ist letztes Jahr ausgestiegen. Die Soul Kitchen ist weniger ein fine-dining Restaurant, als ein verlängertes Wohnzimmer mit einem schönen Garten. Es ist ein Secret Spot mitten in Wien. Wir sind nicht in der Auslage, haben kaum Laufkundschaft und sind auch nicht von den Touristen abhängig. Wer zu uns kommt weiß was ihn erwartet. Geniale Food-Pairings, mit internationalen Rezepten und Köchen, modern zubereitet und zeitgemäß angerichtet.
Gastro News: Viele Gastronomiebetriebe leiden stark unter dem fehlenden Städtetourismus. Welche Herausforderungen haben sich in der Soul Kitchen seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie besonders bemerkbar gemacht?
Firozian: Was uns natürlich trifft ist der Wegfall von Events und Veranstaltungen. Davon planen und gestalten wir nämlich einige. Das ist hart, aber nicht zu ändern. Natürlich bin ich mir im Klaren darüber, dass viele meiner Kollegen beispielsweise Brunch-Boxen anbieten um das Geschäft zu beleben. Ich bin aber kein Freund davon. Und auch meine Begeisterung für Essen To-Go, oder direkt bis vor die Wohnungstüre geliefert, hält sich in Grenzen. Das kommt noch aus meiner Zeit im Bits & Bites Dort habe ich gelernt, dass gutes Essen aus der Küche auf den Teller zum Gast geht. Ohne Umwege und nicht weiter. Das Take-Away Geschäft bricht mit dieser Regel und damit auch zu einem gewissen Grad mit der Philosophie die wir hier Tag für Tag leben und auch lieben. Farm to table & slow food.
Gastro News: Dennoch können auch Gerichte der Soul Kitchen mitgenommen und in den eigenen vier Wänden genossen werden. Wie kam es dazu?
Firozian: Gezwungenermaßen ist das möglich, ja. Ich habe mich aber so lang es ging mit Händen und Füßen dagegen gewehrt. Im ersten Lockdown haben wir kein Take-Away angeboten. Keinesfalls war die Devise. Das ist nicht die Art wie unsere Gerichte präsentiert und genossen werden sollen. Aber auch wir mussten uns der Situation stellen, wenn man so will geschlagen geben.
Gastro News: Wie geht es dem Team der Soul Kitchen?
Firozian: Dem Team geht es den Umständen entsprechend gut, wir halten zusammen. In der Soul Kitchen arbeiten nur Nerds. Ich bin ein Nerd, meine Restaurantleiterin ist ein Nerd und der Rest meines Teams genauso. Das gefällt uns und ist Teil unserer Identität. Kochen ist eine Wissenschaft, da tut es gut Nerds zu haben die ihr Fach verstehen. Besonders wichtig ist das bei der Kreation unserer Gerichte. Spannende Food-Pairings sind ein elementarer Bestandteil der kulinarischen Handschrift des Restaurants. Das gelingt aber nur wenn Expertise und Wahnsinn im Gleichgewicht sind. Dabei bleiben wir an den authentischen Wurzeln von internationalen Gerichten und bereiten diese mit französischem Perfektionismus und Modern Cuisine Ansätzen zu.
Gastro News: Die Bundesregierung hat eine Öffnung der Schanigärten ab dem 27. März in Aussicht gestellt. Wird die Soul Kitchen den Außenbereich öffnen?
Firozian: Natürlich werden wir öffnen. Wir können es kaum erwarten unseren wunderschönen urban-Garden wiederzubeleben. Daran arbeiten wir in den nächsten Wochen um perfekt vorbereitet zu sein. Alles wird begrünt und Hochbeete werden aufgestellt, mit allerlei Kräutern und essbaren Blüten. Die Optik, der Duft und die Frische sind eine Wohltat nach dem grauen Winter. Das schätzen auch unsere Gäste. Zudem arbeiten wir an einem wie ich finde besonders coolen Projekt. Mit ein bisschen Glück und der Einverständniserklärung unseres Vermieters, werden wir in Zukunft eigenen Honig auf dem Dach des Bundesfinanzgerichts anbauen. Das wäre richtig spannend.
Gastro News: Apropos Spannend. Sie waren bei der Pressekonferenz mit Gastronom Berndt Querfeld und den Wirtschaftssprechern Schellhorn und Matznetter. Dabei haben Sie auf den Ernst der Lage aufmerksam gemacht, in dem sich die Soul Kitchen befindet. Haben die Hilfsmittel durch den Staat nicht gereicht?
Firozian: Noch ist keine echte finanzielle Unterstützung vom Staat angekommen. Das führt unweigerlich in eine finanzielle Schieflage. Der Grund dafür ist einfach. Mein Partner ist im März 2020 aus dem gemeinsamen Projekt Soul Kitchen ausgestiegen. Darum haben wir eine neue Steuernummer bekommen. Und das ist schon Grund genug, den gesamten Unterstützungsapparat außer Gefecht zu setzen. Natürlich habe ich einen Anspruch. Immerhin habe ich auch die Kredite, Pflichten und die zu zahlenden Steuern aus der Zeit übernommen. Und die Soul Kitchen gibt es bereits seit dem Jahr 2018. Jetzt warte ich schon vier Monate auf eine Überweisung. Es geht ja um die Zeit der Überbrückung. Die muss man als Unternehmer überleben. Wenn wir wieder öffnen dürfen kann ich wirtschaften, Umsätze generieren und den Betrieb und die Mitarbeiter halten. Das Geld fehlt aber jetzt!
Gastro News: Welche Opfer mussten gebracht werden um den Betrieb zu erhalten?
Firozian: Der erste Lockdown hat mich dazu gezwungen mein Auto zu verkaufen. Das Leben als Unternehmerin, vor allem aber als Gastronomin ist ohne Auto ungemein anstrengend. Wir haben uns damals mit Müh und Not in den Sommer gerettet, bis wir endlich wieder durchstarten durften. Die Zeit haben wir dann richtig genossen. Balsam für die Seele und wichtig für das gesamte Team und unsere Gäste. Im September 2020, mitten in der Corona-Krise, haben wir den höchsten Umsatz seit der Eröffnung im Jahr 2018 gemacht. Das war ein klares Zeichen dafür, wie gut unser Konzept angenommen wird und wie wertvoll der Standort in geöffnetem Zustand ist.
Gastro News: Heute befindet sich die Gastronomie nach wie vor im bereits dritten Lockdown. Und das schon seit Monaten. Wie geht es der Soul Kitchen, hat sich die Situation nach dem Sommer gebessert?
Firozian: Leider nein. Die Situation könnte kaum ernster sein. Der finanzielle Einbruch nach dem Sommer war hart und die fehlende Unterstützung durch den Staat bringt uns erneut an den Rand des noch Möglichen. Ich liebe mein Team, die Dynamik im Lokal und die Arbeit für unsere Gäste. Dafür kämpfe ich wie eine Löwin. Wir haben das Haus meiner Eltern verkaufen müssen um den Betrieb zu erhalten. Das Geld aus dem Umsatzersatz fehlt und eine andere Möglichkeit gab es nicht. Nur ein Schritt neben der Norm wie eine neue Steuernummer und das System bricht zusammen und die eigene Existenz ist bedroht. Et voila: Bürokratisches Versagen.
Gastro News: Ausgehend vom worst-case-Szenario und damit von einer Verlängerung des Lockdowns für die Gastronomie, steht ein Ende für die Soul Kitchen im Raum?
Firozian: Definitiv. Die Einnahmen die wir über das Take-Away Geschäft umsetzen reichen nicht. Der Mittagstisch hilft mir um einen Teil der Kosten zu zahlen, Wareneinkäufe tätigen zu können und meine Mitarbeiter zu halten. Um das auch in Zukunft gewährleisten zu können, bin ich gerade dabei in eine kleinere Wohnung zu ziehen. It´s hard. Manchmal glaube ich, ich bin in einem Alptraum. Aber als Entrepreneur und Unternehmer muss man hart sein, hart bleiben wenn es schwierig wird und alle Hürden nehmen wie sie kommen. Die Gastronomie ist eine Branche die nicht verzeiht mit wankelmütigem Gemüt. Aber es ist auch die Branche mit dem meisten Herzblut, der größten Leidenschaft und der ehrlichsten Freude. Wir halten zusammen und kommen gemeinsam durch die Krise. Eigentlich untypisch für Wien, aber schön.
Gastro News: Danke für das Gespräch.