Es muss nicht immer Wein sein. Alkoholfreie Alternativen als Speisenbegleitung oder an der Bar werden immer beliebter. Auch diverse Anbieter erkennen die ökonomische Relevanz von Menschen, die auf Alkohol verzichten – oder einfach noch mit dem Auto heimfahren müssen.
Es ist ein Sturm im Wasserglas. Und der könnte das Wasser bald aus seinem angestammten Revier verdrängen. Die Rede ist dabei einmal nicht vom medial viel diskutierten Gläschen zum Kaffee. Vielmehr geht es um das Glas Wasser, mit dem Nichttrinker oftmals abserviert werden, während sich der Rest der Tischgesellschaft durch die Weinkarte kostet. Denn auf diesem Gebiet ist gerade einiges im Fluss.
Essig im Glas
Auf den ersten Blick irritierend klingen mag da zum Beispiel die zunehmend populäre Nische der Trinkessige. Pionier auf dem Gebiet ist etwa der Wiener „Essigpapst“ Erwin Maximilian Gegenbauer. In seinem Sortiment finden sich unter anderem ein edelsaurer Bouvier Reserve auf Basis einer Trockenbeerenauslese. Der hat nicht weniger als zwölf Jahre Reifezeit im Barrique hinter sich, eher in die Regale kommt. Den „Trinkessig für die Ewigkeit“ preist Gegenbauer als „überraschende Alternative zu den großen Südweinen wie P.X. Sherry oder den fantastischen Muscatweinen Australiens“ an.
Fruchtig-Süßes offeriert die steirische Essigmanufaktur Oswald/Schaffer. Die Apfel-Kombinationen der Oststeirer reichen von Hagebutte über Quitte bis Schlehdorn. Neben der alkoholfreien Nische besetzt Eigentümer Franz Oswald zudem das vegane Segment. Bei der Herstellung aller Essige im Haus wird daher auf standardisierte Eiweiß- und Gelatineschönung verzichtet, alternativ kommt Bentonit zum Einsatz.
Alkoholfreies Destillat vom Start Up
Nicht weniger als die „ersten destillierten, nicht-alkoholischen Spirituosen weltweit“ preist das britische Jungunternehmen Seedlip an. Gründer Ben Branson stellte sich der Frage: „Was trinken, wenn man nicht trinkt?“ und stieß dabei auf ein Buch aus dem 16, Jahrhundert, das sich der Herstellung alkoholfreier Destillate – zu medizinischen Zwecken – widmete. Das wurde die Basis eines neuen Geschäfts- und Geschmacksmodells. Dem eigenen Gründungsmythos nach waren 2015 die ersten 1000 Flaschen innerhalb von drei Wochen verkauft.
Aktuell hat Seedlip drei Spirituosen im Repertoire. Garden 108 basiert auf Erbsen, Heu und Gartenkräutern. Spice 94 ist eine komplexe Mischung aus jamaikanischem Piment und Kardamom mit Zitrusnote im Abgang. Ganz im Fokus stehen die Zitrusfrüchte aber bei Grove 42 mit Dominanz von Orange. Noch konzentrieren sich Vertrieb und Lokalpartnerschaften primär auf Großbritannien, Nordamerika, Australien und die Beneluxstaaten. Über den Online-Shop sind die Destillate aber auch in Österreich erhältlich.
Prisecco aus dem Schwabenland
Noch einmal eine ganz andere Schiene bedient die schwäbische Manufaktur Jörg Geiger mit ihren alkoholfreien Priseccos. Wie der Name verrät handelt es sich dabei um Schaumweine, für die Säfte mit Kräutern, Blättern und Blüten in Kombination gebracht werden. Geiger versteht die Priseccos nicht nur als Aperitif, sondern zusehends auch als alternative Speisenbegleitung. Die Kompositionen sind dabei kaum enden wollend und reichen von der „ApfelSinfonie“ mit Sämling, Rhabarber und rotem Senf bis zum „Cuvée Nr. 12“ mit Schwarzriesling und Johannisbeerzweigen.
Fazit: Der Wunsch nach alkoholfreien Qualitätsgetränken stößt bei den Produzenten zunehmend auf offene Ohren. Unklar ist noch, wie sehr sich der Trend in den Getränkekarten der Gastronomie niederschlägt.
Essigmanufaktur Oswald/Schaffer
Seedlip