Die Netflix Reality-Serie „Drink Masters“ begeistert ein weltweites Publikum. Branchenintern sorgt sie jedoch für Lacher und teils erhitzte Gemüter. Wir klären Sie auf.
„Zwölf der innovativsten Mixolog*innen der Welt mischen, rühren und gießen sich durch hochkarätige Cocktail-Herausforderungen, um einen Preis zu gewinnen, der alles verändern kann.“ So lautet die Formulierung des offiziellen Pressetextes aus dem Hause Netflix zur neuen Eigenproduktion „Drink Masters“, einer Reality-Show mit 10 Episoden. Das Konzept ist ein ähnliches, wie jenes der bereits bekannten Produktion „The Final Table“, in welchem sich hochdatierte NachwuchsköchInnen aus der ganzen Welt messen, um sich die Gunst der ganz großen Gourmets zu erkochen. Bei beiden Produktionen sieht man – Netflix hat Budget. Rein technisch ist Drink Masters noch besser umgesetzt als The Final Table. In einer großen, glamourösen Bar mit einer Küche, der keine Grenzen gesetzt sind, geben die MixologInnen alles um zu beweisen, dass sie zu den Besten der Besten gehören. Der große Unterschied zu The Final Table ist jedoch, dass bei letzterem tatsächlich KöchInnen aus allen Teilen der Welt teilnehmen. Bei Drink Masters ist das nicht ganz der Fall.
USA = Die Welt?
Die „zwölf der innovativsten Mixolog*innen der Welt“ sind nämlich zum Großteil in den USA tätig, zum Teil in Mexiko und Kanada. Konsultiert man die aktuelle „50 Best Bars“ Liste, findet man dort jedoch nur acht Bars, die sich in den USA, genauer gesagt in New York City und Miami, befinden. Zum Vergleich: in europäischen Städten finden sich 20 der besten Bars der Welt, und daher auch einige der weltbesten Barkeeper. Dass „Drink Masters“ fast ausschließlich US-TeilnehmerInnen zu bieten hat, sich aber mit der Serie gleichzeitig international präsentiert, passt hier nicht so ganz ins Bild.
Echte Profis? Ganz klar.
An dieser Stelle muss festgehalten werden, dass die meisten TeilnehmerInnen der Show natürlich unabhängig ihrer Herkunft absolute Meister ihres Faches sind, was sie in den verschiedenen Aufgaben und Challenges der einzelnen Folgen sehr eindrucksvoll beweisen. Um jenen Interessierten, welche die Serie noch vor sich haben, nicht zu viel vorab zu verraten, beschränken wir uns im Folgenden auf die erste Episode. So beginnen die TeilnehmerInnen den Wettbewerb mit der Aufgabe, den weltweit meistbestellten Drink – die Margarita – auf ihre Weise neu umzusetzen. Dabei wird verlangt, dass die Grundstruktur – die klassische Margarita besteht in der Regel aus Tequila, Triple Sec Likör und Limettensaft – die gleiche bleibt, während der Ausführung selbst keine Grenzen gesetzt sind. Zur Vorbereitung der Cocktails haben die TeilnehmerInnen 90 Minuten Zeit, wobei hier nicht nur hinter der Bar, sondern vor allem auch in der top-ausgestatteten Küche gearbeitet wird. Es wird gemixt, geräuchert, gekocht, geschäumt, geliert, re-destilliert und aufgemotzt, was das Zeug hält. Wie viel sich in der modernen Mixology-Szene eigentlich hinter dem Herd abspielt wird spätestens in jener Folge klar, in welcher den KandidatInnen ein Dessert zugelost wird, welches sie als Cocktail möglichst authentisch nachbauen sollen. Während die TeilnehmerInnen von der Kamera bei ihren Vorbereitungen begleitet werden und erklären, was sie vorhaben, merkt man schnell, dass die jungen Damen und Herren nicht ohne Grund mit dabei sind, und auf ein sehr hohes Wissen zurückgreifen können. Des Weiteren muss hier angemerkt werden, dass Netflix mit der Auswahl der KandidatInnen eine möglichst diverse Cast zusammengestellt hat, welche rein menschlich einen bunten und authentischen Querschnitt der modernen Barszene abbildet. Unter Profis sorgt jedoch die Teilnahme einer Cocktail-Influencerin für Verwirrung, die zwar hübsche Drinks kreiert, jedoch keine tatsächliche Branchenerfahrung hat.
Hauptsächlich für’s Auge
Schlussendlich muss sich das Publikum in Sachen Geschmacksnoten auf die Jury verlassen. Schauspieler und Comedian Tone Bell, der gleichzeitig als Moderator fungiert und verschwindend wenig Ahnung hat, bewertet gemeinsam mit Frankie Solarik, seines Zeichens kanadische Bar-Legende und Autor, und Julie Reiner, Unternehmerin und Besitzerin einiger renommierter Bars, die Kreationen den TeilnehmerInnen. Sie entscheiden, wer am Ende übrigbleibt und das das Preisgeld von 100.000 USD mit nach Hause nimmt. Solarik und Reiner sind Branchengrößen, die eine Menge Ahnung haben. Als Publikum kann man ihrem Urteilsvermögen also vertrauen, während man vor dem Fernsehbildschirm selbst die Drinks nur optisch bewerten kann. Und diese Optik ist es im Endeffekt, die in der Serie im Vordergrund steht; die Ästhetik schafft hier den Genuss. Und das ist in Ordnung so, immerhin lebt eine Serie von visuellen Eindrücken. Ein Drink, der die Jury visuell wie geschmacklich ganz besonders überzeugt hat ist beispielsweise der „Absolute Opera“. Teilnehmer Tao musste in dieser Challenge die französische „Opern-Torte“ als Drink umsetzen. Dafür verwendete er einen Mix aus Vodka, Biskuit, Butter, Kaffee und Kakaonibs sowie Milchsäure und Mandeln. Um den Geschmack von Kaffee und Schokolade zu erreichen, diesen aber nicht zu sehen, verwendete er ein Destillationsverfahren. Sehr beeindruckend – auch wenn man nur zusieht. Wie ein Großteil der Kreationen wird auch hier vom Teilnehmer ein kleines, passendes Dessert zubereitet. Auf diese visuelle Komponente wird in der Serie mehr Wert gelegt, als es in anderen Bartender-Competitions der Fall wäre. Das wird besonders in einer Folge deutlich, in der die Jury einen hervorragenden Cocktail für seinen optischen Minimalismus und die fehlende Garnitur kritisiert. Sehr schade für den Teilnehmer – aber es könnte der beeindruckendste Cocktail der Welt sein; ohne das optische Drumherum eignet er sich nicht für einen Show-Erfolg. Spätestens an dieser Stelle muss man sich fragen, ob ein solches Format für eine Cocktail-Competition geeignet ist.
Drink Masters: Ist es einen Serienmarathon wert?
Das Konzept hinter Drink Masters ist bekannt, und schon etwas überspannt. Ob es nun um’s Kochen geht, um’s Backen, um Immobilien, um Schönheit oder so wie hier um Bartending – das immergleiche Rezept rund um einen Wettbewerb, bei dem am Ende der oder die Beste übrigbleibt, ist überholt und langweilig. Die Idee, herausragenden BarkeeperInnen eine Bühne zu bieten und ihre Arbeit zu begleiten ist sehr gut und eine ideale Möglichkeit die Diversität und Entwicklung der Szene zu präsentierten. In diesem Fall bräuchte es aber etwas mehr Kreativität, um das ganze spannender zu gestalten. So wäre es etwa aufschlussreicher und authentischer, die TeilnehmerInnen in ihren Bars bei ihrer tatsächlichen Arbeit zu begleiten. Aber das Konzept funktioniert offenbar nach wie vor, insbesondere in Amerika. Geht man ohne Erwartungen auf die Serie zu und lässt man den USA-Fokus außer Acht, ist es ein angenehmer Zeitvertreib, der einige Einblicke in die facettenreiche Arbeit moderner MixologInnen bietet, für den ein oder anderen Aha-Moment sorgt und stellenweise begeistern kann. Ein paar Minuten zu überspringen, erweist sich dabei als ganz nützlich.