Dobcak: “Es ist leichter in London fünf Lokale aufzumachen, als in Wien eines.”

Marko Locatin

Nach 10 Jahren als Obmann der Fachgruppe Gastronomie tritt Peter Dobcak, 64, ab. Er ärgert sich über die “bürokratische Hürdenläufe” und über Gastronomen die „auf den letzen Drücker“ Sorforthilfe erwarten. Dass manch Einer in Dobcak einen Spesenritter sieht, das kränkt ihn persönlich. Ein Bilanzgespräch bei Tafelspitz und Marillenpalatschinken im Restaurant “Magazin“.

Peter, was läuft in Österreich eigentlich schief in der Gastro?

Einiges. Es ist leichter in London fünf Lokale aufzumachen als in Wien eines. Der bürokratische Hürdenlauf ist derartig zeit- und daher geldintensiv, dass ein normaler Gastronom ohne Investor im Hintergrund das alles kaum unter einen Hut bringen kann. Ein weiteres teures Ärgernis ist die ausufernde Berichtspflicht samt überbordenden Auflagen. Wir könnten wirtschaftlich noch viel mehr leisten, müssten wir nicht so viel Zeit in Administration stecken.

18.30. Riemergasse 14. Restaurant „Magazin“. Es hätte auch ein Betrieb der Figlmüller-Group werden können. Denn dessen strategische Ausrichtung sowie nachhaltiger kommerzieller Erfolg Dobcak beeindruckt. Das „Magazin“ jedenfalls ist an diesem kalten, grauen Dienstag aus reserviert. „Die guten Lokale sind voll“, so Dobcak. Karte und Weinkarte hält Erfreuliches bereit. Ein Knoll geht immer, meinen wir, wählen aber dann eine leicht gereifte Cuvee aus Cabernet Sauvignon und Merlot vom Weingut Alphart, Jahrgang 2019. Mehr dazu noch etwas später.

Aber: Ist es nicht eine der Aufgaben der Kammer, diese Auflagen zu ändern, zu entschärfen?

Wir sind nicht die Legislative! Unsere Aufgabe ist es durch den täglichen Kontakt mit unseren Mitgliedern den Finger in die Wunde zu legen und Verbesserungspotential aufzuzeigen. Dann muss natürlich die Politik mitspielen und unsere Vorschläge auch umsetzen! In vielen Punkten geschieht das, doch ist es noch ein langer Weg zu einem optimalen Umfeld für Unternehmen. Das können andere Länder viel besser.

„Was genau mach die Kammer für mich?“, hört man öfter von Gastronomen….

Die Kammer arbeitet auf zweierlei Schienen. Erstens Beratung. Konkret heißt das: Was braucht zum Beispiel die Gastronomie? Von der Gewerbeberechtigung bis zur Betriebsanlage, Informationen über das Arbeitsrecht, Fachinformationen. Zweitens versuchen wir, wie gesagt, unternehmerfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Viele Kollegen haben leider schlicht zu wenig Ahnung von den Leistungen der Kammer und erwarten dann kurzfristig Unmögliches. 

Verstehe, aber was heißt das konkret? 

Leider warten die Gastronomen oft viel zu lange, bis sie sich bei uns melden und um Unterstützung bitten. Aber da ist es oft schon zu spät. Bei Strafen oder Übertretungen zum Beispiel tritt die Rechtskraft ein. Wenn sich die Kollegen danach melden können wir auch nicht mehr viel helfen. Oder sie kommen erst nach unterschriebenem Mietvertrag drauf, dass die vorhandene Betriebsanlagengenehmigung nicht mehr den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Die Behörde schreibt natürlich die Verbesserung vor, was meist große Investitionen nach sich zieht. Vielen geht das Geld aus bevor sie noch richtig offen haben. Mit unserer Beratungskompetenz wäre das nicht passiert. Das ist aber nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Leistungsangebot der Wirtschaftskammer.

Manchmal hört man auch, die von der Kammer, die seien ja Spesenritter….

Das ist völlig falsch. Wir gewählten Funktionäre, alle mit Erfahrung in der jeweiligen Branche und meist eigenen Betrieben, arbeiten ehrenamtlich. Die Obleute, so wie ich bekommen eine Aufwandsentschädigung. Bei großen Fachgruppen, wie die Gastronomie, beträgt diese € 2068,21 brutto pro Monat für den Obmann. Das 12 x im Jahr. Damit werden alle Aufwendungen, wie Fahrscheine, Taxis, Einladungen etc., abgedeckt. Dass sich Funktionäre durch ihre Tätigkeit eine goldene Nase verdienen ist ein weit verbreiteter Irrtum. 

Der Alphart entkorkt, kurz darauf werden auch die Hauptspeisen aufgetragen. Tafelspitz mit klassischen Beilagen für den Obmann. Für mich: Gebackenes Hirn mit Erdäpfel-Vogerl-Salat. Beides ohne „Wenn und Tadel“ (Geschwister von “Wenn und Aber”). Aufgewachsen ist Dobcak mit Hausmannskost und Restlessen. Seine Eltern führten ein Hotel im Salzburger Hochgebirge. “Wer weiß, wie mühsam es ist, dort Lebensmittel hinauf zu transportieren, der wird kein Essen wegschmeißen. So halte ich das auch“. 

Worauf achtet der Obmann, er führte selbst lange Jahre ein Studentenlokal (Anm: Das La Boule) in der Josefstadt, sobald er eine Gaststätte betritt? 

Er nimmt einmal die allgemeine Atmosphäre wahr (sieht sich zufrieden um und lächelt ein wenig). Die sich dann gliedert in Ambiente, Sauberkeit, unmittelbare Aufmerksamkeit der handelnden Personen. Und dann schon das platzieren und überreichen der Speisekarte. Also Gefühl für Timing. Später dann natürlich die Qualität und Präsentation des Essens. 

Nun rasch zur Bilanz: Was hat sich in den 10 Jahren Obmannschaft verändert –  was muss sich verändern? 

In den vergangenen 10 Jahren hat sich einiges verändert. Stichworte: Allergenverordnung, Registrierkasse, Rauchverbot und Corona. Alles grundlegende Veränderungen für die Gastronomie. Viele Gastronomen denken leider noch immer, sie machen die Türe auf und die Gäste kommen von alleine. Gute Wiener Küche auf eine Tafel zu schreiben, das reicht nicht mehr! Ich spreche hier auch von Spezialisierung. Der Gast muss genau wissen wofür dieses Lokal steht in das er gehen möchte. Weiters bildet eine betriebswirtschaftlich korrekte Kalkulation die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg. Das wurde viel zu lange vernachlässigt.

Und wie sieht die persönliche Bilanz aus? Was ist gelungen – was weniger? 

Ich traue mir schon zu sagen, dass ich insgesamt meine Aufgabe ganz gut gemacht habe. Es ist gelungen unsere Gäste, aber auch die Politik für die Herausforderungen und Sorgen der Gastronomie zu sensibilisieren. Es wurde verstanden, dass das vielfältige gastronomische Angebot in unserer Stadt nicht vom Himmel fällt, sondern es Menschen mit großer Begeisterung und Fachkenntnis bedarf.

Und was weniger? 

Dass wir die bürokratischen Auflagen nicht noch weiter senken konnten. Es kann aber auch nicht sein, dass, siehe Arena oder Spittelberg, Menschen bewußt in eine Lage mit gut eingesessenen Betrieben ziehen und sich dann über Lärmbelästigung beschweren. Die Anrainerrechte sind gegenüber den Unternehmerrechten in der Stadt ziemlich aus der Balance. Immerhin leben wir in einer Großstadt und nicht in einem Kurort! 

Das Gespräch neigt sich, wie unser Alphart, er hat sich lebhaft entwickelt, langsam dem Ende zu. Wobei Dobcak noch einige “Pfeile im Köcher” hätte. Wobei: Ein Kleines Dessert darf’s schon noch sein. Je eine Marillenpalatschinke.

Wie geht es denn jetzt weiter in der Kammer? 

Meine Nachfolge wird bei der kommenden Kammerwahl im März entschieden. Die Mitglieder wählen eine neue Vertretung. Ausdrücklich bedanken möchte ich mich für die großartige Zusammenarbeit der Funktionäre in der Fachgruppe, besonders bei meiner Stellvertreterin Martina Haslinger-Spitzer. Ohne Rücksicht auf Parteizugehörigkeit haben wir gemeinsam die auch für die Interessenvertretung sehr herausfordernde Zeit der Pandemie gemeistert. Über allem steht allerdings der ganz besondere Dank für die Treue der Gäste zu ihren Wirtinnen und Wirten in den wirklich schwierigen Zeiten. Das ist beileibe keine Selbstverständlichkeit. 

Letzte Frage: Gibt es Pläne für die „Pension“. Ein neues Lokal? Oder Politik?

Wie heißt es so schön: „Wo eine Türe zugeht, geht eine andere auf!“ Mal sehen was sich ergibt. Von 100 auf 0 ist nicht meine Sache, der Typ bin ich nicht.

Zum Schluss möchte ich allerdings noch betonen und das ist mir wichtig: Trotz aller Herausforderungen und Kritik, am Ende steht die Stadt Wien hinter ihrer Gastronomie! Der Schnitzel-Gutschein zum Beispiel war eine tolle Aktion zur rechten Zeit und natürlich die ganzjährigen Schanigärten. Die helfen sehr.

Hier endet der offizielle Teil. Peter Dobcak, danke für das Gespräch und Alles Gute für die Zukunft.