Kaffee gehört zu Wien wie der Stephansdom, Fiakergulasch und grantige Kellner. Dementsprechend legen die Hauptstädter nicht nur auf ihre Kaffeehäuser wert, sondern auch auf ihre Röstereien. Und die haben neben ihrer großen Vergangenheit eine sehr lebendige Gegenwart. Wir präsentieren fünf Röstereien – und eine Röstschule – der Donaumetropole im Espresso-Modus.
Der Kaffee, das muss ein Wiener sein. So sehr prägt das dunkle Elixier die Straßen und Plätze der Hauptstadt, dass deren Chronisten nicht umhin kommen, ihre vermeintlich dunkle Seele aus dem Kaffee erklären zu wollen. So schreibt Thomas Bernhard von einer regelrechten „Kaffeehausaufsuchkrankheit“ der Wiener – von der er sich selbst freilich nicht ausnimmt. Und doch: So heimisch ist der schwarze Lebenssaft in der Donaumetropole nicht. Nach Österreich kam die Bohne erst im 17. Jahrhundert, als man am Kaiserhof begann, Gesandtschaften aus dem osmanischen Reich damit zu bewirten. Ein Armenier soll es dann gewesen sein, der 1685 das erste Kaffeehaus in Wien eröffnete. Damit folgte er einem Trend. In Venedig, London oder Paris hatte sich zu dem Zeitpunkt schon eine regelrechte Pop-Up-Kultur entwickelt.
Wien in Italien: Julius Meinl
Nicht ganz so alt wie die Kafeehäuser, aber im urbanen Gedächtnis genauso verankert sind die Wiener Kaffeeröstereien. Die großen Häuser stammen aus der zweiten Blütezeit der Wiener Kaffeekultur um 1900, die das lokale Kaffeezeremoniell wohl am nachhaltigsten geprägt hat. An prominenter Stelle thront Julius Meinl: Das Flaggschiff am Graben präsentiert seine Breitseite stolz dem Stephansdom. Geröstet wird freilich nicht zwischen Dior und Armani, sondern zum einen in Ottakring, zum anderen im norditalienischen Vicenza. Während sich das 1862 gegründete Unternehmen am Wiener Standort auf die etwas mildere – nomen est omen – „Wiener Röstung“ konzentriert, dominiert in Vicenza die italienische Espressoröstung. Die Wiener Variante fällt dabei etwas heller aus, der Geschmack ist leicht karamellisiert. Wiener Heimeligkeit ist bei Meinl freilich zu einem gewissen Teil Folklore. Nach eigenen Angaben zählt man mittlerweile 650 Mitarbeiter in 70 Ländern.
Italien in Wien: Naber Kaffee
Etwas jünger, historisch aber ebenfalls in der Monarchie verwurzelt, ist die 1908 – damals noch als Handelsunternehmen – gegründete Naber Kaffee Manufaktur. Mit der Kaffeeröstung begann Naber aber erst 1922, seit 1957 wird in Strebersdorf geröstet. Ur-Wiener Charme betonen die Transdanubier bei Ihren Espressokreationen – Espresso 25 zum Beispiel firmiert als „der distinguierte Wiener mit Stil“. Dennoch hat auch hier italienische Grandezza Einzug gehalten. Unter einem nach ihm benannten Label kokettiert Naber-Geschäftsführer Marco Salvatori mit der italienischen Röstkultur.
Rosa Brille: Aida
Anders sieht das bei Aida aus. Zwar ließ sich die Kette mit der rosaroten Aura bei ihrer Namensgebung von Giuseppe Verdi inspirieren, was die hauseigene Kaffeeproduktion anbelangt hält man sich aber an Wiener Tugenden: Bei der Röstung der Arabica-Bohnen lassen die Floridsdorfer Milde walten. Dennoch rühmt sich das 1921 – typisch wienerisch von einem Böhmen – gegründete Unternehmen damit, 1946 die erste Espresso-Maschine Österreichs in Betrieb genommen zu haben. Der starken Nachfrage wegen stieg man dann 1958 selbst in die Rösterei ein.
Alt, aber neu: Alt Wien Kaffee
Selbst in der Wiener Kaffeeszene ist aber nicht alles Geschichte. Ihrem Namen zum Trotz verortet sich so zum Beispiel die mittlerweile etablierte Rösterei Alt Wien Kaffee ganz im neuen Jahrtausend. Wobei die Geburtsstunde im Jahr 2000 nur ein Neuanfang war. Beziehungsweise eine Neuübername, mit der das Unternehmen von der Belvederegasse in die Schleifmühlgasse übersiedelte. Der Wieden hielt man damit jedenfalls die Treue, auch wenn die Wiedner damit nicht ganz glücklich waren. Der Röstbetrieb musste des Geruches wegen nach einiger Zeit an den Stadtrand nach Liesing verlegt werden. Viele der Kaffees jedenfalls sind biologisch erzeugt, drei Posten aus der Produktpalette tragen zudem das Demeter-Zertifikat für biodynamische Landwirtschaft.
Für Koffein- und Wissensdurstige: Wiener Rösthaus
Die Stadt im Herzen und im Namen trägt ebenso das Wiener Rösthaus, das sich neben seinem Stammplatz in der Josefstadt auch an der grünen Lunge Wiens, dem Prater, angesiedelt hat. Die Ortswahl ist gleichermaßen klassisch wienerisch wie die Produktion. Geröstet wird nämlich ausschließlich nach dem Wiener Verfahren und mit Arabica-Bohnen. Neben der genussorientierten Kernkompetenz nimmt man sich im Rösthaus übrigens auch kaffeespezifischem Bildungsdurst an: Im Vienna Coffee College gibt‘s Schulungen für Filter-Freaks, Mokka-Maestros und Profibaristas.
Fürs Rösten gerüstet: Vienna School of Coffee
Wer bei soviel geballtem Röst-Knowhow in der Stadt auf den Geschmack gekommen ist, selbst das Röstzeug anzulegen, dem sei die Vienna School of Coffee empfohlen. Deren dreitägiger Röstkurs bringt alles Wesentliche von Kaffeearten über Lagerung und Verkostung bis zur Verpackung nahe. Dazu kommen Baristakurse und exklusive Angebote für Individualisten mit Spezialfragen.