Im Zuge der Koalitionsverhandlungen der neuen Regierung zwischen der ÖVP unter Sebastian Kurz und der FPÖ unter Heinz-Christian Strache wurde am Montag, dem 11. Dezember, eine Einigung zu einem brisanten Thema bekannt. Das ab Mai 2018 geplante Rauchverbot in der Gastronomie wird nun wohl nicht kommen. Jedoch soll der Jugendschutz verstärkt werden.
Vom „grundsätzlichen“ zum (doch nicht) „generellen“ Rauchverbot
Mit Anfang des Jahres 2009 tritt mit dem neuen Tabakgesetz ein „grundsätzliches“ Rauchverbot in Gastronomiebetrieben in Kraft. Jedoch gelten Ausnahmen: einerseits für räumlich getrennte Raucherbereiche, andererseits für Betriebe, die einen Umbau aufgrund der Regelung durchführen mussten. Sofern das Verbot nicht eingehalten wird, drohen den BetreiberInnen Strafen von bis zu 10.000 Euro.
Mitte 2010 endet die Frist für Umbauarbeiten oder Sondergenehmigungen in Betrieben. GastronomInnen dürfen das Rauchen nur noch dann erlauben, wenn sie räumlich getrennte Bereiche haben, oder die gesamte Fläche des Betriebes maximal eine Größe von 50 Quadratmeter einnimmt.
Im Jahr 2015 einigt sich die Regierung von ÖVP und SPÖ auf ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie ab Mai 2018. Lokale, die bis Juli 2016 freiwillig rauchfrei werden, können eine „Prämie“ in Höhe des Restbuchwertes erhalten.
Herbst/Winter 2017: Schon vor der Nationalratswahl spricht sich die FPÖ stark gegen das generelle Rauchverbot aus. Sie wird sich dafür einsetzen, dass die derzeitige Regelung nicht verändert wird.
Seit 11. Dezember ist nun zu hören und zu lesen, dass die Raucherregelung in der Gastronomie wohl unverändert bleiben wird. Man einigt sich auf eine Regelung nach dem „Berliner Modell“: Gäste können weiter in räumlich getrennten Bereichen Rauchen. Der Jugendschutz hingegen soll nun verstärkt werden. Raucherbereiche in Lokalen dürfen nur mehr ab 18 Jahren betreten werden. Das heißt, dass ein generelles Rauchverbot für Jugendliche unter 18 Jahren sowie ein Rauchverbot im Auto, wenn Kinder und Jugendliche mitfahren, kommen soll. Im Folgenden haben wir einige Reaktionen zusammengetragen.
Scharfe Kritik
Die Wellen, die diese Entscheidung bisher geschlagen hat, sind enorm. Neben dem in sozialen Netzwerken lesbaren Unmut von UserInnen wird sowohl in der Politik, als auch in der Medizin scharfe Kritik an den Plänen von türkis-blau geübt.
So hat die Österreichische Krebshilfe Montag Nachmittag eine online-Petition gestartet die mit Stand Freitag 12:00 Uhr über 320.000 Unterschriften gesammelt. „Das generelle Rauchverbot in der Gastronomie zählt in Europa mittlerweile zum Standard, dem Österreich noch immer hinterher hinkt. […] Es ist völliger Irrsinn, die endlich begonnene Trendwende (Anm.: Rauchverbot in der Gastronomie 2015) jetzt plötzlich wieder umzukehren und nachhaltig zu vernichten.“, so die Initiatoren der Petition.
Ein offener Brief der Österreichischen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie an die ÖVP- und FPÖ-Spitze bezeichnet das, vor allem online oft zu lesende, Argument der „Selbstbestimmung des Einzelnen“ für „zynisch und inkonsequent“. So provoziere das Privileg Erwachsener in einem abgegrenzten Bereich rauchen zu dürfen eine negative Vorbildwirkung für Kinder und Jugendliche.
Der Lungenkrebsspezialist der klinischen Abteilung für Onkologie am Wiener AKH Robert Pirker bezeichnet das „Berliner Modell“ als „Augenauswischerei“. Wie solle man kontrollieren, ob im Auto geraucht wird, in dem auch Kinder sind? KollegInnen weltweit fragen Pirker, warum Österreich so locker mit dem Thema Rauchen umgeht.
Der Vorsitzende des Fachbereichs Tourismus in der Gewerkschaft vida, Berend Tusch, stellt die Frage nach dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten. „Anstatt darauf zu schauen, dass gesunde Arbeitsplätze geschaffen werden, setzen wir die Menschen, die tagtäglich in den Gaststätten hervorragende Leistungen bringen, weiter einer Mega-Qualmbelastung aus.“
Auch in der Politik stößt die Entscheidung vielen sauer auf. So bezeichnet die scheidende Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) das Kippen des totalen Rauchverbots in der Gastronomie als „enormen gesundheitspolitischen Rückschritt“und erklärt, dass sich die ÖVP und FPÖ so jeder faktenbasierten Gesundheitspolitik entziehen.
Noch-Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hofft auf ein Volksbegehren und bezeichnet die großflächige öffentliche Kritik, das geplant gewesene Rauchverbot zu kippen, als „ermutigend“. Wiens Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ) erwägt sogar eine Klage gegen das Gesetz. Sie werde versuchen, rechtlich dagegen vorzugehen.
Die ÖVP erntet ebenso Kritik aus den eigenen Reihen. Tirols Landeshauptmann Günther Platter meint etwa, es sei kein Geheimnis, dass er für Nichtraucherschutz ist. Er habe erwartet, dass die beschlossenen Verschärfungen auch umgesetzt werden. Deutlicher äußert sich auch der ehemalige Langzeit-Gesundheitssprecher der ÖVP Erwin Rasinger „Was da passiert, ist keine Gesundheitspolitik, sondern Wirtshauspolitik. […] und jetzt machen wir uns lächerlich.“
Der Gesundheitssprecher der NEOS, Gerald Loacker, bezeichnet die Entscheidung, das Rauchverbot zu kippen als „populistischen Schnellschuss“. Den Weg, den die ÖVP und die FPÖ hier einschlagen, zeigt sowohl eine Geringschätzung der ArbeitnehmerInnen und ist auch aus Gründen der Planungssicherheit bedenklich.
Geringe Zustimmung
Im Vergleich zur Kritik, fällt die Zustimmung zur türkis-blauen Entscheidung verhältnismäßig schwach aus. Gastronom Heinz Pollischansky, der Initiator eines Events gegen das Rauchverbot startete am Donnerstag ebenfalls eine Petition mit dem Titel „Danke für die Wahlfreiheit“, um die Möglichkeit eines friedlichen Mit- und Nebeneinanders von Rauchern und Nichtrauchern zu erhalten. „Wir sind alle mündige Bürger und niemand ist gezwungen, einen abgetrennten Raucherbereich zu betreten. Wirte, Gäste und auch die Angestellten sollen weiterhin die Wahl haben.“, so Pollischansky. Die Petition verzeichnet mit Freitag, 12:00 Uhr über 5.400 Unterschriften.
Unterstützung erhält der Gastronom vom VCPÖ, dem Verband der Pfeifen- und Cigarrenfachhändler Österreichs. Der Präsident des VCPÖ Klaus W. Fischer meint, dass in der geführten Diskussion das ohnehin funktionierende Nebeneinander von Nichtrauchern und Rauchern völlig außer Acht gelassen wurde. Die geäußerte Kritik gegen die Entscheidung von ÖVP und FPÖ gehe „an der Realität vorbei, weil es doch in der Entscheidung von Lokalbesitzern und Gästen liegt, ob sie ein Nichtraucher- oder Raucherlokal führen bzw. aufsuchen möchten und die jetzige Lösung tadellos funktioniert“.
Der Bundesobmann der Tabaktrafikanten, Josef Prirschl, zeigt sich erfreut: „Dadurch (Anm.: die Regelung) können unsere Kunden weiterhin im Rahmen der neuen rechtlichen Voraussetzungen ihre Zigaretten oder Zigarren in einer angenehmen Atmosphäre genießen.“
Mario Pulker, Obmann im Fachverband Gastronomie, freut sich über die Beibehaltung der aktuellen Raucherregelung: „Wir bekennen uns auch zu verstärkter Prävention und zum Jugendschutz, jedoch nicht auf dem Rücken der Gastwirte.“
Auf Seiten der FPÖ zeigt sich Clubobmann Heinz-Christian Strache „stolz auf die hervorragende Lösung“ . Der Wiener Landtagsabgeordnete Udo Guggenbichler bezeichnet das Kippen das totalen Rauchverbots als Überlebenschance für Wiens Kaffeehauskultur und Wirte. Für den Präsident der freiheitlichen Wirtschaft Wien, Karl Baron, zeigt sich der Reformwille der FPÖ: „Die Wahlfreiheit in der Gastronomie ist wichtig, um das Sterben der Wirtshaus- und Kaffeehauskultur endlich zu beenden und um unsere Traditionen und Gepflogenheiten zu verteidigen.“
Das Thema vieler Befürworter der Entscheidung im Rahmen der Koalitionsverhandlungen, die Wahlfreiheit für GastronomInnen und Gäste, sorgt aktuell für erste vereinzelte Ankündigungen. So hat zum Beispiel das „Pub Klemo“ in der Margaretenstraße im 5. Bezirk, gleich nach dem Bekanntwerden der Entscheidung, am Montag auf seiner Facebookpage bekannt gegeben, dass sie ab dem 2. Jänner 2018 rauchfrei werden. Rauchen passe nicht zum Lokalkonzept.
So emotional aufgeladen das Thema ist, so polarisierend ist es zugleich. Auch wenn die Reaktionen zum Beschluss der ÖVP und der FPÖ offenbar fast durchgängig negativ sind, haben die Parteien die Entscheidung getroffen das geplante Rauchverbot zu kippen. Nächste Woche soll die künftige Regierung angelobt werden. Es wird spannend bleiben, wie sich das Thema „Rauchen in der Gastronomie“ weiter entwickeln wird. Wir bleiben dran.