„Aber bitte mit Graukäse“ – Südtirol schmeckt auch in Neuwaldegg

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(c) ALTO - Südtiroler Trattoria

(c) ALTO - Südtiroler Trattoria

Erst in mehreren Schritten gelang die Wiederbelebung der einstigen architektonischen Schönheit im altdeutschen Stil, in der Dornbacherstraße. „Zur güldenen Waldschnepfe“ hieß das ehemalige Einkehrwirtshaus, dessen Kern aus dem 17. Jahrhundert stammt und 1883/84 errichtet wurde. In ihrer Blütezeit fanden hier im Orchesterraum musikalische Veranstaltungen statt und mündlichen Quellen zufolge waren die Schrammel Brüder in Neuwaldegg höchst aktiv. Nach einigen gescheiterten Versuchen (vier Neueröffnungen seit 2010) hier unter demselben Namen ein Gasthaus zu führen, ist es nun seit Februar 2016 in fester und erfahrener Hand. René Steindachner hat den mutigen Schritt gewagt und die Wende zum Erfolg eingeleitet. Der neue Geschäftsführer Fahmi Zenagui der einst selbst Koch gelernt hat, untermauert mit seinem Know How und seiner spürbaren Leidenschaft zu seinem Lokal diese Erfolgsgeschichte.

Der heutige Name des Restaurants ist ALTO – Südtiroler Trattoria. Die Verbindung von Südtirol und Italien klingt hier schon an. Meinrad Neunkirchner, von vielen als bester Koch Österreichs geschätzt, konzipierte im Frühling 2016 knapp vor seinem überraschenden Tod die Karte und schaffte dabei ein harmonisches Miteinander von Spezialitäten aus Südtirol – vom Schüttelbrot über diverse Knödelvariationen bis hin zu Schlutzkrapfen und außergewöhnlichen Pizzen mit Graukäse, Apfelspalten, Weintrauben und Südtiroler Schinkenspeck – mit den traditionellen italienischen Produkten aus dem Pizzaofen. Übrigens ist diese Art von Schüttelbrotpizza in Südtirol inzwischen zum Trend geworden.

Die ersten Empfindungen beim Betreten des Lokals sind Wohlbefinden, sogar Geborgenheit, die vermutlich mit der Showküche im Zentrum des großen Raums und dem dahinter befindlichen Pizzaofen zusammenhängen. Sehr alte, tiefe Gefühle von zu Hause-sein am Herd mit den Düften von Essen und Wärme werden geweckt. Alles ist entspannt hier, alle kümmern sich um den Gast, der nett aber locker begrüßt wird und so eine steife Haubenatmospähre vermieden wird.

Von außen finden sich keine großartigen Hinweise auf ein Restaurant, die Laterne am Eingang ist charmant einladend ebenso das Gewölbe. Die gesamte Linie ist sauber, leicht, ohne übertriebene Deko so auch im zweiten Raum mit Blick in den begrünten Innenhof. Der leichte Geruch nach Pizza und italienischer Küche steigt schnell und angenehm schon beim Reinkommen in die Nase. Die Showküche im Zentrum bietet Unterhaltung beim Zuschauen v.a. wenn der Koch zu „schwimmen“ beginnt wie wir Köche das nennen. Florian Reinthaler der Chefkoch hat sich hier als Profischwimmer erwiesen und mit viel Gelassenheit auf hohem Niveau gekocht.

Zum Beginn gab es Antipasti original Südtirol (12€) und Pane Alto Adige (3€). Wenn die Preise ein wenig hoch erscheinen ist das als Hinweis auf die Gault Millau Haube zu verstehen. (Im Übrigen wäre die Menge für ein Abendessen durchaus ausreichend gewesen!). Die Südtiroler Antipasti sind üppig und authentisch. Natürlich bestechen sie weniger durch Kochkunst, sondern mehr durch Authentizität und Zusammenstellung wie der rustikal elegant auf Holzschalen servierte hervorragende Graukäse und Zwiebeltopfen. Vielseitig überzeugend auch das warme frische Pizzabrot außen knusprig innen flaumig und ebenso das Schüttelbrot im Körbchen. Zur Antipasti auf Wunsch nach einem leichten Rotwein wurde eine Kalterersee Auslese vom Sommelier empfohlen.

Danach kam die Spargelschaumsuppe mit Roggenbrotcroutons (5€). Ein Traum! In dieser Suppe sind nicht nur Schalen oder Abfälle gelandet sondern bester Marchfelder Spargel, was spätestens bei der Trennung am äußerst intensiven Geruch zu bemerken ist. Diese Suppe ist eine regelrechte Spargelreduktion und das Versprechen von Schaumsuppe wurde gehalten, sie war durch und durch schaumig – nicht nur an Oberfläche – und von angenehm dünner Konsistenz.

Primi habe ich in weiser Voraussicht auf mein Fassungsvermögen ausgelassen, vermutlich hätte ich bei den Antipasti zurückhaltender sein sollen.

Als Secondi wurde Kalbsrückensteak mit Erdäpfel-Pilzcreme und Karfiol (24€) in extrem kräftiger, gut abgeschmeckter Sauce Demi Glace serviert, kein Hauch von Zweifel, dass sie nicht aus hauseigener Produktion stammt. Das Kalbfleisch von bester Qualität und perfekt à point gebraten, außen rundum scharf angebraten nach innen hin zartrosa, sodass es auf der Zunge zergeht und das Ganze unglaublich appetitlich angerichtet. Die mutige Kombination der Zutaten war überraschend wohlschmeckend!

Zum Dessert – das für mich persönlich weniger Bedeutung hat – kamen hausgemachte Erdbeertascherl mit Amarettaschaum (7€). Sie waren trotz üppiger Zutaten erstaunlich leicht und sauber angerichtet bis zur Schnitzerei der Erdbeere. Die spezielle Konsistenz der Tascherln war äußerst flaumig und mit dem Aroma der Erdbeere perfekt in Einklang gebracht.

Dazu gibt es sehr beachtliche Weine von einigen der herausragenden Winzer Südtirols auf der Karte.

Alle vier Wochen wechseln 70-80 Prozent der Gerichte. Ein spannendes Konzept, bei dem es für die Gäste nie langweilig wird, wozu auch der Top-Gastronom Fahmi Zenagui persönlich beiträgt.

Fazit

Eine gelungene Begegnung zwischen Südtiroler Bodenständigkeit und italienischer Leichtigkeit. Die Haube ist fraglos verdient, auch wenn sich die Geschäftsführung damit nicht schmücken will wie sie an der Leichtigkeit ihres Umgangs mit den Gästen demonstriert. Bereits im ersten Jahr des Bestehens von Gault Millau eine Haube verliehen zu bekommen ist für die Geschäftsführung ein Ansporn noch besser zu werden. Das Alto ist nicht nur eine lokale Bereicherung neben dem „Pichlmaiers zum Herkner“ und dem Neuwaldegger- Bad sondern eine für ganz Wien!

 

Alto – Südtiroler Trattoria

Dornbacher Strasse 88, 1170 Wien
01 480 480 0
book@alto.wien
Montag bis Freitag 17.00 – 24.00
Samstag, Sonntag & Feiertag 11.00 – 24.00

Ab 1.Juni gibt es neue (Sommer-) Öffnungszeiten
Mo: RUHETAG
Di-Sa: 17.00 – 24.00 Uhr
So: 11.00 – 24.00 Uhr

http://www.alto.wien/