Biermafia am Donaukanal

Michaela Reisel

Donaukanal bei Nacht © iStock YT

Von Peter Dobcak

Viel zu lange als Naherholungsgebiet für die Wiener Bevölkerung vernachlässigt, kann die Entwicklung des Donaukanals seit 2005 durchaus als Erfolgsgeschichte bezeichnet werden. Inzwischen besuchen jede Saison viele hunderttausend Menschen den Donaukanal.

Startschuss war nicht nur der 2005 vom damaligen Verkehrs- und Planungsstadtrat Rudolf Schicker in Auftrag gegebene Stadtentwicklungsplan für den Bereich Donaukanal, sondern auch die Pionierarbeit mancher Kollegen aus der Gastroszene, die endlich das Potential des Donaukanals für die Wienerinnen und Wiener nutzen konnten. Das waren und sind, die Summerstage, bereits seit Jahren vor Ort, Hermann’s Strandbar, das Flex, das Badeschiff, Adria Wien, bald gefolgt von Motto am Fluß, Tel Aviv Beach und dem Otto-Wagner Schützenhaus, um nur einige zu nennen.

Mit steigender Beliebtheit, stieg allerdings auch das Interesse mancher Stadtpolitiker am Schicksal des Donaukanals sprunghaft an. Plötzlich wurde vor gastronomischem Wildwuchs gewarnt, nach mehr konsumfreien Zonen gerufen und die mögliche Belästigung der Anrainer durch Lärm und Geruch in den wildesten Farben geschildert. Dass es, wie seinerzeit auch in der Innenstadt, zu allererst die Gastronomie war, die mit hohem unternehmerischen Risiko, die Grundlage für den Hype gelegt hat, war rasch vergessen. Es ist wieder einmal die Bezirksvorstehung der Inneren Stadt, die sich mit Händen und Füßen gegen eine weitere kommerzielle Nutzung wehrt und bei jeder Genehmigungsverhandlung den baldigen Untergang des Abendlandes prophezeit.

Dabei haben sich gerade die mit so viel Nachdruck verlangten konsumfreien Zonen als Ursache für eines der Hauptprobleme am Donaukanal, nämlich die gewaltige Verschmutzung durch Abfall, entpuppt. Die freien Grundstücke, die zum entspannten Verweilen einladen sollen, sind nämlich keineswegs konsumfrei. Im Gegenteil, denn konsumfrei wird hier mit Selbstversorger verwechselt. Was auch nicht ganz stimmt, denn die Menschen, die sich dort aufhalten, werden vorwiegend von einer Heerschar von illegalen Getränkeverkäufern verlässlich versorgt, egal ob mit Rucksack, Lastenfahrrad oder Einkaufswagerl. Man muss wissen, dass der Verkauf von Waren mittels Umherziehen in Wien untersagt ist.

Der so erzielte illegale Bierumsatz wird inzwischen auf grob 700.000 Euro pro Jahr geschätzt. Eine Bierdose wird um 2 Euro verkauft. Das ergibt zirka 350.000 Alu-Getränkedosen pro Saison, die es zu entsorgen gilt. Dazu kommen noch kiloweise Pappschachteln von Pizzas und anderen Lebensmitteln. Den Vogel abgeschossen hat ein besonders kreativer Unternehmer, der unter dem Titel „ShotsToGo“ eine Auswahl an unterschiedlichsten Shots, Bier, Wien, Zigaretten, Hasch und Gras anbietet.

Was Oben hinein kommt, muss auch Unten wieder heraus. Womit wir bei der nächsten Herausforderung sind. Eine gute Anzahl von Gastronomiebetrieben hat mehr oder weniger fix verbaute Toiletten errichtet. Für die Zahl der Gäste der Lokale und sogar darüber hinaus, sind diese Einrichtungen durchaus ausreichend. Aber nicht für die vielen hundert Menschen, die nach dem Genuss von Speis und Trank in den konsumfreien Zonen ebenfalls ihr Geschäft verrichten müssen. Nachdem die Stadt Wien nahezu keine mobilen Klos bereitstellt, müssen eben die Bäume, Mauern sowie dunkle Ecken und Schanigärten als Toiletten dienen. Nach Einbruch der Dunkelheit kennen Herr und Frau Wiener keinen Genierer. Die Grenze der natürlichen Scham sinkt im Verhältnis zum Anstieg des Alkoholspiegels samt des Blasen- und Gedärmdrucks. Es ist ein, ohne Übertreibung, entwürdigendes Schauspiel, das sich hier  an den schönen Sommerabenden abspielt.

Es ist fast logisch, dass sich in diesem Biotop ein drittes Problemfeld auftut, das des Drogenhandels. Wie professionell dieser inzwischen am Donaukanal organisiert ist, mit Verteilern, zentralen Nachschubstellen und Beobachtern, hat mir vor wenigen Tagen ein ansässiger Gastronomiekollege geschildert. Es herrscht die Angst unter den Kollegen und Kolleginnen, dass sich der Donaukanal über kurz oder lang zu einer zweiten Copa Cagrana entwickeln wird. Das teure Ende dieser Geschichte ist den meisten von uns bekannt. 

Sowohl die angesiedelten UnternehmerInnen, als auch wir, die Interessenvertretung, weisen schon seit längerem auf diese Probleme hin. Wie es scheint, nimmt das Büro der zuständigen Stadträtin unsere Hinweise nun ernst. Letzten Dienstag gab es ein großes Arbeitsgespräch mit den Betreibern, den betroffenen Dienststellen samt Vertreterin der Stadträtin, sowie der Bezirksvorsteherin der Leopoldstadt. Dieses sehr produktive Gespräch wurde von gegenseitigem Verständnis für die Problemfelder getragen. Ich habe an dem Gespräch teilgenommen und muss die geschlossene Bereitschaft, gemeinsam Lösungen zu finden, hervorheben. Auch meine nach dem Gespräch getätigte Anfrage an das Büro für Sofortmaßnahmen um ein Gespräch zum Thema „illegaler Bierverkauf“, wurde binnen Minuten positiv beantwortet.

So ist es, trotz sehr langer Reaktionszeit, durchaus gerechtfertigt, der Stadtverwaltung in dieser Sache Lob auszusprechen und mich im Namen der Gastronomen am Donaukanal zu bedanken. Werden die geplanten Maßnahmen in diesem Sinne zeitnah gesetzt, wird alles gut – na sagen wir, fast alles….

 

Euer

Peter Dobcak