Im großen Gastro News Interview spricht die erfolgreiche Unternehmerin und Bäckerin Barbara Schmidl über die Verantwortung, einen Familienbetrieb zu führen, informiert über die häufigsten Fehler beim Backen von Brot und stellt klar, dass die Situation aufgrund der explosionsartigen Preissteigerung von Grundzutaten eine mehr als ernste ist.
Barbara Schmidl, die Bäckerin aus Dürnstein, liebt ihre Arbeit und das Gespräch mit den Kundinnen und Kunden. Das war aber nicht immer so. Erst ein Schicksalsschlag hat die Unternehmerin zurück in den Familienbetreib geführt, den Sie seit 2014, als Frau an der Spitze, erfolgreich leitet. Gastro News hat die Power-Frau zum Interview gebeten.
Gastro News: Hast du schon als Kind gewusst, dass du im Erwachsenenalter in der Backstube deine Kreativität ausleben wirst?
Schmidl: Ich bin Bäckerin und Konditorin aus Leidenschaft. Und ja, schon als Kind verbrachte ich viel Zeit in der Backstube und durfte tatkräftig mit anpacken. Vom Semmeln-Schlagen bis hin zum Torten-Verzieren. Wie in vielen Familienbetrieben waren auch in der Bäckerei Schmidl alle Familienmitglieder eingebunden. Bei mir war es aber mehr, als eine familiäre Pflicht. Deshalb hat mir mein Vater das Bäcker- und Konditorenhandwerk beigebracht. Trotzdem habe ich meine berufliche Zukunft zuerst nicht in der Bäckerei gesehen. Nach der Matura bin ich nach Wien gegangen und habe mich für den Universitätslehrgang Volkswirtschaftslehre inskribiert. Dort hat mich ein Professor entdeckt und für sein Institut als wissenschaftliche Assistentin angeworben. Ich habe den Job geliebt. Bis zu dem Tag, als mein Vater krank wurde.
Gastro News: Welche Folgen hatte die Erkrankung deines Vaters für deinen beruflichen Werdegang?
Schmidl: Ich habe damals die Entscheidung getroffen, nach Dürnstein zurückzukehren. Die Bäckerei Schmidl war für mich immer ein Teil meines Lebens, das ist wie eine Familie. Und diese Tradition führe ich jetzt fort. Im April 2014 habe ich die Geschäftsführung übernommen. Ich habe mich entschieden, auf das zu setzen, was für mich Backkunst ausmacht: echtes Brot und Gebäck ohne Zusatzstoffe, Handarbeit und lange Rastzeiten für die Teige. Ich habe ordentlich umgerührt in der Backstube.
Gastro News: Was zeichnet die Bäckerei Schmidl aus?
Schmidl: Die Bäckerei Schmidl gibt es seit 1780 und sie ist immer im Besitz der Familie Schmidl gewesen. Als ich im April 2014 die Geschäftsführung übernommen habe, habe ich einen Traditionsbetrieb übernommen – ich bin die achte Generation der Schmidl Bäcker und die zweite Frau an der Spitze des Familienunternehmens. Meine Ururgroßmutter war die erste Schmidl-Chefin und Visionärin. Sie hatte die Bäckerei nach dem Tod ihres Mannes weitergeführt und den Betrieb 1857 an den jetzigen Standort im Haus Nr. 21 in Dürnstein übersiedelt. Gebacken wird bis heute nach traditioneller Wachauer Backkunst.
Gastro News: Was empfiehlst du einer Kundin oder einem Kunden, der oder die das erste Mal deine Bäckerei besucht?
Schmidl: Das ist eine schwierige Frage – wir haben so viel gutes Brot und Gebäck und süße Köstlichkeiten. Ich kann nur empfehlen, nicht nur ein Wachauer Laberl, das ist unsere Spezialität, zu kaufen, sondern sich auch ein Brot empfehlen zu lassen. Vom kräftigen Gewürzlaib über eine mildes Roggenbrot bis zu einem 100% hefefreien Brot ist für jeden was dabei. Wofür wir auch viele Komplimente bekommen haben, ist unser Marillenbrot. Das ist ein saftiges Brot aus Weizenmehl mit Haselnüssen und getrockneten Marillenstücken. Es schmeckt nur ganz dezent süß und ist sowohl deftig mit Rohschinken und Käse, als auch süß mit Marmelade beliebt.
Gastro News: Was macht ein gutes Brot aus?
Schmidl: Ein gutes Brot ist für mich eines der elementarsten Lebensmittel und wie der Name schon sagt, lebenswichtig. Es muss einerseits saftig sein mit einer schönen Kruste, ein harmonisches Aroma haben und auch noch nach mehreren Tagen gut schmecken. Andererseits sollte es bekömmlich sein und einfach dem eigenen Körper gut tun. Das bedeutet für uns in der Bäckerei Schmidl, dass unsere Natursauerteige wirklich lange Zeit bekommen, um ihre Gärung und ihr Aroma zu entfalten und dass wir auf künstliche Zusatzstoffe verzichten.
Gastro News: Was sind die häufigsten Fehler in der Produktion?
Schmidl: Einer der häufigsten Fehler ist aus meiner Erfahrung eine zu kurze Teigführung. Das spart zwar Zeit. Aber das Brot wird schwerer verdaulich. Manche Menschen klagen dann über Blähungen, Bauchschmerzen oder auch Verdauungsprobleme. Auslöser sind sogenannte Fodmaps, das sind fermentierbare Zuckerverbindungen. Besser bekannt sind sie als Fruktose, Laktose oder Zuckeralkohole. Sie werden im Dickdarm rasch vergärt und können Beschwerden verursachen. Fodmaps kommen in vielen Nahrungsmitteln vor und auch im Mehl bzw. im Teig. Allerdings werden die Fodmaps während der Gärung langsam abgebaut. Denn die Teiggärung benötigt Zuckerverbindungen und verbraucht so nach und nach alle Zuckerverbindungen im Teig und eben auch die Fodmaps. Je länger der Teig gehen darf, desto wenige Fodmaps enthält er. Deshalb legen wir in der Bäckerei Schmidl so viel Wert auf eine lange Teigführung. Wir haben Brote, die haben eine Rastzeit von bis zu 16 Stunden.
Gastro News: Derzeit hört man überall von Preissteigerungen in der Branche. Wie stark bist du in der Bäckerei Schmidl davon betroffen?
Schmidl: Sehr stark. Die Preise für Energie und landwirtschaftliche Rohstoffe steigen derzeit fast explosionsartig. Weizen ist beispielsweise um mehr als 40 Prozent teurer als im letzten Jahr, Rapsöl um 100. Eier, Milch, Zucker sind teurer geworden. Und dazu kommen noch die Energiekosten. Unsere Backöfen arbeiten mit Gas, das spüren wir gewaltig. Wir sind da gerade in einer ziemlichen Zwickmühle, weil wir einerseits diese Preissprünge nicht eins zu eins an die Kunden weitergeben können, andererseits aber mittlerweile keine Einsparungspotenzial mehr haben. Denn bei der Qualität unserer Produkte möchten und werden wir keine Kompromisse schließen. Wir kaufen bei regionalen Produzenten, verzichten auf künstliche Zusatzstoffe und arbeiten zum Großteil noch händisch statt mit Maschinen. Das schmeckt man auch, und das ist auch der Grund, warum unsere Kunden bei uns einkaufen.
Gastro News: Du hast einen Familienbetrieb übernommen, fühlst du dich der Tradition verpflichtet oder kannst du mit ihr brechen und Neues auf den Weg bringen?
Schmidl: Tradition und Innovation schließen sich aus meiner Sicht nicht aus. Gerade das Bäckerhandwerk hat etwas sehr Kreatives. Die Handarbeit mit Teigen regt die Fantasie an, das Nachdenken über neue Produkte. Wir entwickeln jedes Jahr eine neue Brot- oder Gebäcksorte, manchmal sogar zwei. Und wir verbessern ständig Rezepturen. Das geht vor allem in der etwas ruhigeren Winterzeit gut. Da kann ich gut tüfteln und experimentieren.
Aber natürlich, einen Familienbetrieb zu führen, heißt auch, Verantwortung für das Familienerbe zu übernehmen und für die Mitarbeiter. Mir ist wichtig, dass wir langsam und mit Qualität wachsen. Und, dass ich meinen Mitarbeitern ein Arbeitsumfeld schaffe, in dem sie sich wohl fühlen und entfalten können. Dafür braucht es auch Visionen. Das ist auch der Grund, warum ich etwa ein Grundstück für eine neue Backstube suche. Ich möchte mehr Platz schaffen für mein Team und unsere Backexperimente.
Gastro News: Deine Rolle als Visionärin und Unternehmerin ist nicht unbemerkt geblieben, denn du wurdest zuletzt mehrfach für dein Schaffen ausgezeichnet. Welchen Stellenwert haben namhafte Auszeichnungen für dich?
Schmidl: Zunächst einmal habe ich mich über die Nominierung beim Entrepreneur of the Year 2020 und beim Unternehmerinnen Award 2021 sehr gefreut. Auszeichnungen sind immer so etwas wie eine Messlatte für das eigene unternehmerische Handeln. Als Chefin von einem mittelständischen Unternehmen muss ich tagtäglich so viele Entscheidungen treffen. Feedback kommt aber selten. Ein Award ist für mich eine willkommene Feedbackschleife, die ich sonst selten so objektiv und direkt bekomme. Und natürlich schafft eine Auszeichnung auch eine gewisse Sichtbarkeit.
Gastro News: Und wenn du dann einen Moment lang zur Ruhe kommst. Womit verbringst du deine Freizeit, abseits hektischen Arbeitsalltags?
Schmidl: Ich liebe die Natur und kann bei Wanderungen, beim Spazierengehen und beim Laufen viel Kraft schöpfen. Und ich interessiere mich sehr für Kultur und Musik, gehe gerne in Konzerte und ins Theater, am liebsten mit meinen Kindern. Wichtig ist mir, dass wir in meiner Freizeit als Familie etwas unternehmen.
Gastro News: Auf welche Speise oder welches Getränk kannst du nicht verzichten?
Schmidl: Ganz klar, auf Brot. Ich habe schon als Kind den Geruch von frischem Brot geliebt. Es gibt die Geschichte, dass ich als Kind in jedes Weckerl reingebissen habe. Das tue ich zwar heute nicht mehr. Aber ein gutes Brot mit Butter ist einfach etwas Feines.
Gastro News: Vielen Dank für das Gespräch.