45 Jahre, 5 Hauben: Andreas Döllerer über Erfolg, Herausforderungen und „seine“ alpine Küche

Lisi Brandlmaier

@Joerg Lehmann

In der Welt der Gastronomie gibt es nur wenige hochkarätige Namen in Österreich, die so viel Respekt und Anerkennung genießen wie Andreas Döllerer. Mit 45 Jahren Erfahrung und fünf Hauben hat er sich als einer der führenden Köpfe in der kulinarischen Szene etabliert. In einem aufschlussreichen Gespräch teilt er seine Gedanken über Erfolg, Herausforderungen und die Entwicklung seiner eigenen kulinarischen Philosophie.

Hattest du jemals mit einem derartigen Erfolg gerechnet?

Andreas Döllerer: Schwer zu sagen. Gerechnet ist sicher der falsche Ausdruck. Ich war mir immer desswen bewusst, dass ich, wenn ich etwas mache, es so gut wie möglich tun möchte. Aber man hat es nicht komplett in der Hand und daher war auch immer mein Ziel, mich nicht über Auszeichnungen zu definieren. Ich bin sicher, dass unser Restaurant nicht perfekt ist, aber wir arbeiten immer daran, noch besser zu werden.

Was sind bzw. waren denn so die größten Herausforderungen in deiner Karriere?

Ich bin sehr jung Küchenchef geworden, da war ich gerade einmal 23 Jahre alt und hatte daher sehr früh eine riesengroße Verantwortung. Durch meinen Vater war das Restaurant bereits etabliert und die Fußstapfen waren dementsprechend groß. Die größte Herausforderung war sicherlich, die Gäste und Kritiker zu überzeugen und gleichzeitig aber nicht nur das zu halten, was war, sondern unser Können, unser kulinarisches Angebot auf einem höheren Niveau weiterzuentwickeln, auszubauen.

Das ist Ihnen gelungen. Gibt’s dafür ein Geheimrezept?

Nun ja. Das war auch nicht immer alles einfach. Als junger Koch neigt man dazu, zu übertreiben, da man seine Grenzen nicht kennt. Die Gesundheit spielt da nun mal nicht mit und das habe ich erkannt. Man muss erkennen, dass es auch andere Prioritäten gibt im Leben. Nur dann kann man das lange und erfolgreich machen.

Demnach war es auch sicherlich nicht einfach, die alpine Küche zu erfinden bzw. zu definieren und auf die Teller „in die Welt“ – zumindest vorerst mal in Österreich – zu bringen?

Absolut. Die letzten 20 Jahre waren sehr herausfordernd aber zum Glück auch erfolgreich. Du musst von dem überzeugt sein, was du tust. Nicht nur als Koch, sondern auch als Esser und als Mensch. Ich bin und war von der „alpinen Küche“ überzeugt. Aber einfach war das nicht. Man musste sie definieren, man brauchte neue Lieferanten und am Ende musste man natürlich auch die Gäste davon überzeugen. Das ist geglückt.

Unser Restaurant ist nicht perfekt. Da bin ich sicher. Aber wir arbeiten tagtäglich daran, noch besser zu werden.

Andreas Döllerer
@Joerg Lehmann

Die Alpine Küche

Andreas Döllerer wird oft als Erfinder der alpinen Küche bezeichnet, doch er sieht sich eher als jemand, der dieser Richtung einen Namen gegeben hat. „Die Begrifflichkeit hat gefehlt, ich hab es auf den Punkt gebracht. Dem Kind einen Namen gegeben sozusagen. Aber es gab die Küche ja eigentlich schon.“, erklärt er. „Wir versuchen Heimat auf dem Teller zu spiegeln. Das macht im Grunde jede Region, aber wenn man es etablieren möchte und es griffiger sein soll, dann braucht es einen Namen.“ Dabei betont er die Vielfalt regionaler Produkte und die Notwendigkeit einer persönlichen Handschrift in der Küche.

Seine kulinarische Philosophie wurde durch verschiedene Einflüsse geprägt. „Das Handwerk zu erlernen ist das eine; daraus eine eigene Philosophie zu entwickeln braucht Zeit“, sagt er. Während er internationale Küchen erkundet – von Frankreich bis Japan – bleibt seine Leidenschaft für regionale Produkte ungebrochen. „Wichtig ist, dass man kein Oberlehrer sein sollte. Viele tolle Köche im alpinen Raum haben kochen ähnlich und doch anders. Die Alpine Küche lässt viel zu, weil die Produktvielfalt höher ist. Wir servieren keine internationalen Luxusprodukte. Wir haben genug in den Alpenregionen. Eine riesengroße Produktpalette zu jeder Saison.“

Stichwort „Regionalität & Saisonalität“ – siehst du hier eine Veränderung in der Gastronomie?

„Regional“ ist für mich kein Trend sondern eine Selbstverständlichkeit. Und hier ist die alpine Küche auch breiter aufgestellt. Ein Trüffel aus dem Piemont etwa ist für mich kein No Go weil er in den Alpen wächst. In der alpinen Küche machen wir keine Grenzküche. Wir haben Spargel aus Bayern. Der ist mir näher, als der aus dem Marchfeld. Der blaue Hummer aus der Bretagne – herrlich! Aber das muss natürlich jeder Koch für sich selbst entscheiden. Was meiner Meinung nach nicht passieren darf ist, dass alle dasselbe anbieten. Dass sich so viele Köche der regionalen und saisonalen Küche verschreiben, ist großartig – das war in Frankreich schon vor 40 Jahren so. Und wir holen mittlerweile mit einem Tempo auf, das atemberaubend ist.

Die richtige Selbsteinschätzung ist wichtig. Und die mache ich selbst und überlasse sie nicht irgendeinem Guide.

Andreas Döllerer

Welchen Rat würdest du jungen KöchInnen oder KollegInnen geben?

Mutig sein! Jeder muss seinen Weg suchen und wenns gut läuft, findet man ihn auch. Ich finde es auch enorm wichtig, zu wissen, was international passiert. Ich bin der Meinung, dass man so viel essen sollte, wie möglich (lacht). Im Ernst – deswegen bin ich so viel auf der ganzen Welt unterwegs. Ich schaue mir Restaurants an, die mich interessieren. Küchenlinien und Konzepte. Was wird international auf dem kulinarischen Parkett gespielt und wie kann ich mich in diesem Spiel sehen und einschätzen. Die richtige Selbsteinschätzung ist wichtig. Und die mache ich selbst und überlasse sie nicht irgendeinem Guide.

Und was passiert international gerade so? Mexiko wird derzeit ebenso gehyped wie der Norden…

Die nordische Küche hat mich zum Beispiel nicht erreicht oder berührt. Sie war schon immer ganz cool aber so richtig geschmeckt hat sie mir nie. Und das ist für mich das Allerwichtigste. Es muss schmecken! Mexiko wird derzeit extrem gehyped, das stimmt. Ich habe da aber meine Vorbehalte. Ich erinnere mich, das war auch bei Peru, Israel und Nordafrika so. Alle waren dort, haben geschwärmt, Konzepte kamen zu uns. Dann bin ich hin und es hat mich einfach nicht abgeholt. Ich befürchte, dass es mir in Mexiko ähnlich gehen wird. Aber wenn es in 5 Jahren immer noch so gehyped wird, fliege ich hin.

Welche Küche – abgesehen von der alpinen Küche – holt dich denn ab?

Ich liebe die französische Küche. Ebenso wie Spanien und Italien. Seit einigen Jahren finde ich die japanische Küche genial und die Westküste Amerikas ist ebenso großartig. Es gibt einfach so viele tolle Konzepte und Restaurants.

Da ist die Frage naheliegend, wo die nächste Reise hingeht?

Die nächste größere also internationale Reise geht nach Korea. Hongkong folgt auch bald. Aber man darf nicht auf Europa vergessen. Hier bin ich bis Ende des Jahres auch noch – teils beruflich – unterwegs. (lacht)

Und wenn es mal nicht beruflich sein soll, was machen Sie, um zu entspannen?

Entweder essen gehen oder Sport. (lacht) Eines muss uns schon bewusst sein. Wir haben uns den Job ausgesucht, weil wir ihn lieben. Es ist eine Passion. Daher beschäftige ich mich auch damit, wenn ich frei habe, weil es einfach keine Arbeit für mich ist. Bei mir hört das nicht auf. Natürliche gönne ich mir Pausen. Das ist auch wichtig. Nach den Festspielen fahren wir zum Beipsiel eine Woche nach Mallorca. Dort haben wir ein Haus gemietet und leben in den Tag hinein. Wir gehen essen, wir kochen aber auch. Ganz ohne Druck und vollkommen entspannt. Wie im Job. Wenn du als Koch zu viel Druck machst und hast, dann merkt das der Gast und das kann ein Problem werden.

Wer kocht im Urlaub?

Schon ich. Ich koche auch gerne mit anderen und das klappt auch super. Aber irgendwer muss ja das Kommando haben…(lacht)