Hanni Rützler, Publizistin und Gründerin des futurefoodstudios ist eine der führenden Foodtrend-Forscherinnen Europas. Wir haben mit ihr gesprochen. Über fanatische Veganer, Essen und Religion, Öko-Diktatur und das ethisch korrekte Huhn.
Gastro News Wien: Jeder Einkauf ist politisch, aber wie in der Politik haben sich die Fronten hier verhärtet. Fleisch-Esser vs. Veganer ist das Match der Stunde. Wie kann man diese Debatte wieder auf eine sachliche Ebene hieven?
Hanni Rützler: Gute Frage! Das Plädoyer für mehr Nonchalance in Fragen zur Esskultur, das ich vor fünf Jahren gemeinsam mit Wolfgang Reiter in unserem Buch „Muss denn Essen Sünde sein?“ gehalten habe, ist ja zumindest bei den radikalen Vertretern und Vertreterinnen der beiden Positionen unerhört geblieben. Essen ist für viele zum Religionsersatz geworden, Fanatismus inbegriffen. Und mit Fanatikern kann man nicht diskutieren.
Droht, wie Richard David Precht meint, eine Öko-Diktatur, wo bestimmt wird, was wir zu essen haben und was nicht?
Dass eine Bewegung wie die Veganer, die in Österreich und Deutschland von maximal 1,5 Prozent der Bevölkerung getragen wird, darüber entscheiden könnte, was alle anderen zu essen haben oder nicht, halte ich für übertriebenen Alarmismus. Da brauchen wir uns als Omnivore (Anm.:Tiere, deren Nahrung sich aus verschiedenartiger Kost aus Pflanzen und Tieren zusammensetzt) wirklich keine Sorgen machen. Dass es den Veganern gelungen ist, ihre Themen so wirksam im öffentlichen Diskurs zu halten, ist aber auch ein Zeichen, dass sie damit einen wunden Punkt in unserer Esskultur treffen: Aus gesundheitlicher, tierethischer, ökologischer oder klimabewusster Perspektive gesehen ist unsere industrielle Fleischproduktion und unser übermäßiger Fleischkonsum zu recht zu problematisieren.
Plant Based Food klingt gesund, ethisch und ökologisch korrekt und nicht nach entsagen, schrieben Sie unlängst. Welche sind die spannendsten, welche die besten Alternativen zu Fleisch?
Der Terminus „Plant Based Food“ verweist ja schon auf eine ideologische Abrüstung. Eine auf pflanzlichen Lebensmitteln basierende Ernährung zielt nicht zwangsläufig auf Verbote und Entsagung. Wir sollten den Begriff daher nicht auf Fleischersatzprodukte verengen und die Deutungshoheit nicht nur der veganen Bewegung und der Lebensmittelindustrie, die unter dem Label oft auch mediokre Fertigprodukte vermarktet, überlassen, sondern uns offensiv darum bemühen, ihn offener zu gebrauchen. Auch für Speisen, die überwiegend aus pflanzlichen Ausgangsprodukten bestehen. Und – um auf Ihre Frage zurückzukommen: Die beste Alternative zu Fleisch ist gut und gekonnt zubereitetes Gemüse. In den Küchen von Yotam Ottolenghi oder Heinz Reitbauer kann man sich davon immer wieder überzeugen.
Regionalität ist ein langfristiger Trend, der prinzipiell grundvernünftig erscheint. Wenn man das etwa an Fleisch und Geflügel festmacht, muss man allerdings feststellen, dass größere Betriebe naturgemäß effizienter arbeiten. 10 000 Hühner im Stall verbrauchen pro Huhn weniger Energie, weniger Co2 etc. als ein kleiner Biohof. Welches Huhn soll man also kaufen?
Ihr Rechenbeispiel folgt einer kapitalistischen Effizienzlogik, die tierethische und kulinarische Aspekte ausklammert. Ich würde dem gerne eine küchentechnische Effizienzlogik gegenüber stellen: Kaufen Sie ein ganzes Huhn aus biologischer Freilandhaltung und verwerten Sie alle Teile zu Bestandteilen mehrerer Gerichte. Dann brauchen Sie weniger Hühner und erzielen eine größere kulinarische Vielfalt. Und sparen auch noch CO2.
Die wachsende Weltbevölkerung und der Klimawandel werden unser Essverhalten prägen. Was essen wir morgen?
Mehr Plant Based Food und bald auch Cultured Meat and Fish.
Frau Rützler, herzlichen Dank für das Interview!
Die ausgebildete Ernährungswissenschafterin und Gesundheitspsychologin spürt den Trends auch in ihrem jährlich publizierten Food Report (Zukunftsinstitut) nach.
Informationen: www.zukunftsinstitut.de
Rüttlers Futurefoodstudio: www.futurefoodstudio.at