Betriebsanlagen-Profi Jakob Wieser Linhart gibt in seinen nun regelmäßig erscheinenden Kolumnen Einblicke in Entwicklungen und Neuheiten in seinem Sektor. Die Gewerbeordnung von 1859 überlebte beide Weltkriege. Teil 2 zur Entwicklung der österreichischen Wirtschaftsstruktur
Vom 18 jährigem Kaiser Franz Josef I. erschaffen überstand seine Gewerbe-Ordnung den ersten und zweiten Weltkrieg und regelt in abgeänderter Form (GewO 1994) immer noch die gewerbliche Betriebsamkeit in Österreich. Mehr über die Entstehungsgeschichte finden Sie hier im vorangegangenem Artikel.
Durch sein Meisterwerk von 1859 konnten zwar „III. Sämtliche derzeit in Kraft bestehende Vorschriften über Erlangung von Gewerbs-, Fabriks- und Handels-Berechtigungen, sowie alle mit dieser Gewerbe-Ordnung unvereinbarlichen älteren Normen über deren Ausübung, … vom obigen Zeitpuncte angefangen, außer Wirksamkeit gesetzt“ werden und „IV. Die in diesem Gesetze enthaltenen Bestimmungen gelten, mit der in dem nachfolgenden Artikel ausgedrückten Beschränkungen, für alle gewerbsmäßig betriebenen Beschäftigungen, sie mögen die Hervorbringung, Bearbeitung oder Umstaltung von Verkehrsgegenständen, den Betrieb von Handelsgeschäften, oder die Verrichtung von Dienstleistungen und Arbeiten zum Gegenstande haben.“
Unter IX. der ersten Gewerbe-Ordnung wurde noch festgesetzt: „die durch das Privilegiengesetz den Inhabern von Erfindungs- Verbesserungs- und Entdeckungs-Privilegien gewährten Rechte werden durch das gegenwärtige Gesetz nicht berührt.“ und zu guter Letzt „X. Unser Minister des Innern ist mit dem Vollzuge dieses Gesetzes beauftragt.
Gegeben in Unserer Haupt- und Residenzstadt Wien am 20. December im Eintausendachthunder neunundfünfzigsten, Unserer Reiche im zwölften Jahre.“ Obwohl Franz Joseph I. im Jahr 1958 erst seit 1848 offiziell Kaiser von Österreich und König von Ungarn und Böhmen war und somit selbst mit Rechtskraft seines Patentes 1860 erst im 11. Jahre seiner Regentschaft gewesen war.
Die beiden Weltkriege erschütterten die Wirtschaft und die Gesellschaft
Der erste Weltkrieg lähmte von 1914 bis 1918 das gesellschaftliche und ordentliche wirtschaftliche Treiben bis weit über die europäischen Grenzen hinweg wobei nach dessen Ende und nach dem Tode unseres geliebten Kaiser Franz Joseph I. vor allem der Raubbau und Schleichhandel in all seinen Facetten florierte. Nach dem Zerfall Österreich-Ungarns und dem Wegfall des Groß der Landesfläche sowie dem Verlust des Meereszugangs kam dann wohl das bittere Erwachen, dass ohne eine geordnete gewerbliche Betriebsamkeit und dem einhergehenden Zerfall des gesitteten Gesellschaftswesens kein funktionierender Staat zu betreiben ist.
Dieses ungeordnete Chaos gepaart mit einer Vielzahl an hochdekorierten Militärs, welche teilweise übereifrig einen neuen Krieg herbeisehnten um weitere Orden und Verdienstabzeichen zu ergattern spielte eine entscheidende Rolle bei den Geschehnissen, welche sich vor allem vor- und während des zweiten Weltkriegs (1939-1945) ereigneten, der eine globale Ausdehnung für sich beansprucht hatte.
Die Alliierten waren begeistert von den kaiserlich königlichen Bauten und Prunksälen
Die Besatzungsmächte im Haus der Industrie , vis-a-vis dem Haus der Kaufmannschaft, waren bestimmt angetan von der imperialen Ausstattung der Gebäude und entdeckten innerstädtisch neben den Museen nach und nach immer noch prächtiger verzierte Säle und Versammlungsräume und so wurde Österreich verschont und errang seine immerwährende Neutralität, wenngleich sich auch viele Mobilien auf Militärtransportern in die Ländereien der Siegermächte aufmachten.
Der Behördenapparat, quasi das Vermächtnis des Kaisers, blieb uns gemeinsam mit den Immobilien wie Bahnhöfen genauso erhalten wie die beiden Wiener Hochquellwasserleitungen, welche die Lebensadern der österreichischen Hauptstadt bilden und auch in so manch alten Betriebsanlagengenehmigungen Erwähnung finden, erhalten.
Zwischen den beiden Weltkriegen herrschte das Chaos
In der Zwischenkriegszeit kam die Gewerbeordnung kaum zum Einsatz und auch der Brand im Justizpalast paralysierte den österreichischen Behördenapparat. Zur Kriegsvorbereitung und während dem 2. Weltkrieg wurden auch viele Betriebe und Einrichtungen für Rüstungs- und Propagandazwecke zweckentfremdet, natürlich ohne erforderliche Genehmigung jedoch unter militärischer Kontrolle und Aufsicht. Erst mit dem Wiederaufbau erinnerte man sich in der Nachkriegszeit an den Luxus einer geregelten Wirtschaft und begann wieder vereinzelt damit, den verschiedensten Gewerbebetrieben ein ordentliches Genehmigungsverfahren zukommen zu lassen.
Die Revolutionen im Jahr 1989 brachten den Zerfall des Eisernen Vorhangs mit sich und im Herbst der Völker und dem Niedergang des Kommunismus baute die Volksrepublik Ungarn ab dem 2. Mai 1989 die Grenzzäune zu Österreich ab womit der Siegeszug der freien Marktwirtschaft aber auch des Kapitalismus begann. Je mehr die freien Märkte zusammenwuchsen desto wichtiger wurde eine geregelte Wirtschaftsleistung, die nur durch eine Weiterentwicklung der Gewerbeordnung bewerkstelligt werden konnte. Ein Regulierungswahn brach aus wobei bis heute nur minder geeignetes Bürokratieinstrumentarium entwickelt werden konnte. Über die Auswüchse der notwendigen Regulierungswut werde ich hier weiter für Sie berichten.