Wiener Sicht zum Tag des Kaffees am 1. Oktober
Wien (Culinarius/OTS) – Ob Melange, Großer Brauner, Einspänner oder Verlängerter – die Spezialitäten der österreichischen Kaffeekultur sind weltweit einzigartig. Besonders in Wien hat die Kunst des Kaffeebrühens seit Jahrhunderten Tradition. Bereits vor mehr als 300 Jahren eröffnete das erste Wiener Kaffeehaus. Heute hat jeder Gastronomiebetrieb eigene Methoden bei der Zubereitung des Koffeingetränks. Doch gibt es hierbei auch einen gemeinsamen Nenner: Gewisse Standards in Qualität und Brühverfahren sind essentiell für guten, österreichischen Kaffee.
Von der Bohne zum Kaffeepulver – bewährte Standards in der Herstellung
Bis das beliebte Getränk ins „Häferl“ kommt, müssen einige Qualitätsfaktoren geprüft werden. Dies geschieht mithilfe von Internationalen Standards. Am Beginn des Prozesses steht zum Beispiel die Probenentnahme der unverarbeiteten grünen Bohnen nach ISO 4072. „Es ist vor allem für die Lebensmittelsicherheit enorm wichtig, von Anfang an die Qualität der Kaffeebohnen zu prüfen“, sagt Dr. Sonja Masselter, Institutsleiterin für Lebensmittelsicherheit in Innsbruck. Ihr Institut ist Teil der AGES, der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit. „Wir überprüfen und begutachten einerseits nach dem Österreichischen Lebensmittelbuch Codexkapitel B12 (ÖLMB), andererseits auch nach den Bestimmungen des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes (LMSVG). Dort sind alle relevanten Prüfverfahren verankert, um letztlich die Sicherheit des Lebens- und Genussmittels Kaffee zu gewährleisten.“
Später werden die Bohnen geröstet. Viele Kaffeeproduzenten arbeiten hier nach der sogenannten Wiener Röstung. Dieses Röstverfahren ergibt eine mitteldunkle Farbe der Kaffeebohnen. Masselter: „Hellere Röstungen sind vom Geschmack her eher säuerlich, dunklere Sorten eher süßlich und leicht bitter. Anstelle einer kurzen Röstdauer bei hoher Hitzeeinwirkung ist für die Qualität des Kaffees eine langsame Röstung bei niedriger Hitze optimal. Kaffee enthält neben Mineral-und Aromastoffen auch Chlorogensäuren. Beim Röstprozess werden bis zu zwei Drittel der Säuren abgebaut. Die Kaffeesorte ‚Arabica‘ enthält zudem weniger Chlorogensäuren als die Sorte ‚Robusta‘ und ist daher für Personen mit empfindlichem Magen bekömmlicher.“
Die gerösteten Bohnen können ganz oder gemahlen erworben werden. Nach der Mahlung kann mittels Luftstrahlsieb-Verfahren nach DIN 10765 die Korngröße bestimmt werden. Dies ist besonders wichtig für die Zubereitung – je feiner das Korn, desto wasserundurchlässiger. Masselter dazu: „Um eine optimale Extraktion der gemahlenen Bohnen zu erreichen, ist – je nach beabsichtigter Zubereitung – der Mahlgrad zu wählen. Um einen guten Kaffee zuzubereiten, gibt es viele Möglichkeiten. Ob Filterkaffee oder Espressomaschine ist dabei ausschließlich eine Frage des persönlichen Geschmacks.“ Jede Zubereitungsart hat ihre Vorzüge. „Wenn die Qualität der Rohware passt, braucht man nicht unbedingt ein teures Gerät, um Kaffee zu genießen“, meint Masselter.
Qualitätsprüfung durch standardisierte Methoden
Sind diese beiden Schritte geschafft, können weitere Qualitätsindikatoren untersucht werden. Die Bestimmung des Koffeingehalts im Kaffee – nach einer Referenzmethode des Standards ISO 20481 – ist eine wichtige Information für den Verbraucher. Masselter: „Koffein ist ein besonderer, wertbestimmender Bestandteil des Kaffees. Viele Leute trinken Kaffee wegen seiner anregenden Wirkung. Gerösteter Kaffee enthält im Mittel 1,25 Gewichtprozent Koffein. Auch der maximal zulässige Wassergehalt von geröstetem Kaffee ist im ÖLMB geregelt.“ Der Wassergehalt wird auf Basis des Standards DIN 10781 ermittelt.
Know-how in der Kaffeeproduktion – von Österreich bis Nepal
Kaffee ist sozusagen österreichisches Kulturgut. Durch eine jahrhundertelange Tradition hat man sich spezielles Know-how angeeignet, das man in die Entwicklung von Internationalen Standards einfließen lässt. „Direkt oder indirekt sind auch österreichische Experten an der Erstellung von Standards beteiligt“, sagt Mag. Rupert Hochegger, Leiter der Abteilung Molekular- und Mikrobiologie am Institut für Lebensmittelsicherheit der AGES Wien. Er ist Vorsitzender des Komitees für Lebens- und Futtermitteluntersuchungsverfahren bei Austrian Standards. „Die Aufgaben des Komitees sind sehr vielfältig: sei es direkt durch Mitarbeit in den einschlägigen Arbeitsgruppen der internationalen Institutionen für Standards, CEN bzw. ISO, oder im Zuge der Kontrolle und Evaluierung von Methodenvorschlägen.“
Via Austrian Standards findet österreichisches Know-how nun auch seinen Weg nach Nepal, wo erst seit etwa 30 Jahren Kaffee angebaut wird. In einem EU-finanzierten Consultingprojekt wird mit deutschen und Schweizer Partnern die Entwicklung eines nationalen nepalesischen Standards für biologisch angebauten grünen Kaffee der Sorte Arabica unterstützt. Ein eigenes Komitee wird Anforderungen an das Produkt und an den gesamten Produktionsprozess von der Anzucht bis zur Verpackung definieren.
Über Austrian Standards:
Standards sind von Fachleuten erarbeitete Empfehlungen. Sie dienen dem Wohl und der Sicherheit aller, machen das Leben einfacher und sorgen dafür, dass eins verlässlich zum anderen passt. Standards (z. B. ÖNORM) stehen für Qualität und damit für Vertrauen in Produkte und Leistungen. Austrian Standards stellt seit 1920 als unabhängige und neutrale Plattform einen transparenten Prozess zur Entwicklung von Standards in Österreich sicher.
Als das österreichische Mitglied von CEN, dem European Committee for Standardization, und ISO, der International Organization for Standardization, ermöglicht Austrian Standards allen, an der Entwicklung von Standards mitzuwirken. So wird sinnvolles und international anerkanntes Fachwissen leicht zugänglich und anwendbar. Austrian Standards beschäftigt 113 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Standards sorgen in Österreich für ein Mehr an innovativer Wirtschaftsleistung in Höhe von rund 2,5 Mrd. Euro pro Jahr. www.austrian-standards.at