Hochwertige Tradition in moderner Umsetzung
Zugegeben, manchmal schieben wir etwas auf die lange Bank, vielleicht sogar ins nächste Jahr hinein. Das sollten Sie allerdings mit diesem Vorhaben nicht machen: Planen Sie den Besuch beim HEUER im Karlspark sobald als möglich ein – oder sind Sie vielleicht schon kulinarischer „Wiederholungstäter“? Das wäre bei einem so vielseitigen Projekt auch durchaus verständlich.
Wir von Gastronews.wien treffen Geschäftsführer Andreas Wiesmüller und Küchenchef Peter Fallnbügel zum Interview. Schon der berufliche Werdegang der beiden Herrn ist sehr interessant: Wiesmüller hat vor 10 Jahren sein IT-Unternehmen verkauft und investiert seither Energie und Geld in unterschiedlichste Projekte, unter anderem ist er Mitbegründer der Zeitschrift „biber“ sowie der „biber“-Akademie, die Stipendien für eine Journalismus – Ausbildung für Migranten der 2./3. Generation vergibt. Peter Fallnbügls Berufsweg führte über ihn über den Arlberg, die Schweiz und London für 4 Jahre nach Wien in den Volksgarten-Pavillon. 2014 wurde nach einer Umbauphase von einem halben Jahr – einem spannenden Projekt, wie sich beide einig sind – das HEUER eröffnet.
Ein Lokal mit schöner Terrasse mitten im Grünen an einem absoluten Hotspot der Stadt ist an und für sich schon etwas ganz Besonderes, zu toppen eigentlich nur noch von der Linie des Küchenchefs, der sich absolut der Tradition und dem Purismus bei höchsten Qualitätsansprüchen verschrieben hat: Er verarbeite beste Lebensmittel, von 36 Kleinbauern und Manufakturen aus der Umgebung fast täglich angeliefert, nach traditionellen Rezepten und auch Konservierungsmethoden. Ohne Herd und Feuer gehe bei ihm gar nichts, gern verwende er Lehm-Ofen und Smoker, erklärt uns Fallnbügl seine Arbeitsweise. Die Rex-Gläser an der Regalwand im Lokal enthalten viele seiner Köstlichkeiten, Stauraum sei Mangelware in der 20 Quadratmeter großen Küche. „ Wie die Oma früher für eine größere Familie alles selbst gemacht hat, so verwöhnt Peter jetzt unsere Gäste“, bewundert Andreas Wiesmüller den Kochprofi. Bei einem Lokal mit 400 Sitzplätzen und 50 Mitarbeitern ein mutiges, aber – wie man sieht – absolut erfolgreiches Unterfangen.
Die Speisekarte spiegelt die Vielfalt des Angebots wider : Frühstück von 10-16 Uhr, zu Mittag je zwei Menüs Fisch/Fleisch oder vegetarisch/vegan, eine beeindruckende Auswahl der Patisserie – ohne gehärtete Fette oder Backpulver, nur ganz selten mit Weißmehl. Getränke mit selbst gemachtem Sirup und Cocktails mit ungewöhnlichen Kräutern und Gewürzen – hier ist Kochen absolute Passion! An der Bar mixt und shakt Barchef Bert Jachmann selbst Angebautes und Eingelegtes mit edlem Hochprozentigem – 350 Spirituosen warten hier auf echte Genießer!
Aber nicht nur für die Zubereitung der Speisen gilt höchste Sorgfalt, auch mit dem Abfall wird verantwortungsvoll umgegangen: Die Austernpilze zieht man auf dem im Lokal anfallenden Kaffee-sud, mit einem Lastenrad werden sie vom Hof zurücktransportiert – nicht nur hier schließt sich der Kreis.
Die Begeisterung für respektvollen Umgang mit Lebensmitteln thematisiert auch der Verein Karlsgarten, der erste Schaugarten Wiens und das erste Labor für Urban Farming. Mit diesem Projekt hat man den urbansten Ort der Stadt zu einem Platz der Forschung gemacht, man präsentiert Schulen in Zusammenarbeit mit Universitäten alte biologische Anbauformen von Obst, Gemüse und Getreide. So bringt man den Stadtbewohnern natürliche Lebensmittelproduktion und somit größere Wertschätzung für diese näher, ebenso gelingt durch Hochbeete und Obstbäume eine gewisse Ent-schleunigung der stark frequentierten Zone. Diese Arbeit erntet international großes Aufsehen, Journalisten aus vielen Ländern berichten über diesen Hotspot für Studenten, Kreative und Gäste mit Interesse für Kulinarik und Kunst, deren Bewusstsein für nachhaltigen Lebensstil geschärft wird.
Das HEUER ist also viel mehr als ein Restaurant und eine Bar mit sehr bewusstem Konzept, es bietet auch eine offene Bühne, die antizyklisch Raum für kleinere Veranstaltungen aus den Sparten Musik, Kultur, Film und Mode schafft. Hier sollen zum Beispiel mit einem „Little Woodstock Festival“ Formate geschaffen werden, die einem jungen internationalen Publikum ein ganz anderes Wien-Profil zeigen als das traditionelle mit Wiener Schnitzel und Sachertorte, Fiaker und Neujahrs-Konzert.
Am 29.Juli findet mit dem Liquid Market das Vienna Gardening Cocktail Festival statt, eine Cocktail-Messe, bei der Vertreter der besten Bars Wiens mit Zutaten wie Basilikum, Rosmarin, Thymian, Koriander und Chilli verschiedenste Drinks kreieren – eine Renaissance der Wiener Barkultur, deren Besuch sehr interessant und unterhaltsam zu werden verspricht.
Fotocredit: Katharina Sosulski