Wien (Culinarius) – Es gibt zahlreiche ihrer Art und vermutlich jeder Wiener hat so seinen Kandidaten: Sympathisch, trendy, originell und in gewisser Weise einzigartig – das zeichnet zahlreiche Trendlokale abseits der Mainstreambetriebe aus. In diese Sparte passt auch das Aumann im 18. Wiener Gemeindebezirk. Wer hinter dem Aumann steckt, was das Grätzllokal ausmacht und weshalb sogar ein Abstecher aufs stille Örtchen ein kleines Erlebnis ist haben wir bei einer selten Interviewgelegenheit mit dem Betreiber Jörg Wagner herausfinden können.
„Wäre mein Bruder Optiker, hätte ich jetzt vermutlich ein Brillengeschäft.“
„Wir kommen aus einer ganz anderen Branche und wollen nicht im Mittelpunkt stehen, darum findet man auch wenig über den Hintergrund des Aumanns.“, sagt Wagner. Wer hinter der Persönlichkeit steckt, das ist tatsächlich etwas unüblich für die Riege der Lokalbetreiber: „Ich bin zwar Betriebswirt – aber davor war ich Banker.“ Durch die fehlende Erfahrung bedingt, ist er sich aber auch bewusst: „Weil ich kein „Gelernter“ bin, verlasse ich mich sehr stark auf mein Personal, welches bereits Erfahrung in der Gastronomie hat. Das kann zeitweise recht witzig werden, denn ich habe oft Ideen, bei welchen mein Team sagt „dass das dann aber nicht umsetzbar ist“ – deswegen werden viel Entscheidungen auch gemeinsam mit dem Team getroffen.“ Der Begriff „Team“ wird im Aumann eben groß geschrieben: „Wir versuchen die Mitarbeitern so viel wie möglich in Entscheidungsfindungen und Planungen miteinzubeziehen. Natürlich haben wir aber auch ein Führungsteam bestehend aus zwei Betriebsleiter und zwei Küchenchefs (temporär jedoch nur einer), das muss mit mir zusammenarbeiten – den Mitarbeitern steht es aber auch zu, sich einzubringen.“ Ein gastronomisch unbeschriebenes Blatt ist Wagner aber trotzdem nicht: „Das kam natürlich nicht aus dem Nichts – es gab auch einen Input.“
Der Input erfolgte durch seinen eigenen Bruder, der selbst Besitzer Lokale in Wien ist. „Nach meinem Ausstieg als Banker, habe ich etwas mit ihm gemeinsam gemacht – ich bin also nicht ganz „unbeleckt“ dazu gekommen. Wäre mein Bruder aber Optiker, hätte ich jetzt vermutlich ein Brillengeschäft.“ meint Wagner mit einem Lachen.
Er versucht ein lässig-entspanntes Verhältnis mit familiärem Klima zu schaffen, bei einer gleichzeitigen Abkehr vom altmodischen streng hierarchischen Charakter der zahlreichen Gastronomiebetriebe auch heute noch innewohnt: „Mir taugt das, wenn wir wilde Typen haben, die tätowiert kommen und dann die Klientel im 18. bedienen.“
Ein unglaublicher Leistungs-Spagat, ein einzigartiges Kultur- und Sozialkonzept und ein Tresorraum im Keller
Das Aumann versucht für Jedermann etwas zu bieten: „Frühaufsteher als auch Nachtschwärmer, Zeitungsleser und Kommunikationsprofis, Schlemmer und Gesundheitsbewusste, Alles esser und Veganer, Kaffeespezialisten und Weinkenner, Bierfans und Whiskeyliebhaber. Musikgeniesser und Stimmungskanonen, Flirter und Romantiker.“ – so der O-Ton auf der Homepage des Lokals. Ein derartig breites Spektrum bedienen zu können gestaltet sich alles andere als leicht: „Ja, es ist zeit-, kosten- und personalaufwendig; aber wenn du diese Konzeptschiene fährst, musst du es zu 100 Prozent spielen können, sonst verlierst du. Man muss es schaffen, als Frühstückslokal ebenso glaubwürdig zu sein wie zum Mittagessen, dazwischen als Caféhaus zu fungieren und sich am Abend und in der Nacht noch als Cocktailbar zu präsentieren.“ Auf die Frage, wie das Aumann diese Herausforderung bewältigt antwortet Wagner: „Das beginnt schon beim Design. Wichtig ist eine relativ neutrale Einrichtung die ermöglicht, viel mit der Stimmung, dem Licht und der Musik zu spielen und zu experimentieren. Die Atmosphäre ist wichtig um sich wohlzufühlen, aber natürlich auch das Angebot und die Qualität der Gerichte. Wir sind natürlich sehr hochwertig, aber wir können und wollen uns keine Haube „erkochen“ – wir sind eigentlich eine Neuinterpretation des alten Wiener Caféhauses.“ Die Hochwertigkeit und Kompetenz wird durch den Zugang des Betreibers und des Teams sichergestellt: „Wir wollen in allen Bereichen Kompetenz zeigen – das fängt beim Café an, von dem wir drei Blends haben.“ Auch im Bereich der Tees wird der Fokus auf Qualität schnell ersichtlich, denn der Zulieferer für Tee ist niemand geringerer als Wiens ältestes Teehaus Jäger Tee. Des Weitern werden im Aumann auch 12 verschiedene offene Weine angeboten. Auch bei der Herkunft der Produkte wird auf Qualität geachtet: „Bei „Bio“ beispielsweise muss man immer abwägen: Was hinterlässt einen geringeren CO2-Footprint? Teilweise hat das Gemüse, welches aus Österreich stammt und nicht Bio ist weniger Emissionen und Energieverbrauch als Bioprodukte aus Italien oder Spanien – deswegen wollen wir gar nicht behaupten, dass wir 100% Bio sind.“
Wichtigstes Element des Leistungsspagates, den das Aumann erfolgreich meistert, stellt das einzigartige Konzept des Frühstücksmenü dar:„Weil wir gerade hier unsere Kompetenz beweisen wollen! Wir haben eine „Basisbox“, das sogenannte Aumann-Frühstück – und dazu steht es jedem Gast frei, es sich selbst zusammenzustellen. Natürlich gehen wir auch darüber hinaus und bieten Extraspeisen wie Pfannengerichte oder London Breakfast, aber auch die Bagels.“ Es ist klar, dass das Frühstück nicht einfach nur ein Frühstück im Aumann ist: „Wir versuchen das zu zelebrieren – du sitzt in einem netten, hellen Lokal, hörst chillige Musik und einfach ein tolles Publikum.“ Es ist die Vielfältigkeit und die große Auswahl an Frühstücksmöglichkeiten, die das Angebot des Aumanns prägen – „zusätzlich dazu geht das Frühstück sehr lange (am Wochenende bis 3; Anm.) – wir haben mit „Aumännchen“aber auch ein typisches Kinderfrühstück.“
Das Kunst und Kulturkonzept hinter dem Aumann macht den Betreibern großen Spaß: Im Rahmen der „Stadtteilpartnerschaften“ gastiert das Klangprojekt „Trez[]r“ im Lokal.
„Junge Künstler bekommen sonst keine Chance im öffentlichen Raum gezeigt, gespielt und ausgestellt zu werden. Da springen wir ein und holen alle 6 Wochen neuer Künstler. Wagner scheint sehr zufrieden mit dem Projekt: „Ich bin echt glücklich, dass das Konzept funktioniert. Immerhin machen wir das jetzt auch schon zweieinhalb Jahre. Mittlerweile bekommen wir schon Anfragen dazu.Das soziale beziehungsweise künstlerische Engagement des Betreibers endet hier aber nicht: „Auch mit dem Verein Back On Stage haben wir eine Kooperation.“ – diese zielt darauf ab, Jugendlichen mit schwierigem sozialen Backrounds im eigenen Betrieb eine Chance zu geben.
Doch neben dem einzigartigen Frühstückskonzept und den Kunst- und Sozialprojekten ist das, was sich im Keller versteckt ein Unikum: Da das Gebäude früher eine Bank beherbergt hat, war bei Bezug der begehbare Tresorraum vorhanden. Dieser wurde kurzerhand umfunktioniert: Hinter der 60 Zentimeter dicken Sicherheitstür befinden sich ein Vorraum zu den Gästetoiletten. In den Wänden befinden sich immer noch die Schließfächer, die von der Decke hängenden Überbleibsel der Sicherheitskameras wurden zu Lampen umfunktioniert und auf den Toiletten wurde die Waschbeckenzeile in Form eines gigantischen Goldbarren designt. Alles mit Liebe und Kreativität eben, die dem Aumann auch sonst einen Hauch Einzigartigkeit verleihen.
Experimente und das ideale Lokal
Auch bei der Konzeptionierung der Speisekarten wurde überlegt: „Wir haben eine Marktkarte, die wir alle 6 Wochen ändern: Dort liegt der Fokus auf regionalen Gerichten und wir haben hier die Möglichkeit Trends adaptieren und auf dieser Karte ausprobieren.“ Auch hier ist sich Wagner dem Potenzial seines Teams bewusst: „Wir haben 14 Nationen hier und versuchen die Inputs einzelner Teammitglieder miteinzubeziehen.“ Die Marktkarte ist also quasi als dauerhafter „Feldversuch“ des Aumann zu sehen. Was macht für Ihn das ideale Lokal ist beantwortet er mit: „Das Aumann! Das ist nämlich genau das, was ich wollte, es konnte alles verwirklicht und ein Lebenstraum erfüllt werden.Ich stehe manchmal davor und denke mir, das würde in New York so auch durchgehen.“
Besonders die Melange an Menschen, welche in seinem Lokal einkehren, fasziniert ihn: „Ein Pensionisten-Ehepaar, das uns täglich besucht, daneben sitzt der Mistkübler neben dem Bezirksvorsteher, die Businessfrau neben dem Studenten – Diese Melange ist super.“
Fotocredit: Aumann