Wiener Erfolgsgeschichten
Wien (Culinarius) – Treustraße 27, 20. Bezirk Wiens. Diese Adresse ist wohl ein Standort, den es nicht jeder Gastronom wagt zu beziehen. Doch findet man hier zwischen Baustellen, heruntergekommenen Fassaden und lautem Straßenambiente seit 2013 ein wunderschönes Haubenrestaurant – nämlich das von Herr Günther Szigeti. Der „Zwischenbrückenwirt“, wie das Lokal liebevoll nach einem ehemaligen Teil des Bezirks Brigittenau benannt wurde, wartet hier mit bester Wiener Küche und einer umfangreichen Auswahl an Wein auf.
Neben altbewährten Backhendl und Schnitzel versucht sich der Chef de Cuisine Szigeti je nach Saison auch an kreativeren Gerichten und wechselt die Speisekarte „nach Lust und Laune“, wie es auf der Homepage heißt, um den Gästen viel Abwechslung zu bieten. Dabei sind die Preise für eine Haubenküche außerordentlich klein gehalten.
Vor der Zeit des „Zwischenbrückenwirts“ betrieb der gebürtige Wiener von 2005 bis 2012 das Restaurant „Zur schwarzen Katze“, welches innerhalb dieser Zeitspanne mehrmals umziehen musste. So fand man es zuerst an der Hernalser Hauptstraße, dann in der Währinger Kreuzgasse und schließlich beim Bischof-Faber-Platz im 18. Bezirk. Doch seit drei Jahren ist er wieder da, mit neuem Standort und neuem Namen. Und das, obwohl er ja eigentlich schon lange kein Koch mehr sein will und auch nicht viel von der Wiener Küche hält…
Gastronews Wien: „Wie kamen Sie ursprünglich darauf, ins Gastgewerbe einzutreten?“
Szigeti: „Das ist mir passiert sozusagen. Also als Kind wollte ich unbedingt Koch werden, aber als es dann soweit war, hat es mich eigentlich gar nicht mehr so begeistert. Ich wäre viel lieber weiter ins Gymnasium gegangen und hätte meine Matura gemacht. Aber trotzdem habe ich diesen Weg eingeschlagen.“
„Stimmt es, dass Sie früher 15 Jahre lang in einer Disco gekocht haben?“
Szigeti: „Die Tangente, wo ich 15 Jahre lang in der Küche gearbeitet habe, war früher mal eine Disco, aber nicht mehr, als ich dort angefangen habe. Lokal wäre also die bessere Bezeichnung. Es war sehr nett und lustig dort, aber um ehrlich zu sein hatte ich zu der Zeit keine großen Ambitionen, da ich ja eigentlich kein Koch mehr sein wollte.“
„Was wollten Sie denn stattdessen sein?“
Szigeti: „Das wusste ich nicht, mir hat einfach total die Perspektive gefehlt darüber, was ich wirklich machen möchte. Wenn ich eine gehabt hätte, hätte ich sie wahrscheinlich umgesetzt. Aber Koch wollte ich wirklich nicht werden, es macht mich auch heute noch nicht besonders glücklich, wenn ich ehrlich bin. Eigentlich würde ich mich viel lieber den ganzen Tag dem Wein widmen, als zu kochen.“
„Also ist der Wein Ihre wahre Leidenschaft?“
Szigeti: „Leidenschaft wäre zu groß gesagt, dafür sehe ich das Leben zu nüchtern. Aber ich sage mal so, wenn ich jetzt noch einmal 15 Jahre alt wäre, dann würde ich nicht noch einmal Koch werden.“
„Sie sind dafür bekannt, dass man in Ihren Restaurants gut und vor allem günstig speisen kann. Warum halten Sie Ihre Preise so niedrig?“
Szigeti: „Weil ich Angst vor meinen Gästen habe. Ich hab’ schon ein schlechtes Gewissen, wenn die Leute zur Tür reinkommen. Mir sind hohe Preise einfach unangenehm. Außerdem habe ich von Anfang an niedrige Preise gesetzt, deshalb kann ich sie jetzt nicht auf einmal erhöhen. So vermeide ich Diskussionen.“
„2005 eröffneten Sie das Restaurant ‚Zur Schwarzen Katze’ und zogen dann zweimal um, warum haben Sie damals so oft den Standort gewechselt?“
Szigeti: „Also ich bin eigentlich permanent prinzipiell unzufrieden mit allem, so bin ich.“ (lacht) „Nein, also beim ersten Versuch wären wir eigentlich auch geblieben, aber das Haus war total desolat, uns hat’s da in die Küche reingeregnet und der Hausbesitzer war bis über beide Ohren verschuldet. Als dieser dann verstarb, wurde das Haus abgerissen. Deshalb sind wir umgezogen in die Kreuzgasse. Hier hat es dann ganz gut funktioniert, aber das Ambiente stimmte nicht und ich wollte nicht zu viel Geld investieren, um das Restaurant umzubauen. Dort war es einfach zu wirtshäuslich.“
„Ein anderes Problem, das ich dort hatte und mich bis heute verfolgt ist außerdem, dass ich eigentlich keine Wiener Küche machen will. Ich muss sie aber anbieten, weil das von den Gästen viel besser angenommen wird als die kreativeren Sachen. Das fängt mich mit der Zeit wirklich an zu nerven. Ich verstehe die Ost-Österreicher nicht, die die Wiener Küche in den Himmel loben und einfach alles panieren und ausbacken und die Leute sind damit zufrieden. Und glauben dann noch, sie wären der Nabel der gastronomischen Welt, weil sie so viel Ahnung haben. Also wenn ich kein Schnitzel oder Backhendl auf meiner Speisekarte hätte, könnte ich in drei Monaten zusperren. Das frustet mich Tag für Tag und nimmt mir die Lust am Kochen.“
„Sie mussten Ihr Restaurant 2012 schließen, weil zu viele Leute Ihre zu günstigen Gutscheine kauften – wie konnte es soweit kommen?“
Szigeti: „Ja, das war mein Fehler, ich hab’ diesen Zettel damals einfach nicht gut genug durchgelesen. Ich hab’ das einfach nicht geschnallt, dass die da die Hälfte vom Preis wegnehmen. Wir hatten im Endeffekt zwei 5 Gänge Menüs um 15€. Die Leute, die dieses Angebot nutzten, regten sich dann sogar noch im Internet darüber auf, dass sie sich das Menü nicht selbst zusammenstellen konnten oder keine Jakobsmuscheln auf den Tellern landeten.“
„Wie gehen Sie heute mit diesem Thema um?“
Szigeti: „Naja, klar war es ein Fehler, aber sowas würde ich heute nicht mehr machen.“
„Was überzeugte Sie, trotzdem ein Jahr später ein neues Lokal zu eröffnen?“
Szigeti: „Also der Grund, warum ich mich ursprünglich selbstständig gemacht habe, war der, dass ich die prinzipielle Atmosphäre in einer Großküche nicht mag, die ist einfach zu derb. Und in der Selbstständigkeit kann ich vorgeben, wie alles abläuft. Ich wollte dann 2013 einfach unbedingt wieder ein Restaurant eröffnen.“
„Warum haben Sie sich für den 20. Bezirk entschieden?“
Szigeti: „Da ich wirklich sehr gerne wieder ein Lokal haben wollte, war ich etwas zu ungeduldig, sodass ich dann das nächstbeste genommen habe, ohne eine wirkliche Begeisterung für den Standort.“
„Sind Sie der Zwischenbrückenwirt?“
Szigeti: „Nein, der Name ist so zustande gekommen, dass ein Teil von Brigittenau früher einmal Zwischenbrücken hieß. Der war aber nicht genau hier, sondern mehr Richtung Floridsdorf, deshalb haben sich anfangs auch ein paar Leute beschwert, aber uns hat der Name gut gefallen. Zur Katze wollten wir uns nicht mehr nennen, um keine Assoziationen hervorzurufen. Ich wollte mit dem Ganzen nichts mehr zu tun haben.“
„Möchten Sie in Zukunft weitere Restaurants aufmachen bzw. würden Sie nochmal an einen anderen Standort umziehen?“
Szigeti: „Also ein weiteres Restaurant nicht unbedingt, aber mein Traum wäre ein kleines Lokal mit dem Fokus auf Wein. Denn unsere riesige Weinkarte wird hier nicht wirklich geschätzt. Ich würde es klasse finden, wenn man spontaner sein könnte. Ich liebe zum Beispiel Lokale, wo es keine Speisekarte gibt, sondern einfach nur eine Tafel, die jeden Tag erneuert wird. Aber dafür ist unser Publikum hier einfach nicht modern genug. Die wollen gerne alles schwarz auf weiß nieder geschrieben haben.“
„Was ist das Wesentliche, das Sie aus Ihrer Karriere lernen konnten?“
Szigeti: „Ich bin kein Häuptling, aber ich kann auch kein Indianer sein. Ich tue mich schwer, in einem Betrieb mitzuarbeiten, aber ich bin auch überhaupt keine Führungspersönlichkeit. Ich kann mich nicht sehr gut durchsetzen. Auch bin ich kein guter Wirt. Ich mag es nicht, durch das Lokal zu gehen, solange Gäste da sind. Mir ist es lieber, wenn ich die Gäste nicht sehe und wenn sie mich nicht sehen. Sonst fühle ich mich einfach nicht wohl. Ich will immer alles so gut wie möglich machen, um nicht angreifbar zu sein. Sachen, von denen ich nicht 100% überzeugt bin, kann ich nicht verkaufen, so wie viele andere es in meiner Branche können. Die verkaufen dir teilweise kompletten Schrott, indem sie es nur gut darstellen. Das kann ich einfach nicht.“
„Was ist das größte Ärgernis im Leben?“
Szigeti: „Das kann ich nur beruflich beantworten, weil privat bin ich sehr zufrieden: Es sind die vielen kleinen Dinge, die einen Tag für Tag ärgern. Zum Beispiel die Bürokratie oder das allgemeine Misstrauen den Unternehmern gegenüber. Es herrscht in Wien eine gewisse Leistungsfeindlichkeit, die nahezu gefördert wird. Ich habe hier das Gefühl, dass es von staatlicher Seite lieber gesehen wird, wenn die Leute Arbeitnehmer sind und keine Unternehmer.“
Fotocredit: Szigeti