Wien (Culinarius/TP/OTS) – Die Gesprächsreihe der MODUL University Vienna hat sich mit ihrer kritischen Auseinandersetzung aktueller Wirtschafts-Themen längst einen Namen gemacht. Im Rahmen der aktuellen Podiumsdiskussion am 19. Februar am Wiener Kahlenberg gingen renommierte ExpertInnen diesmal der Frage nach, welche Entwicklungen in der nachhaltigen Gastronomie zu erwarten sind, wie Best-Practice Beispiele implementiert werden können und was verantwortungsvolles Management dazu beitragen kann.
Der Megatrend „Nachhaltigkeit“ im Lebensmittelbereich beschäftigt heute nicht nur KonsumentInnen, ProduzentInnen und den Einzelhandel, sondern zunehmend auch die Gastronomie. Denn aktuelle Zahlen zeigen, dass hier allein im Bereich Lebensmittelverschwendung viel getan werden kann: 200.000 Tonnen Lebensmittel werden in Österreichs Großküchen, Gastronomie- und Beherbungsbetrieben jährlich weggeworfen. Ebenso viel Potenzial liegt in den Bereichen Einkauf und Logistik. Die MODUL University Vienna ist in Forschung und Lehre -neben den Bereichen Neue Medientechnologie und Internationale Wirtschaft – auf die Themengebiete Tourismus und Dienstleistung sowie Nachhaltigkeit spezialisiert und bietet sowohl Bachelor als auch Master Lehrgänge in diesen Studienrichtungen an. Die Departments arbeiten dabei auch interdisziplinär. Gute Gründe also, warum die MODUL University Vienna am 19. Februar zu einer hochkarätigen ExpertInnenrunde im Rahmen der seit 2012 etablierten Kahlenberger Gespräche eingeladen hat. Die Teilnehmerzahl, das Interesse namhafter Gäste, darunter Stefan Resch, Küchenchef im Park Hyatt Vienna, Gerhard Zeilinger, Regionaldirektor Österreich Motel One, Marita Belz, platou-Vorstand und Sustainability Specialist im Le Méridien Wien sowie das Echo waren enorm.
Diskussionsreihe thematisiert Wirtschaftstrends mit sozialer Verantwortung
Hani El Sharkawi, Gastgeber des Abends und Leiter des Karrierezentrums MODUL Career erklärt die Intention: „Die Kahlenberger Gespräche thematisieren aktuelle Zukunftstrends wirtschaftlicher und sozialer Verantwortung. Es ist uns wichtig, den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Wien mit solchen Veranstaltungen, aber auch mit langfristigen Kooperationen zu stärken.“ So betreut das Nachhaltigkeitsteam von Global 2000 StudentInnen im Rahmen des Service-Learning Projekts „Schenk mir dein Problem“, bei dem gemeinsam mit fünf Partnerbetrieben praxisorientierte Nachhaltigkeits-Maßnahmen für die Gastronomie entwickelt werden. „Wir haben außerdem die Wiener Tafelbox bei uns implementiert. Ziel ist es, den Lebensmittelüberschuss sinnvoll vor dem Abfall zu retten. Die Diskussionsreihe soll die Relevanz der Thematik für Stakeholder und die breite Öffentlichkeit unterstreichen, unser Kompetenzzentrum für Internationale Wirtschaft, Tourismus und Dienstleistung, Nachhaltigkeit und Neue Medientechnologie stärken und den Auftrag von MODUL Career als Networking-Plattform für Alumni und PartnerInnen in der Wirtschaft erfüllen“.
ExpertInnen blicken über den Tellerrand
Mit Dr. Margit Leuthold, Sozialwissenschaftlerin, Evangelische Theologin, ehemalige Geschäftsführerin von „respect – Institut für Integrativen Tourismus und Entwicklung“ und Krankenhauspfarrerin im Evangelischen Krankenhaus Wien und im Allgemeinen Krankenhaus Wien konnte für die Veranstaltung eine langjährige Expertin mit den Schwerpunkten im Bereich Ökotourismus und nachhaltige Regional- und Tourismusentwicklung gewonnen werden, die ihre Erfahrungen im Rahmen der Moderation präsentierte: „Nachhaltigkeit in der Gastronomie bedeutet, über den Tellerrand zu schauen, Impulse für eine ökologisch, sozial und wirtschaftlich gerechte Entwicklung im Bereich „Bewirtung“ zu geben. Diese Impulse sind immer von
dem Status Quo ausgehend zu entwickeln und gegebenenfalls in Zukunft bei Neugründungen auch als grundlegendes Leitbild für ein ökosoziales Management von Gastronomie und Küche zu berücksichtigen.“
Wandel des Lebensstils bedeutet Wandel der Gastronomie
Dass die Nachfrage nach „grünen“, gastronomischen Angeboten in unterschiedlichen Bereichen steigen wird, verdeutlichte auch Dr. Dagmar Lund-Durlacher, Dekanin der Undergraduate School an der MODUL University und seit 2007 Leiterin des Departments of Tourism und Service Management, in ihrem Einstiegsvortrag an diesem Abend: „Ob bio, fairtrade, vegetarisch oder vegan – immer mehr Menschen ändern ihre Ernährungsgewohnheiten im täglichen Leben. Die Gastronomie stellt sich bereits darauf ein und wird dies in Zukunft verstärkt tun müssen“. Dafür ist jedoch, so die Expertin, noch viel Aufklärung und Bewusstseinsbildung notwendig. „Bei der Gestaltung der Speisekarte müssen Faktoren wie der Einkauf von klimafreundlichen und ressourcenschonenden Lebensmittel, die Reduzierung bzw. Vermeidung von Essensabfällen, der Aufbau regionaler Lieferketten und vieles mehr berücksichtigt werden. Bereiche, die noch nicht unbedingt in den Köpfen der Gastronomen verankert sind und für die es noch innovative Lösungsansätze braucht“. Durch den Bezug regionaler Lebensmittel und Ressourcen wird nach Lund-Durlacher nicht nur der ökologische Fußabdruck reduziert werden, sondern auch die regionale Wirtschaft, Kleinbauern und Direktvermarktung gestärkt, so die Expertin, die unter anderem auch Mitglied im Wissenschaftsbeirat von FUTOURIS, der Nachhaltigkeitsinitiative der Reiseindustrie im deutschsprachigen Raum, ist.
Lösungsvorschläge für engagiertes Nachhaltigkeitsmanagement
Lösungsmodelle für eine nachhaltige Gastronomie aus Sicht eines Umwelt- und Sozialvereins skizzierte Markus Hübl, MAS, Pressesprecher der Wiener Tafel und Kommunikationsexperte mit Spezialisierung auf gesellschaftlich relevante Themen, als Podiumsgast an diesem Abend. „Die Gastronomie ist eine Branche, in der die Nutzung von Lebensmitteln als Ressource von zentraler Bedeutung ist. Nachhaltigkeit bedeutet dabei in erster Linie, auf die Auswahl von nachhaltig produzierten Lebensmitteln, auf schonungsvolle und reflektierte Verarbeitung sowie auf die Einbettung in eine ökologisch nachhaltige Logistik im Betrieb zu achten, welche die Vermeidung von Lebensmittelabfällen beinhaltet. Darüber hinaus zählen alle Maßnahmen des jeweiligen Betriebs, die zu einer Reduktion der CO2-Emissionen in der gesamten Wertschöpfungskette beitragen, zu einem engagierten Nachhaltigkeitsmanagement“. Ob globale Zusammenhänge zwischen Lebensmittelkonsum, ökologischer Verfasstheit des Globus und Fragen sozialer Gerechtigkeit wahrgenommen werden, sei auch eine Frage der individuellen Verantwortung und gelebter Ethik, erklärte Hübl. „Irgendwem die Schuld zuzuweisen, dass ein Drittel eines wunderbaren Buffets übrig bleibt, ist sinnlos und nicht zielführend. Den Veranstalter, die Eventagentur, das Catering-Unternehmen und die Gäste des Events davon zu überzeugen, dass es allemal sinnvoller ist, die übrig gebliebenen Speisen mit der TafelBox vor der Vernichtung zu bewahren, die guten Speisen am Ende der Veranstaltung selbst einzupacken, mitzunehmen und am nächsten Tag daheim oder am Arbeitsplatz beim Lunch zu verzehren, ist im besten Fall ein erster Schritt in Richtung Bewusstseinsänderung“.
Green-Gastro-Bereich
Podiumsgast, Vorstandmitglied und Experte des Nachhaltigkeitsteams Global 2000 Martin Wildenberg, PhD wiederum untermauerte die Notwendigkeit neuer Geschäftsmodelle: „Meiner Meinung nach wird Gastronomie als Gewerbe in fast allen Zukunftsszenarien, die ich mir vorstellen kann, ihren Platz haben. Bleibt die Frage, ob „die Gastronomie“ als Branche oder als individueller Betrieb einen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung leisten will oder nicht. Möglichkeiten gäbe es genug – und für den einzelnen Betrieb mag es sehr wohl eine Überlebensfrage sein, wenn es darum geht, mit gesellschaftlichen Entwicklungen Schritt zu halten oder den Anschluss zu verlieren“. Entwicklungen nachhaltiger Geschäftsmodelle orientieren sich laut Wildenberg etwa an der Gemeinwohlökonomie und am „Pay as you like“-Modell. Positive Leuchtturmprojekte für nachhaltige Gastronomie, wie das derzeit laufende Projekt „Schenk mir dein Problem!“, sollen dazu beitragen, Lösungen für die kleineren und größeren Umwelt-Themen des Tagesgeschäfts sowie Best-Practice-Beispiele für den Green-Gastro-Bereich zu finden. Szene-Wirt, Gastro-Experte und Podiumsgast Mario Plachutta betonte in seinen Ausführungen durchaus kritische Aspekte des Themas:
„Nachhaltigkeit wir oft als kapitalistischer Schachzug genützt, mit klar definierter Zielgruppe: jung, höherer Bildungsgrad – das hat mit der Umwelt oft wenig zu tun“. Zudem erklärt Plachutta:
„Verantwortung beginnt beim Konsumenten. Solange der Konsument sich nicht gegen ein nicht nachhaltig produzierbares Beinfleisch entscheidet, bringen alle Statistiken nichts.“
Fotocredit: Martin Lusser