Christian Wukonigg ist ein Gastronom, wie er im Buche steht. Mit dem Café Engländer hat er eine Institution geschaffen, die nicht aus Wien wegzudenken ist. Im Interview verrät er, wie er in die Gastronomie kam, wann ein Café zu einer Institution wird und warum es bei ihm noch den guten alten „Herrn Ober“ gibt.
Sie haben eigentlich etwas ganz anderes gelernt und sind nun ein erfolgreicher Gastronom. Wie kam es dazu?
Ich bin gelernter Buchhändler und habe kurz Kunstgeschichte studiert – ohne Abschluss und ohne Erfolg (lacht). Ich hatte eine Antiquariat-Buchhandlung in der Schönlaterngasse, bin dann aber umgesattelt und habe das „Panigl“ übernommen, das damals zu den angesagtesten Lokalen der Stadt gehörte. 1991 eröffnete ich schließlich das Café Engländer. Es gab immer eine Affinität zum analogen Leben. Ich wollte immer schon mit Menschen zu tun haben, mit ihnen persönlich reden und Kontakt haben. Wo wenn nicht in einem klassischen Wiener Kaffeehaus ist das möglich?
Was wollten Sie mit dem Café Engländer erreichen? Hatten Sie schon die Ahnung, dass es einmal DIE Adresse in Wien sein wird?
Die Grundidee war eigentlich, dass man das Wiener Kaffeehaus belebt, es wieder zu dem machte was es einmal war, nämlich ein lebendiger Ort an dem herumgegangen wurde, gestritten wurde, gelebt wurde, geliebt wurde. Was braucht man dazu? Selbstverständlich eine Bar. Um Leben reinzubringen. Aus dem heraus ist das Café Engländer entstanden. Ein Café ist kein Kaffeehaus! Ein Café ist ein übergreifender Begriff, das schließt auch das Restaurant mit ein.
Wann wird denn ein Café zu einer Institution?
Wir achten darauf, dass wir eine hohe Qualität – bei Essen, Service und Getränken – haben aber das in einer sehr entspannten Atmosphäre wodurch es für viele Leute zu einer Selbstverständlichkeit gekommen ist, ohne nachzudenken, zu uns zu kommen. Bei uns gibt es noch die „altmodische Service-Qualität“. Bei uns wird man nicht geduzt! Und unsere Kellner beherrschen ihr Fach und dementsprechend reibungslos verläuft auch der Tag bzw. Abend.
Bei Ihnen gibt es auch noch den gut bekannten „Herr Ober“!
Ja. Leider stirbt diese Generation langsam aus. Aber ein paar wenige gibt es noch. Das Angebot an „Typen“, die man für diese Position aufbauen kann, ist sehr viel kleiner geworden. Ich hatte einen, den Herrn Walter, der ging vor 4 Jahren in Pension. Wir haben uns fast schon eine Freude daraus gemacht, ihn gemeinsam aufzubauen, zu dem Gesicht des Café Engländer. Jetzt gibt es den Herrn Roland. Der auch de facto das Gesicht des Café Engländer ist. Wir haben gerade einen Generationenwechsel. Das Problem ist, die Qualität des Service hat bei vielen Betrieben nachgelassen. Man muss im Kopf sehr wach sein und das alles gut koordinieren können und daher wird es für uns immer schwieriger, gute Leute zu finden, weil immer weniger diesen Beruf als ernstzunehmenden Beruf verstehen, sondern nur mehr als Job, den man zwischendurch oder als Student mal macht.
Wie kam denn eigentlich der Name des Cafés zustande?
Es ist eine Hommage an die berühmte Kaffeehauskultur der Wiener Jahrhundertwende. Der Name geht auf den Kaffeehaus-Literaten-Ikone Peter Altenberg zurück: Altenberg hieß eigentlich Richard Engländer.
Im Oktober 2023 wurde das zweite Café Engländer, dieses Mal am Praterstern im zweiten Bezirk, eröffnet und am Petersplatz betreiben Sie das Paul & Vitos. Was ist denn im Vergleich zu Deutschland das Schwierigste in der Gastro in Wien?
Ich sag immer, Berlin ist die Experimentier-Hauptstadt. München ist die Stadt, wo die Konzepte überprüft und in den Himmel gelobt werden und Wien ist die Stadt, in der alles am schwierigsten, weil wir das kritischste Publikum haben und wenn man hier Erfolg haben will, muss man gut sein oder den richtigen Platz haben.
Und den richtigen Platz haben Sie gefunden. Mit der zweiten Dependance am Praterstern auch?
Ich denke schon. Der Praterstern ist ein schöner, offener, Platz geworden. Zwar gibt es hier immer noch eine größere Baustelle, aber er hat das Potential, wieder zu dem zu werden, der er einmal war. Der Mittelpunkt des Bezirks. Der Praterstern war ein sehr offener Platz auf dem man sich getroffen hat und spazieren gegangen ist. Das versucht man wieder zu machen. Es wird Springbrunnen und Sitzgelegenheiten geben. Und durch das Alkoholverbot wird sich die Gegend auch wieder beruhigen. Ich habe hier deswegen ein Café Engländer eröffnet, weil viele meiner Kunden in der Gegend wohnen und weil ich signalisieren möchte, dass der Praterstern sehr beruhigt und nicht mehr der Brennpunkt ist, auch wenn viele Medien das so sagen. Und die Qualität, die man im ersten Bezirk bekommt, bekommt man garantiert auch hier!
Dann bleibt nur noch zu sagen: Herr Ober, bitte zahlen! Danke für Ihre Zeit und das Gespräch!
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