Die Familie Querfeld zählt zu den wichtigsten Akteuren der österreichischen Kaffeehauslandschaft. Betreiber Berndt Querfeld spricht im Gastro News Interview über die aktuelle Räumungsklage, den Prozessstart im März und klärt auf, warum das Café Landtmann kein Lerncafé ist.
Das Café Landtmann am Universitätsring 4, in Wiens Innenstadt gehört ohne jeden Zweifel zu den renommiertesten Kaffeehäusern der Bundeshauptstadt und ganz Österreichs. Die Betreiberfamilie Querfeld verantwortet seit mehr als 40 Jahren den Erfolg des Traditionshauses. Wie es weitergeht ist aber unklar. Eine Räumungsklage des Vermieters lässt die Branche den Atem anhalten. Im Gastro News Interview schildert Spitzengastronom und Unternehmer Berndt Querfeld die Hintergründe und Problematik der aktuellen Situation im Café Landtmann.
Gastro News: Die Ereignisse und vor allen die Berichterstattung über die Räumungsklage gegen das Café Landtmann, ausgehend von der Wlaschek Privatstiftung, haben sich in den letzten Tagen überschlagen. Wie empfinden sie das enorme mediale Echo, Ihren Fall betreffend?
Berndt Querfeld: Ich freue mich über das große Interesse an dem Missstand, in dem wir uns befinden. Ich sehe es als Zeichen der Unterstützung der Branche und darüber hinaus. Betrachtet man unsere Lage etwas genauer, erkennt man auch ohne ein Experte zu sein, dass ein Ungleichgewicht herrscht. Eine Art David gegen Goliath Situation, die es aufzuzeigen gilt. Gerade jetzt geht es bei unzähligen Unternehmen in ganz Österreich um die Existenz, da braucht es nicht noch eine Front, gegen die man bestehen muss.
Gastro News: Die enorme Aufmerksamkeit liegt natürlich auch an dem Renommee der Familie Querfeld und dem Traditionsbetrieb Café Landtmann. Einzelfall ist es aber keiner. Kennen Sie Gastronominnen oder Gastronomen aus Ihrem Umfeld deren Verhältnis zu den Vermietern ebenfalls, seit dem Ausbruch der Corona-Krise, angespannt ist?
Berndt Querfeld: Natürlich sind wir nicht die Einzigen. Es gibt viele, denen es genauso, oder ähnlich wie uns geht. Die aktuelle Situation, in der wir uns befinden zeigt, dass die Relation und das Verhältnis zwischen Verpächter und Mieter gereizt ist. Die Hausherren sitzen gefühlt am längeren Ast. Aber als Mieter sollte man nicht das Gefühl haben, Bittsteller statt Kunde zu sein. Das ist ein großes Problem, auch in unserer Branche.
Gastro News: Eine Räumungsklage gegen die Familie Querfeld und das Café Landtmann steht im Raum. Wie konnte es soweit kommen?
Berndt Querfeld: Zum Hintergrund. Wir hatten einen Monat geschlossen. Ein Monat, für das die Miete bereits überwiesen wurde. Daraus wurden zwei Monate. Und letztendlich ein ganzes Jahr. Dass unser Betrieb zwischen den behördlichen Schließungen die Hälfte seines Werts verloren hat, darf auch nicht vergessen werden. Immerhin mussten Unmengen an Sitzplätzen, aufgrund der Abstandsregel, ungenutzt bleiben. Auch die vorgezogene Sperrstunde brachte Umsatzrückgänge mit sich. Ungeachtet dessen, wurde von uns die Miete in vollem Ausmaß verlangt. Für mich einfach unverständlich. Viele Kolleginnen und Kollegen haben ihre Mieten mit dem Zusatz „mit Vorbehalt“ gezahlt, hoffend, dass irgendwann etwas von dem Geld zurückkommt. Ich halte das leider für eine sehr unrealistische Einschätzung der Lage.
Gastro News: Liegt das vielleicht zu einem gewissen Teil an der Fülle an Informationen und Maßnahmen, die auf die Branche hereingebrochen sind? Dauernde Änderungen und falsche Versprechen machen es gewiss schwer, den Überblick zu behalten.
Berndt Querfeld: Die Vertreterinnen und Vertreter unserer Branche sind zum Teil uninformiert. Das ist verständlich bei all den Änderungen und immer wieder neuen Unterstützungsmaßnahmen. Ich hoffe, dass sich das in Zukunft ändert. Die Gastronominnen und Gastronomen müssen sich über ihre Möglichkeiten im Klaren sein. Um gerade während der Corona Pandemie nicht auf der Strecke zu bleiben. Andererseits bin ich fest davon überzeugt, dass auch nicht alle Vermieter und Hausverwaltungen mit den aktuellen Förderrichtlinien im Detail vertraut sind. Auch da besteht Nachholbedarf, um Konflikte zu vermeiden.
Gastro News: Gut informiert zu sein bedeutet auch in der Krise wirtschaftlich zu denken und Sorge über den eigenen Betrieb zu tragen. Gerade in einer Zeit, in der jeder Euro zählt. Wie steht es um die finanzielle Lage im Café Landtmann?
Berndt Querfeld: In der Krise ist es wichtig, die Liquidität im Haus zu behalten. Es gibt keinen Euro, der hinausgeht, der nicht unbedingt hinausgehen muss. Überspitzt ausgedrückt. Der Grund dafür ist ganz einfach: Niemand weiß aus heutiger Sicht, wie lange wir von der Corona Pandemie noch betroffen sein werden. Wie lange wir uns das noch leisten können. Das Betrifft alle Betriebe, nicht nur die Gastronomie. Wir haben daher beschlossen, nur das Notwendigste zu zahlen. Daraus ergibt sich natürlich eine Differenz zwischen der Vorstellung der Hausherren und unserer. Die Stiftung nennt das Mietzinsrückstand. Wir sagen: Wir sind ihnen nichts schuldig.
Gastro News: Apropos Mietzinsrückstand, warum haben Sie entschieden nur einen Teil der Miete an die Vermieter zu zahlen, statt den gesamten Betrag?
Berndt Querfeld: Bei der Miete berufen wir uns auf den § 1104 ABGB, der in wenigen Worten besagt, dass bei einem Mietgegenstand, der aufgrund von Seuche, Feuer, Hochwasser oder Krieg nicht nutzbar ist, das Risiko bei den Vermietern liegt. Und daher keine Miete zu entrichten ist. Wir mussten das Café Landtmann, genau wie unsere anderen Betriebe, aufgrund von Seuche schließen und können das Mietobjekt daher nicht nutzen. Nicht nutzen heißt auch keine Miete zahlen. Zumindest nicht im vollen Umfang. Anders ausgedrückt: Wäre das Landtmann-Haus niedergebrannt und es steht nicht mehr, dürfte uns die Stiftung auch keine Mietzahlung in vollem Umfang vorschreiben. Das geht doch nicht. Der Unterschied zwischen Feuer und Seuche ist, dass ich heute im Café Landtmann stehe und es unversehrt ist. Es verstaubt ein wenig, ist aber in Takt. Für den Vermieter offenbar Grund genug, um das Problem der Schließung auszublenden.
Gastro News: Die Schließung der Betriebe ist behördlich angeordnet. Keine Entscheidung, die Sie als Privatperson getroffen haben. Das ist bekannt. Gibt es alternative Nutzungsmöglichkeiten, die der Stiftung entgegen kommen würden?
Berndt Querfeld: Wir haben teils kuriose Vorschläge bekommen, wie wir unsere Betriebe in der Krise anderwärtig nutzen könnten und auch sollten. Besonders gut gefallen hat mir die Idee, das Café Mozart zu einer Apotheke umzubauen. Auch der Vorschlag, das Geschäft auf Take-Away und Lieferservice umzurüsten, wurde uns nahegelegt. Eines dazu, das Café Landtmann hat seit 147 Jahren kein Take Away angeboten. Warum sollten wir das im 148 Jahr ändern. Hätte ich im März 2020 gewusst, dass wir heute noch immer geschlossen sind, hätte ich freilich Überlegungen dazu angestellt. Aber im Sommer hat niemand damit gerechnet, dass wir wieder zusperren müssen und im November niemand damit, dass die Situation auch zu Weihnachten unverändert ist. Wo wir heute stehen ist weitreichend bekannt. Die Menschen, die uns regelmäßig besuchen kommen, sind zudem größtenteils im Home Office. Die Betriebe, die heute Mittagsmenüs und Coffee-To-Go anbieten, haben sich hochgradig spezialisiert. Das Café Landtmann ist ein Mietobjekt mit 2000m2 und rund 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Am Tag brauchen wir rund 2.500 voll zahlende Gäste. Ich denke damit ist genug gesagt.
Gastro News: Der Druck auf die Vermieter hat sich durch die mediale Berichterstattung und das öffentliche Interesse an dem Fall deutlich erhöht. Glauben sie, dass eine außergerichtliche Lösung noch möglich ist?
Berndt Querfeld: Wir haben kaum Kontakt zu unseren Vermietern und der Hausverwaltung. Ich kenne die Herrschaften nicht, habe kein Bild zu den Namen. Die Stiftung, das muss man auch sehen, ist ein milliardenschweres Konstrukt, dass nur noch sich selbst gehört. Der Stifter selbst ist ja bereits verstorben. Die Aufsichtsräte und Vorstände sollten die Stiftung im Sinne des Gründers weiterführen. Ob eine Räumungsklage gegen die Familie Querfeld, weiter das Café Landtmann, der Richtige Weg ist, bezweifle ich. Wir haben vorgeschlagen eine Lösung zu finden und die Verhandlungen mit Hilfe eines Mediators zu führen. Die Stiftung lehnt das ab und ist nicht zu Gesprächen bereit. Dabei ist es längst zur Normalität geworden, einen Mediator bei derartigen Unstimmigkeiten als neutralen Vermittler einzusetzen. Als Antwort hat die Familie Querfeld eine Räumungsklage zugestellt bekommen. Aber die größte Frechheit ist, dass die Hausherren Einsicht in unsere Förderungen und den Umsatzersatz haben möchten. Dabei handelt es sich um sehr vertrauliche Informationen. Unser Umsatz geht nur mich und das Finanzamt etwas an. Ich frage den Vermieter auch nicht, ob er schon eine Förderung bezogen hat. Das ist zumindest unsere Rechtsansicht.
Gastro News: Das wirkt, als wären die Fronten verhärtet und eine außergerichtliche Lösung unwahrscheinlich. Wenn dem so ist, wie sehen die nächsten Schritte aus?
Berndt Querfeld: In Österreich leben wir in einem Rechtsstaat. Jetzt folgt ein Gerichtstermin. Der Vermieter fühlt sich von der Familie Querfeld nicht korrekt behandelt und umgekehrt. Der Verhandlungsstart ist für Mitte März angesetzt. Da findet die erste Tagsatzung statt. Weiter folgen der Gerichtsprozess und ein Urteil in erster Instanz. Dann gibt es noch einen Instanzenweg bis zum Obersten Gerichtshof. Ob es so weit gehen wird, bleibt abzuwarten. Aber ich denke, die wollen uns aus dem Weg räumen.
Gastro News: In den Monaten November und Dezember hatten Sie Anspruch auf Umsatzersatz, berechnet anhand der Vergleichsmonate aus dem Jahr 2019. Eine finanzielle Unterstützung die vielen Betrieben das Überleben sicherte. Vorerst. Gilt das auch für das Café Landtmann?
Berndt Querfeld: Bedingt. Die achtzig Prozent im November waren so hoch, um die Weihnachtsgehälter der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu bezahlen. Ich sage, die fehlenden zwanzig Prozent des Umsatzersatzes sind die Miete. Im Dezember waren es dann fünfzig Prozent. Und am lustigsten ist, dass wir aufgrund der Größe des Betriebs nichts mehr bekommen. Der Topf für uns ist leer. Jetzt haben wir noch Anspruch auf Verlustersatz. 75 Prozent. Auf den restlichen 25 Prozent bleiben wir sitzen. Die Miete müssen wir dementsprechend von unserem Ersparten zahlen, die ist im Verlustersatz nämlich nicht miteingerechnet. Wie lange soll man sich das leisten können? Wir wollen ja auch frische Blumen kaufen, wenn wir wieder aufsperren und neue Speisekarten drucken.
Gastro News: Die Summe, um die es zwischen der Familie Querfeld und den Vermietern geht, ist beträchtlich. Um wie viel geht es genau?
Berndt Querfeld: Im Dezember ging es um rund eine Viertel Million Euro. Und der Betrag steigt laufend. Wichtig ist zu erwähnen, dass wir zu jedem Monatsanfang, pünktlich, einen uns angemessen erscheinenden Betrag überwiesen haben. Ein Betrag, der im Verhältnis dazu steht, in welchem Ausmaß wir das Café Landtmann nutzen können. Und wir sitzen nicht auf einem Mietvertrag aus dem 18. Jahrhundert, der noch auf Tontafeln geschrieben wurden, da geht es monatlich um einen Betrag im hohen 5-stelligen Bereich. Wenn der Betrieb geschlossen ist und wir nichts umsetzen, ist das natürlich ein Problem.
Gastro News: Viele Wiener Kaffeehäuser nutzen die Zeit im Lockdown, um sich an sozialen Initiativen zu beteiligen. Eine davon sind die Lerncafés, um Schülern und Studenten einen Raum der Ruhe anzubieten. Warum beteiligt sich das Café Landtmann nicht daran?
Berndt Querfeld: Zum Schutz. Natürlich wurden wir gefragt, ob wir uns an der Initiative beteiligen und das hätte ich auch irrsinnig gerne getan. Ich finde die Idee fantastisch, jungen Schülern und Studenten einen Raum zur Weiterbildung anzubieten. Damit werden die Räumlichkeiten belebt und das Kaffeehaus bekommt wieder einen Sinn. Das Café Landtmann eignet sich grundsätzlich perfekt dafür. Wir haben ausreichend Platz und die Atmosphäre stimmt. Ich befürchte aber, dass das zu weiteren Problemen mit unseren Vermietern führen würde.
Wenn ein Großer aus der Branche hinausgeht und ein derart sensibles Thema öffentlich macht, wie wir es gerade tun, dann hat das einen Effekt. Wir wollen erreichen, dass sich die Unternehmerinnen und Unternehmer besser informieren und ihre Möglichkeiten nutzen. Wir haben uns die Situation nicht ausgesucht, in der wir uns befinden. Niemand hat das.
Danke für das Gespräch.