So mancher Bewohner von Wien Landstraße hat wohl ganz schön blöd dreingschaut, als das „Café Zuckergoscherl“ neben dem Rochusmarkt 2015 von einem Tag auf den anderen zugesperrt hat. So urplötzlich, ohne Ankündigung. Damals hieß es, ein neuer Besitzer kommt. Seither wurde oft wild spekuliert, was wohl aus der ehemaligen Landstraßen-Institution, die so viele Stammgäste hatte, werden würde. Jetzt weiß man´s: das…. Café Zuckergoscherl! Jawohl, der Name blieb, der Betreiber wechselte. Marcus Langhammer heißt er, der Gastroprofi, der bereits das Fischerhaus an der Höhenstraße betrieb und zuvor Geschäftsführer und Küchenchef des unweit entfernten und – zumindest früher – hochfrequentierten „Rochus“ war. Nun soll´s also das Zuckergoscherl sein, das einst Konditorei war.
Nach Konditorei schaut´s drinnen nicht mehr aus: eine Mischung aus Restaurant, Bar und bisschen Kaffeehaus triffts wohl eher. Die Architekten Artmüller, die bereits das Freiraum, das Yamm und das Fischerhaus gestalteten, kümmerten sich um die Inneneinrichtung. Den Fliesenboden im großen Hahnetritt-Muster find ich ja noch schön. Aber rote und braune Lederbänke, im hinteren Bereich düstere Beleuchtung, alles in allem schaut das bisschen nach Hotel-Frühstückssaal aus, also nicht sehr aufregend. Einen Hingucker gibt´s aber schon: ein großer Luster wurde eigens fertiggestellt, der die Retro-Reklame-Buchstaben des früheren Kaffeehauses in sich trägt. Also große, knallgelbe Zuckergoscherl-Letter. Fällt sofort auf beim Reingehen und schaut interessant aus.
Die Speisekarte ist hübsch gestaltet, mit vielen Obst- und Gemüse-Zeichnungen und so, erinnert aber doch irgendwie an den früher noch urwitzigen aber mittlerweile etwas unspannenden Stil der Rochus-Speisekarte (Stichwort: die etwas andere Art der Speisenbeschreibung). Und was gibt sie so her? Für´s Frühstück ein paar Gerichte wie Schinken vom Thum mit Kren und saurem Gemüse (€ 5), Eierspeise mit Schwammerl und Kernöl (€ 6), Egg Florentine mit Blattspinat (€ 8), den Wiener Frühstücksklassiker mit Buttersemmerl, Marmelade & Co, Waffeln (€ 7) und noch ein paar andere Optionen. Waffeln sollten´s für mich sein. Die waren aber leider echt keine besondere Gaumenfreude. Zu trocken, zu unflaumig und pompös angerichtet, als wärs eine große Nachspeise. Hat mich nicht überzeugt. Die chillige Dancemusik in aller Früh auch nicht.
Dafür gibt´s im Zuckergoscherl was, das nicht so oft ein Lokal auf der Karte hat: Gabelbissen. Beispielsweise drei mal raffiniertes Fisch- oder Fleischtartar, Rollmops, Schinkenrolle oder Mayonnaise Ei mit Kaviar. Fein. Überhaupt find ich, dass der gute alte Gabelbissen wieder öfter konsumiert gehört. Der ist leider schon fast ausgestorben.
Küchenchef Robert Liebhart, der zuvor im Café Halle im MQ kochte, hat sich für mittags und abend aber auch was Gutes überlegt: Waldorfsalat mit Garnelen (€ 14), Überbackene Schinkenfleckerl (€ 10), Salonbeuschel (€ 15), Kruspelbraten mit Kraut und Knödel (€ 15), Lammrücken mit Artischocken (€ 23) und als Nachspeise Kaiserschmarren (€ 12) oder Powidl Buchtel (€ 5). Ja, hier kann man klassisch österreichisch essen, auch wenn´s „modern interpretiert“ sein soll. Und wenn die Baustelle vor der Tür weg ist, kann man auch wieder schön neben dem Rochusmarkt im Schanigarten sitzen und Leute beobachten. Herrlich.
Mein Fazit:
Optisch kein Highlight, das Speiseangebot jedoch schon. Ich werde dem „Kaffeehaus 2.0“ bestimmt wieder einen Besuch abstatten. Dann aber abends, wenn ich Lust auf einen Klassiker hab. Ein bisschen erinnert das Lokal an so manch anderes „Allrounder-Haus“, doch spezieller ist es durchaus.